Für eine begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik

TOP 3 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober, Johannes Singhammer, Dr. h. c.Wolfgang Thierse, Kathrin Vogler und weiteren Abgeordneten eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik – Drucksache 17/5450

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz (Herborn), Patrick Meinhardt, Dr. Norbert Lammert und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Drucksache 17/5452

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) – Drucksache 17/5451

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Seit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom Juni 2010 die PID als zulässig bewertet hat, sind in diesem Land bewegende Diskussionen dazu geführt worden. Bisweilen entdecke ich dabei auch fehlerhafte Annahmen und fehlerhafte Bewertungen. Es ist nach wie vor viel aufzuklären. Mich trifft allerdings bis heute ins Mark, wenn Befürworter der PID-Zulassung in eine Traditionslinie mit Euthanasieverbrechen der Nationalsozialisten gestellt werden.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Wer hat das denn getan?)

Ich habe mich mit dieser Problematik intensiv auseinandergesetzt; viele andere in diesem Haus haben das auch getan. Daher weiß ich, dass dieser Vorwurf jeglicher differenzierter Diskussion die Grundlage entzieht. Und wie, frage ich mich, muss das erst auf Menschen bzw. Paare wirken, die eine PID erwägen?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich fällen sie doch eine höchst individuelle Entscheidung, der keinerlei populationsgenetische Motive unterstellt werden können.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Politikerinnen und Politiker sollten nicht allein nach ihrer persönlichen Haltung zur PID entscheiden. Vielmehr muss das von uns zu beschließende Gesetz die Breite verschiedener ethischer Positionen spiegeln, und diese reichen nun einmal von einem Verbot über eine begrenzte bis zur gänzlichen Freigabe der PID. Diese Positionen sind glaubensgebunden oder basieren auf naturphilosophischen oder atheistischen Auffassungen von Natur und menschlichem Leben. So gibt es in diesem Haus gänzlich verschiedene Antworten auf die Fragen: Wann beginnt menschliches Leben? Hat ein Embryo im Reagenzglas einen höheren Lebensschutz als nach der Einnistung in die Gebärmutter?

In all diesen Wertvorstellungen sind Menschlichkeit, Freiheit, Toleranz und Respekt vor anderen Menschen Eckpunkte sittlichen Handelns. Aber kein Wertekonzept kann allein beanspruchen, Staat und Menschen allgemeinverbindliche Vorgaben zu machen. Staatliches Recht hat nach meiner Auffassung insofern universelle Menschenrechte und Menschenwürde als gemeinsamen Nenner zu wählen.

Diese vielfältigen ethischen Vorstellungen finden sich dabei auch bei den Paaren, die die PID für sich in Betracht ziehen. Für mich sind deren Schicksale bewegend; wir haben hier schon einige Beispiele gehört. Ein Teil der Eltern hat bereits erblich bedingt mehrfach Früh- und Totgeburten ertragen müssen. Zwei Drittel der Betroffenen haben bereits Kinder mit schwersten erblichen Erkrankungen. Diese Eltern lieben ihre Kinder bedingungslos und unternehmen alles Menschenmögliche, um ihnen ein glückliches Leben mit möglichst wenig Einschränkungen und wenig Leid zu geben. Sie wünschen aber auch weitere Kinder. Allerdings möchten sie diesen Kindern, wie ich es immer wieder von Betroffenen gehört habe, die Folgen bzw. das Leid einer von ihnen vererbten Krankheit ersparen. Warum sollen wir das nicht respektieren?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ihr grundgesetzlich geschütztes Recht. Das Recht auf Fortpflanzung ist ein Menschenrecht. Die Gesellschaft respektiert doch längst verschiedene Wege und Mittel der Geburtenkontrolle, und sie respektiert insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Paare, die die PID ablehnen, werden vermutlich eben auch keine Pränataldiagnostik anstreben, wie sie überhaupt skeptisch gegenüber künstlicher Befruchtung sein dürften. Diese Paare werden in ihren Rechten durch unseren Gesetzentwurf allerdings nicht eingeschränkt. Wer dagegen die PID vor dem eigenen Gewissen für verantwortbar hält – diese Entscheidung hat jeweils eine lange Vorgeschichte; sie ist reflektiert; sie wird von den Paaren ganz genau bedacht – , kann bei einem Verbot der PID seine Entscheidungsrechte nicht mehr verwirklichen. Das halte ich für höchst problematisch.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ewa Klamt (CDU/CSU))

Meine Damen und Herren, ich unterstütze die Begrenzung der PID auf erbliche Chromosomenstörungen und auf monogenetische Erbkrankheiten. Hierbei ist die Sicherheit der Prognose vergleichsweise hoch. Andere schwere und schwerste Krankheiten können durchaus auch erblicher Natur sein. Bei ihnen ist aber erstens unklar, wie viele und welche Gene tatsächlich den Ausbruch verursachen. Zweitens gibt es zahlreiche weitere äußere Einflussfaktoren wie Umwelt und Lebensweise der Menschen.

Das menschliche Genom besteht aus über 3 Milliarden Bausteinen. Insofern werden wir wohl noch Jahrzehnte nicht in der Lage sein, sichere Prognosen zu Krankheiten oder gar zu menschlichen Eigenschaften abzugeben. Ebenso unzuverlässig sind Chromosomen-Screenings für nichterbliche Krankheiten. Vor diesem Hintergrund eignen sich beide, die PID und die Chromosomen-Screenings, anders als derzeit in der Diskussion behauptet, eben nicht dazu, Designerbabys zu schaffen.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, all diese Argumente bei Ihrer Entscheidung ebenfalls zu bedenken.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ewa Klamt (CDU/CSU)