Der Reichtum an Arten und Gattungen dient uns als Lebensgrundlage

TOP 17) Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag der SPD: Schutz der biologischen Vielfalt – Die Taxonomie in der Biologie stärken, Drs. 17/9549

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

in den vergangenen Tagen erschien eine Studie der finnischen Akademie der Wissenschaften, die auch hierzulande für Furore sorgte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschten den Zusammenhang zwischen der Umgebung, in der Kinder aufwachsen und ihrer Neigung zu Allergien als Jugendliche. Das Ergebnis: je vielfältiger die natürliche Flora und Fauna war, mit der die Kinder in Berührung kamen, umso niedriger die Anfälligkeit für Allergien. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen. Die Biodiversität, die kaum ermessliche Vielfalt unserer biologischen Umwelt ist kein Accessoire romantischer Naturverklärung oder alleiniger Gegenstand verschrobener Schmetterlingssammler.

Der Reichtum an Arten und Gattungen dient uns allen als existenzielle Lebensgrundlage – in Fragen der Ernährung, des Bodens, der Gesundheit. Wenn diese Vielfalt abnimmt, weil etwa 100 Arten täglich aussterben, dann kann dies Folgen nach sich ziehen, deren Komplexität wir nicht beherrschen. Die Bedeutung der Biodiversität lässt sich daher durchaus mit der des globalen Klimas vergleichen.

Kürzlich wurde die Internationale Plattform für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (IPBES) gegründet, die in etwa dem Weltklimarat vergleichbar ist. Man entschied sich für Bonn als Sitz dieser Plattform. Von hier aus soll zukünftig das Wissen über Artenvielfalt gebündelt und zu fundierten Beratungen für die Politik entwickelt werden. Dass diese wichtige Einrichtung in unserem Land gegründet wird, sollte uns allen als Verpflichtung gelten, mehr für die Erforschung des Artensterbens und den Kampf dagegen zu tun. Alle bisherigen Vereinbarungen der Staatengemeinschaft, den Verlust von Arten zu stoppen, sind bisher gescheitert. Bereits 2010 sollte das Ziel erreicht sein, 2010 ist es um weitere zehn Jahre aufgeschoben worden.

Die Plattform wird allerdings keine eigene Forschungseinrichtung. Sie ist darauf angewiesen, dass die Staaten der Welt, insbesondere die forschungsstarken Industriestaaten, dieses Forschungsfeld entsprechend ausbauen. Es ist richtig, dass die Bundesregierung Mittel für die Unterstützung von Entwicklungsländern in der IPBES zugesagt hat. Zusätzlich muss jedoch auch die Forschungslandschaft im eigenen Land aus- und nicht abgebaut werden.

Ich freue mich daher sehr, dass das neue DFG-Forschungszentrum zur Biodiversität in meiner Heimat-Universität Halle und in Leipzig sowie Jena entsteht. Mit 33 Millionen Euro für vier Jahre können wir wirkliche Wissenssprünge auf hohem Niveau erreichen. Die Einrichtung dieses Zentrums sehe ich als hoffnungsvolles Zeichen gegen den schleichenden Bedeutungsverlust der Biodiversität in der Forschungsförderung. Gebraucht werden neben einer kontinuierlichen Nachwuchsförderung auch endlich wieder feste Lehrstühle, die ein solches Forschungsfeld auf lange Frist verankern. Auch für das neue Rahmenprogramm der EU „Horizont 2020“ müssen seitens der Bundesregierung klare Initiativen für eine Stärkung der Taxonomie und der Biodiversitätsforschung ergriffen werden.

Die Erhaltung der Artenvielfalt ist nichts, womit sich kurzfristig Märkte schaffen und Produkte der Green Technologies verkaufen lassen. Diese Aufgabe verlangt von uns eher eine Entschleunigung und eine konzentrierte Folgenabschätzung unseres eigenen politischen und ökonomischen Handelns. Wenn wir den Reichtum der Natur für uns nutzen wollen, etwa in der Bionik, dann müssen wir ihn auch erhalten.