Herumdoktern an einer verkorksten Besoldungsstruktur

TOP 24)  Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Professorenbesoldungsneuregelungsgesetz) < Drucksachen 17/12455, 17/12662 >

—-

– Rede zu Protokoll –

Derzeit wird viel über die Agenda 2010 und ihre Folgen geredet – die Folgen der Idee des „flexiblen Menschen“, wie es der Soziologe Richard Sennett kritisch formulierte. Aber der Leitsatz „Fördern und Fordern“ wurde nicht nur auf Erwerbslose gemünzt, die es auf die nicht vorhandenen Arbeitsplätze zu platzieren galt. Auch für Professorinnen und Professoren meinte die damalige rot-grüne Koalition diesen Leitspruch der neoliberalen Ära anwenden zu müssen. Pate stand offensichtlich das noch nie stimmige Klischee des faulen Professors, der sich im Beamtenverhältnis ausruht, mit Unlust lehrt und schon seit Jahren nichts veröffentlicht hat. Dem wollte man nun wohl auf die Sprünge helfen.

Auf diese Weise entstand die W-Besoldung, die die Grundgehälter absenkte und so genannte leistungsabhängige Entgeltbestandteile für Professorinnen und Professoren einführte. Als wäre die intrinsische Motivation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht ihr bestimmender Antrieb, musste nun der schnöde Mammon als Stimulanz herhalten.

Man setzte die Hochschullehrerinnen und –lehrer in einen Wettbewerb zueinander, ohne jedoch dessen Kriterien und Rahmenbedingungen zu definieren. Ich erinnere mich gut an die damaligen Debatten. In den Hochschulen und Landesministerien zerbrach man sich den Kopf, wie ein entsprechendes Verfahren der „Leistungsbemessung“ denn gestaltet und in konkrete Satzungen gegossen werden sollte. Sollte die Zahl der betreuten Promotionen ein Kriterium sein? Die der eingeworbenen Drittmittel für die Forschung? Die der gehaltenen Lehrstunden? Schnell wurde klar, dass Leistung in der Wissenschaft eine kaum trennscharf und präzise zu bewertende Maßeinheit ist. Leistung kann die eine nobelpreistaugliche Entdeckung, eine gute Personalführung, aber auch eine hervorragende Lehre sein. Sie ist nicht in Gehaltsbestandteilen abbildbar.

Trotzdem wurden die entsprechenden Satzungen geschaffen. Im Ergebnis bildete sich ein föderaler Flickenteppich an Besoldungsmodalitäten heraus, der kaum noch zu überschauen ist. Wir haben mittlerweile eine große Spreizung in den Professorengehältern, die wie üblich ein starkes Nord-Süd-Gefälle aufweist. Nach einer Erhebung des Deutschen Hochschulverbands variieren die durchschnittlichen Jahresgehälter für Hochschullehrer in der Besoldungsgruppe W 2 zwischen 48.968 Euro in Berlin und 56.932 Euro in Bayern. In der Besoldungsgruppe W 3 werden zwischen 59.324 Euro (Berlin) und 67.889 Euro (Bayern) bezahlt. Hinter diesen Durchschnittswerten verbergen sich ihrerseits große Spannen. Nicht nur die einzelnen Professorinnen und Professoren, sondern auch die Bundesländer wurden in einen problematischen Wettbewerb gesetzt, der Sieger und Verlierer kennt.

Dem hat das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr erste Grenzen gesetzt. Ein Grundgehalt von 3890 Euro und eine Leistungszulage von 23,72 Euro sei zu wenig und dem Amt nicht angemessen. Geklagt hatte ein frisch berufener Professor der Chemie aus Marburg. Die Uni Marburg begrüßte das Urteil, weil die mittlerweile entstanden Unterschiede in den Gehältern nicht mehr zeitgemäß seien. Alle Professorinnen und Professoren hätten die gleichen Dienstaufgaben. Die grassierende Wettbewerbsunkultur bekam eine klare Grenze aufgezeigt – nicht weil die Gewinner zu viel, sondern weil die Verlierer zu wenig verdienen.

Das Urteil hat den Ländern, aber auch dem Bund, die Aufgabe gegeben, mehr Gleichheit und mehr Gerechtigkeit in der Bezahlung von Hochschullehrerinnen und –lehrern umzusetzen. Diese wenigen Mindestanforderungen hat die Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf erfüllt – vor allem höhere Grundgehälter sowie die Wiedereinführung von Erfahrungsstufen. Der Entwurf sieht vor, dass insbesondere die Spitzenverdiener ihre in Bleibe- oder Anwerbungsverhandlungen erlangten Bezüge weiter erhalten. Niedrigere Leistungsbezüge werden mit dem nun angehobenen Grundgehalt verrechnet. Die zusätzlichen Mehrkosten sollen von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst getragen werden und könnten sich negativ auf die Beschäftigungsbedingungen des übrigen Personals auswirken. Wir meinen: der Bund sollte die anfallenden 600.000 Euro jährlich zuschießen. Das zahlt er aus der Portokasse.

Der uns hier vorliegende Gesetzentwurf kann kaum noch eine leitende Funktion für die Bundesländer beanspruchen, betrifft er doch nur die etwa 850 Lehrstuhlinhabenden an Hochschulen und Instituten des Bundes. Die Länder können, Föderalismusreform sei Dank, eigenständig auf das Urteil reagieren. Wir werden daher auch zukünftig einen intransparenten und teilweise grotesken Abwerbungswettbewerb um die vermeintlich „Exzellenten“ der etwa restlichen 40.000 Professorinnen und Professoren im Landesdienst erleben. Die strukturellen Schwächen der W-Besoldung bleiben uns ebenfalls erhalten: intransparente Zulagen, der unsinnige Unterschied zwischen W2 und W3 oder die schlechten Bedingungen der Juniorprofessorinnen und -professoren etwa, die bei einem geringen Gehalt gar keine Leistungszulagen erhalten können. Man hat widerwillig an den Symptomen einer verkorksten Besoldungsstruktur herumgedoktert.

Wir sollten nach alldem schon fragen, ob das Beamtentum für die heutigen, kollektiven Methoden von Wissenschaft in autonom agierenden Institutionen überhaupt eine angemessene Beschäftigungsform ist. Der Ordinarius erscheint doch eher wie ein historisches Relikt, nicht wie ein Zukunftsmodell. 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten angestellt, wiederum 85 Prozent von ihnen befristet. Kaum ein Land leistet sich eine derartige Hierarchie in seinen Hochschulen. Wer eine wünschenswerte Personalstruktur für morgen entwickelt, sollte sich um bessere Arbeits- und Tarifbedingungen für alle wissenschaftlich Tätigen bemühen. Hier sollten wir ebenso fix zu Ergebnissen kommen. Und zwar ohne, dass ein Verfassungsgericht dies der Politik erst ins Stammbuch schreiben muss. Meine Fraktion hat wie die anderen auch dazu Vorschläge gemacht, die der Umsetzung harren.

Dr. Petra Sitte