Bis zur Promotion sind etwa gleichviel Frauen und Männer in der Wissenschaft

 TOP 12) Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung durch kontinuierliche Impulse des Bundes konsequent weiter vorantreiben > Drucksache 17/12845 <
– Frauen in Wissenschaft und Forschung – Mehr Verbindlichkeit für Geschlechtergerechtigkeit > Drucksachen 17/9978, 17/12365 <

– Rede zu Protokoll –

Auf dem Fachgespräch unserer Fraktion zur Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus brachte der  Kollege Matthias Neis von ver.di das hier zu diskutierende Problem auf den Punkt: „Bis zur Promotion sind etwa gleichviel Frauen und Männer in der Wissenschaft. Danach steigen Frauen aus und Männer auf.“ Forschung und Lehre prägen unsere Gesellschaft mehr denn je. Wir nähern uns der Marke von 50 Prozent jeder Generation, die ein Studium durchlaufen. Mehr als 200.000 Menschen promovieren, mehr als 500.000 Menschen arbeiten allein an unseren Hochschulen. Wir reden über einen quantitativ und qualitativ entscheidenden Schüsselsektor unserer wissensgeprägten Gesellschaft. Mittlerweile seit Jahrzehnten diskutieren wir die Frage, wie wir eine Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft erreichen.

Neben dem Argument der Gerechtigkeit, das für sich steht, werden dabei auch immer Eigenmotivationen der Wissenschaft angeführt. Vielfalt in den Ansätzen und Methodiken etwa, aber auch die Lenkung des Blicks auf alternative gesellschaftliche und wissenschaftliche Problemstellungen. Dabei geht es um eine andere Qualität von Wissenschaft. Die Genderdimension in Forschung und Lehre bedeutet viel mehr als die reine Steigerung von Frauenanteilen in Führungspositionen. Aber sie ist ohne Frauen in Führungspositionen und im Mittelbau eben nicht zu auszufüllen. 14,6 Prozent der ordentlichen Professuren sind von Frauen besetzt. Bezieht man die befristeten Juniorprofessuren ein, kommt man auf einen Anteil von 19,2 Prozent. Hier hat es langsame, aber sichtbare Fortschritte auf niedrigem Niveau gegeben. Besonders düster sieht es im Hochschulbereich bei den Topfunktionen im Management, Hochschul- und Institutsleitungen etwa, aber auch bei wissenschaftlichen Direktorinnen in der außeruniversitären Forschung aus. Diese Anteile bewegen sich nur knapp über, oder sogar unter zehn Prozent. Die Fortschritte hier laufen derart langsam, dass Jutta Dallhoff vom Center for Excellence of Women in Science (CEWS) in der Süddeutschen Zeitung in dieser Woche schrieb: „Es ist an der Zeit, die Geduld zu verlieren.“ So wird es vielen jungen und nicht mehr ganz so jungen Frauen gehen, die auf die Chance warten, sich und ihre großartigen Kenntnisse in die Wissenschaft einzubringen.

Konzepte zur besseren Durchsetzung von Frauen liegen reichlich auf dem Tisch. Expertisen zur Ursache des Ausstiegs vieler Frauen ebenso. Wir wissen längst, dass Frauen sowohl an tatsächlicher Ausgrenzung und Vorurteilen durch männlich dominierte Netzwerke, aber auch an strukturellen Barrieren scheitern. Diese Hemmnisse lassen sich nicht mit einer Maßnahme beheben, sondern benötigen vielfältige Ansätze. Diese haben wir in der Initiative der Opposition aufgelistet: von der transparenten Ausschreibung von Stellen über die anonymisierten Bewerbungsverfahren bis zur Schaffung familiengerechterer Arbeitsbedingungen und sicherer Karriereperspektiven – auf einen Lehrstuhl hin oder eben auch ohne Professur. Denn viele Frauen in der Wissenschaft, das hörte ich in Gesprächen immer wieder, streben nicht unbedingt auf eine Professur. Sie wollen Wissenschaft betreiben, manchmal eben auch ohne den spezifischen Habitus des Ordinariats.

Nicht zuletzt, auch das steht in unserem Antrag, brauchen wir auch eine nach Fächern differenzierte, aber durchsetzungsfähige Quote in der Wissenschaft. Diese sollte durch finanzielle Anreize, aber auch durch Sanktionen abgesichert werden. Die Mittelvergabe ist ein echter Hebel, der da, wo er angewandt wird, gut funktioniert. Dieser Hebel kann ergänzt werden durch individuelle Förderprogramme, wie sie der Bund mit dem Professorinnenprogramm, aber auch das damals rot-rot regierte Berlin mit dem Programm für Gleichstellung erfolgreich umsetzt.

Ich freue mich, dass wir mit dem Antrag der drei Oppositionsfraktionen den Druck bei diesem Thema gemeinsam aufrecht erhalten konnten. Dieser Druck hat bei der Koalition immerhin die Erstellung eines Antrags bewirkt. Ich wünschte mir, dass auch die Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP die verbleibende Zeit zur Weichenstellung nutzen. Dabei geht es nicht nur um die Bundesländer, sondern um die ganz konkreten Bedingungen in der außeruniversitären Forschung, für die der Bund eine starke Verantwortung trägt. Schaffen Sie die in Ihrem eigenen Antrag geforderte Verbindlichkeit der Quote nach dem Kaskadenmodell in allen Einrichtungen. Das wäre ein wirklicher Fortschritt.