Internationalisierung der Wissenschaft ist keine Einbahnstraße

TOP 43: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP Deutschland in der Globalen Wissensgesellschaft klar positionieren – Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben > Drucksache 17/14111 <

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter voran treiben, das liest sich zunächst einmal ganz gut. Genauso wie viele andere Teile der vorliegenden Antragslyrik. Kooperationen ausbauen, Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern stärken, gemeinsam globale soziale und ökologische Herausforderungen meistern. Die Koalitionsfraktionen waren offenbar kurz davor, den schönen und wahren Gemeinplatz vom Wissen, das sich vermehrt, wenn es geteilt wird, in ihren Antrag zu schreiben. Das aber haben sie gerade so noch vermieden, denn dann wäre der innere Widerspruch des Papiers noch augenscheinlicher, als er jetzt schon ist.

Denn neben allen schön klingenden und teilweise ja auch ernst gemeinten Vorschlägen des globalen Miteinanders in Wissenschaft und Forschung steht eben immer wieder auch ein komplett anderes Verständnis der Internationalisierung. Nämlich der Anspruch, dass Deutschland mit Blick auf den eigenen Vorteil und eine Vorreiterrolle möglichst internationale Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nach Deutschland holt und hier bindet.

Das ganze Papier windet sich in diesem Widerspruch. Da werden einerseits recht konkrete Haushaltsforderungen aufgestellt, um mit viel Geld die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Stellen nach Deutschland zu locken, andererseits wollen sie helfen, gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in und vor allem für Entwicklungsländer auszubilden.

Während letzteres im Grundsatz zu begrüßen ist, frage ich mich schon, wie fair das im Verbund mit dem Erstgenannten verknüpft werden kann. Vor allem aber wäre es national wie international nachhaltiger und besser, nicht nur die Besten der Besten nach Deutschland zu locken, sondern insgesamt attraktive Arbeitsplätze in der deutschen Forschungs- und Wissenschaftslandschaft anzubieten.

Diese Baustelle haben Union und FDP mit einem Halbsatz sogar bedacht, doch schlagen sie dann gleich den nächsten Widerspruch vor: Sie wollen einerseits noch mehr Flexibilität in Personalangelegenheiten, andererseits den Ausbau von Tenure-Track-Optionen. Letzteres fordern wir LINKEN seit Langem, in der Realität hat die Flexibilisierung der Personalangelegenheiten, Beispiel Wissenschaftszeitvertragsgesetz, genau solche verlässlichen und damit auch international attraktiven Arbeitsbedingungen und Karrierewege maßgeblich verschlechtert. Wie wenig reizvoll ein Arbeitsplatz in der deutschen Akademia für Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler ist, lässt sich im Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs nachlesen, wir hatten dazu erst vor kurzem debattiert.

Besonders amüsiert habe ich mich übrigens bei der Sprachregelung im vorliegenden Antrag zum Bologna-Prozess. Gerade das Ziel der Internationalisierung des Studiums ist durch die kleinteiligen und sehr starr ausgerichteten, von Hochschule zu Hochschule differierenden Bachelorstudienordnungen in Deutschland nicht nur verfehlt worden. Sein Erreichen wurde viel mehr massiv behindert. Hier von einer nötigen Weiterentwicklung zu sprechen ist äußerst kreativ.

Statt die dringend nötigen Strukturreformen in Deutschland anzugehen, die in einer offenen und vernetzten Wissenschaftslandschaft auch schnell international Beachtung fänden, schlägt Schwarz-Gelb neben der ein oder anderen sinnvollen Forderung lieber ein willkürliches Potpourri aus Widersprüchlichkeiten und ein ganzes Paket an Marketingmaßnahmen vor.

Doch so nett die ein oder andere Hochglanzbroschüre und so hilfreich Kontaktbüros in anderen Ländern sein mögen, ein roter Faden und ein eindeutiges Bekenntnis zu einer kooperativen Idee der Internationalisierung verknüpft mit ordentlichen Arbeitsbedingungen hier vor Ort auf allen Ebenen wissenschaftlicher Arbeit wären der fehlende Nährboden für solche Blüten.

Nicht zuletzt ist auch der Wissenstransfer ein wichtiger Baustein einer Internationalisierungsstrategie. Ein konsequentes Eintreten für Open Access in der Wissenschaft wäre dabei eine Maßnahme, die im Koalitions-Antrag völlig fehlt. Schon heute tragen Open Access-Publikationen messbar stärker als herkömmliche Veröffentlichungen dazu bei, Wissen und Erkenntnis aus und in Entwicklungsländern zu verbreiten. Eine starke und umfassende Open-Access-Politik könnte Deutschland auf diesem Feld eine Spitzenposition einbringen, die nicht im Widerspruch zum Kooperationsgedanken von Internationalisierung stünde.