Schlechte Perspektiven für die Promovierenden

TOP 27) Unterrichtung der Bundesregierung „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013

– Rede zu Protokoll –

Der Bundestag befasst sich seit langem auch auf LINKE Initiative hin mit den Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, er hat dazu mehrere Anhörungen und unzählige Debatten durchgeführt. Wir haben auf den Gegensatz zwischen den „exzellenten“ Aushängeschildern, die im gleichnamigen Wettbewerb gekürt worden sind, und den schlechten Perspektiven der vielen Promovierenden und Promovierten hingewiesen.

Auch die Debatte um die finanziell aufwändige Anwerbung von Spitzenwissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern aus dem Ausland stand in einem starken Gegensatz zu den Bedingungen für den eigenen Nachwuchs. Dies haben wir immer wieder deutlich gemacht.

Am Wissenschaftszeitvertragsgesetz übten 2007 neben uns LINKEN nur die Grünen noch Kritik.

Der erste Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war 2008 eine Initialzündung für eine neue Richtung der Debatten um prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft. Der Bericht zeigte in seinen Zahlen das dramatisch gestiegene Ungleichgewicht zwischen den wenigen selbständig und unbefristet tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der übergroßen Mehrheit derjenigen, die auf befristeten, zumeist noch geteilten Stellen weisungsgebunden forschen und lehren.

Gemeinsam mit der GEW, mit ver.di und anderen Akteuren haben wir seitdem immer wieder auf die strukturell schlechten Bedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professur hingewiesen und Lösungen vorgeschlagen. Zudem äußerten auch Akteure aus dem Wissenschaftssystem wie etwa der Wissenschaftsrat ihre Bedenken, dass eine solche Personalstruktur nicht zukunftsfähig sei.

Das Templiner Manifest der GEW bildete 2010 einen weiteren Meilenstein in der Debatte und formulierte ein mittlerweile 10.000fach unterzeichnetes Programm für Gute Arbeit in der Wissenschaft. Die Bundesregierung und die schwarz-gelbe Koalition haben die Debatten weitgehend ungerührt gelassen. Symptomatisch für dieses Wegsehen ist eine Äußerung eines Unionsabgeordneten, der im Forschungsausschuss sagte: „Von prekärer Beschäftigung kann hier keine Rede sein, schließlich handelt es sich um exzellente Spitzenwissenschaftler.“

Weder will die Koalition das Sonderbefristungsrecht in der Wissenschaft reformieren und begrenzen, noch gehen sie neue Förderprogramme an. In der Regel wird auf die Personalhoheit von Ländern und Hochschulen verwiesen. In der außeruniversitären Forschung gibt es immerhin einige positive Entwicklungen, auch bei der DFG.

Der neue Bundesbericht zeigt die Ausmaße des Problems. In allen Bundesländern gibt es einen klaren Trend: mehr Befristung, kürzere Befristung, mehr Teilzeit, mehr Drittmittelfinanzierung. Es handelt sich nicht um das Phänomen einzelner Regionen, sondern ganz klar des gesamten Wissenschaftssystems. Auch die einzelnen Hochschulgesetze spielen laut des aktuellen BuWiN eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist der Trend der Verbetriebswirtschaftlichung der Hochschulen, die noch dazu auf eine stagnierende Grundfinanzierung trifft.

Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler werden kurz befristet, um „Beinfreiheit“ in den Haushalten zu haben. Dies soll dem Leitbild der „unternehmerischen Hochschulen“ entsprechen. Doch fehlt diesen oftmals die Kompetenz zu einer nachhaltigen Personalplanung, wie sie zu gut geführten Unternehmen gehört.

90 Prozent der angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten auf befristeten Verträgen, 45 Prozent in Teilzeit, über ein Drittel auf Drittmittelstellen. Professorinnen und Professoren, die eigentlich die alleinige Vertretungshoheit für die Wissenschaft haben, sind eine Randgruppe geworden und machen weniger als zehn Prozent des wissenschaftlichen Personals aus.

Diese Ausweitung zu einem riesigen prekären Sektors in Wissenschaft und Forschung trägt nicht zur Effizienz bei. Professor Teichler vom INCHER-Institut Kassel bestätigte uns im Ausschuss, dass große „Hofstaaten“ von Assistenzstellen an Lehrstühlen auch nicht mehr Output generieren als mehr ProfessorInnen mit weniger Ausstattung.

Mit den angeblich „exzellenten“ Finanzierungmodellen ist eben auch die ganze Personalstruktur in Deutschland aus der Balance geraten.

Nach der Promotion bis zur Professur exisitiert ein unübersichtlicher Bereich der Chancen und des massenhaften Ausstiegs aus der Wissenschaft – mit vielfältigsten Personalkategorien, Beschäftigungsbedingungen, Gehaltsstufen und Aufgabenprofilen. Auf die jährlich freiwerdenden lediglich 700 Professuren kommen 3000 adäquat qualifizierte Bewerbungen. Für mehr als 2000 dieser speziell höchstqualifizierten Fachleute ist dann Schluss.

Dass es so nicht weitergehen kann, darüber sind sich inzwischen eigentlich alle einig – sogar die Bundesregierung schreibt in ihrer Stellungnahme, es solle bessere Perspektiven für die Karriereverläufe geben. Kein Unternehmen würde sich einen derartigen Verschleiß an Personal leisten, wie dies unsere Wissenschaft derzeit tut.

Wir müssen die Strukturen und Rahmenbedingungen dringend ändern, damit die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen die Möglichkeit für eine nachhaltige Personalpolitik bekommen.

Zwei Dinge kann die Bundesregierung in diesem Sinne schnell auf den Weg bringen und damit das ganze Klima in unseren Wissenschaftseinrichtungen verändern.: eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, wie sie die Opposition, aber auch einzelne Bundesländer fordern. Die zweite Maßnahme wäre ein Bund-Länder-Programm für jährlich 5.000 unbefristete Stellen in der Wissenschaft, wie dies wir LINKE und die GEW vorgeschlagen haben. Wenn die Einrichtung einer Stelle mit Tenure Track und Option auf die unbefristete Einstellung für zwei Jahre mit je 10.000 Euro gefördert würde, entstünde ein echter Anreiz für die Hochschulen. Das Programm nach dem Vorbild des Professorinnenprogramms wäre mit 100 Mio. Euro jährlich auch finanziell machbar. Ein Euro-Hawk-Desaster weniger und das Programm ist fünf Jahre ausfinanziert. Wir wollen dabei absichtlich nicht auf eine bestimmte Personalkategorie einschränken, um den unterschiedlichen Bedingungen in den Ländern gerecht zu werden. Es wäre ein echter Bottom-Up-Ansatz.

Der aktuelle Bundesbericht zum wissenschaftlichen Nachwuchs zeigt dramatischen Handlungsbedarf an. Deshalb ist es an der Zeit, dass der Bund endlich handelt.