Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftler ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht

ZP 20: „Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes > Drucksache 17/13423 <

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der Ankündigung eines „Dritten Korbes“ der Urheberrechtsreform für Bildung und Wissenschaft im Koalitionsvertrag, nach Anhörungen im Justizministerium, nach vier Jahren Debatte rumpelte und kreißte nun der Koalitionsberg und gebar in den letzten drei Sitzungswochen der Legislatur ein Reförmchen. Und zu diesem muss man der Justizministerin und den wenigen netzaffinen Politikerinnen und Politikern in  der Union auch noch gratulieren, denn auch dieses Reförmchen stand immer wieder auf der Kippe.

Sie wollen also eine Urheberrechtsschranke, damit so genannte verwaiste Werke aus Bibliotheken, Archiven und Museen digital zugänglich gemacht werden können. Dieser Vorschlag entspricht weitgehend auch dem seit 2011 vorliegenden Vorschlag der LINKEN und der seit 2012 vorliegenden EU-Richtlinie. Kritik haben wir an der aufwändigen Vorschrift für eine Suche nach möglichen Urhebern und Rechteinhabern. Nach Aussage des Sachverständigen Dr. Steinhauer in der Anhörung würde ein solches Verfahren für den geschätzten Bestand verwaister Werke 170 Jahre dauern und ist für eine Massendigitalisierung demnach nicht geeignet. Hier mahnen wir eine Vereinfachung an. Eine computergestützte Standardsuche würde reichen, zumal eventuelle Rechteinhaber jederzeit die Möglichkeit zum Stopp der Werknutzung haben.

Die Lösung einer Registrierung für die vergriffenen Werke, die dann zur Digitalisierung lizenziert werden können, finden wir ebenfalls praktikabel. Wir wünschen uns aber eine Ausweitung auch auf jüngere Werke nach 1966. Der Status des Vergriffenen Werkes ist für diesen Fall bereits in §53 Abs. 2 Satz 4 Urheberrechtsgesetz mit „mehr als zwei Jahre nicht lieferbar“ definiert. Auch viele Autorinnen und Autoren hätten etwas davon: sie würden nicht nur wieder gelesen, sondern könnten auch noch Einnahmen generieren.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfes führt ein Zweitverwertungsrecht für Werke von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein. Meine Fraktion hat dies selbst mehrfach im Bundestag vorgeschlagen, denn durch ein solches Recht bekämen die Autorinnen und Autoren eine größere Verfügungsmacht über ihr eigenes Schaffen. Sie könnten ihre Werke selbst dann online stellen, wenn sie Nutzungsrechte an einen Verlag abgetreten haben. Der Regierungsentwurf hat jedoch zu viele Mängel:

So ist die grundständige Forschung an Hochschulen zumindest laut der Begründung nicht umfasst. Diese Regelung grenzt also mehr als zwei Drittel der wissenschaftlichen Publikationen aus. Davon wären zudem die Geistes- und Sozialwissenschaften besonders betroffen, obwohl bei ihnen eine spezifische Anschlussfähigkeit an die nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit gegeben ist. In der Praxis ist eine solche Trennung zudem nicht sauber durchzuhalten, was eine große Rechtsunsicherheit mit sich bringen würde. Man kann den Autorinnen und Autoren an Hochschulen ob der unklaren Ausformulierung nur raten, das Recht selbstbewusst in Anspruch zu nehmen.

Wir bemängeln auch eine zu lange und einheitliche Frist, nach der das Recht zur Zweitveröffentlichung greift. Insbesondere für Natur- und Technikwissenschaften sind Publikationen ein Jahr nach Erscheinung nicht mehr relevant. DIE LINKE setzt sich für eine deutliche Verkürzung auf höchstens sechs Monate ein.

Laut Regierungsentwurf darf nur in einer Manuskriptversion, nicht in der im Verlagsprodukt veröffentlichten Version zweitverwertet werden. Wir meinen: das ist die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechtes durch die Hintertür. Um keine „Versionenfriedhöfe“ entstehen zu lassen und die allgemeine Zitierfähigkeit zu erhalten, sollte immer die Publikation in der Verlagsversion erlaubt sein. Zudem kollidiert diese Regelung mit dem Absatz 1 des §38 Urheberrechtsgesetz. Dort steht nämlich nichts von einer Manuskriptversion, was im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass die Verlagsversion nutzbar ist.

Die Einschränkung auf zweimal jährlich erscheinende Periodika erscheint uns unnötig und verursacht in der Praxis große Rechtsunsicherheit, da viele dieser Sammlungen unregelmäßig erscheinen. Zudem wollen wir auch Monographien in das Zweitverwertungsrecht aufnehmen, die wiederum für Geistes- und Kulturwissenschaften eine große Rolle spielen.

Eine neu eingeführte Schlechterstellung der Autorinnen und Autoren bedeutet die Formulierung, dass Verlage zukünftig automatisch exklusive Online-Rechte an den Publikationen erwerben, wo diese „Vermutungsregel“ bisher nur für gedruckte Werke galt.

Wir müssen leider sagen: gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Dieses Gesetz ist nicht mal ein Mindeststandard, sondern bestenfalls ein zukünftig weiter zu entwickelnder Einstieg in ein Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Koalition ist den Verlagsinteressen weitestmöglich entgegen gekommen, wo doch der freie Austausch von Wissen im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen sollte.

Den Kolleginnen und Kollegen der Grünen sind beim Verfassen ihres eigentlichen guten Entschließungsantrages wohl die Wahlkampfpferde durchgegangen. Aber einer Entschließung des Parlaments, die Werbefläche für die Anträge einer Fraktion sein soll, können wir leider nicht zustimmen.