In Berlin – und (H)alle dabei [6]

Ich möchte wirklich nicht zitieren, was in den letzten Tagen und Wochen so alles geschrieben wurde über das angebliche „Roma-Problem“ in der Silberhöhe. Zu diffamierend, offen rassistisch und menschenverachtend waren diverse Kommentare vor allem in den sozialen Netzwerken. Mit den „Roma rauss“-Schmierereien inkl. NS-Symbolik ist nur ein weiterer Tiefpunkt in einer Hetzkampagne erreicht, die auf zahlreichen Vorurteilen und Ressentiments aufbauen kann.

Um es klar zu sagen: Antiziganismus darf wie jeglicher Rassismus nicht akzeptiert werden und ruft, nein: schreit, nach entschiedener Intervention. Das gilt gleichermaßen individuell wie institutionell, auf lokaler und regionaler Ebene genauso wie im Bund. Unsere Landtagsabgeordnete Henriette Quade und unsere Stadträtin Ute Haupt haben es in einer gemeinsamen Presseerklärung schon deutlich gemacht: Bund, Land und Kommune sind gemeinsam in der Pflicht!

Auf der Bundesebene betrifft die politische Verantwortung auch den politischen Diskurs, die öffentlichen Debatten, die über Roma, Sinti und andere Minderheiten stattfinden. „Über“ trifft es hier sehr genau – selten einmal wird tatsächlich mit den Gemeinten gesprochen. Die Äußerungen vieler Politiker*innen über Sinti und Roma sind dagegen an Menschenverachtung oft kaum von denen zu unterscheiden, die jetzt völlig zu Recht skandalisiert werden. So wollte der damalige Innenminister Friedrich sie „aufgreifen und ohne großes Federlesen wieder rausschmeißen“. Solche verbalen Entgleisungen liefern Vorlagen (wenn auch keine Entschuldigungen!!!) für Hetze und Diskriminierung.

Dass diese Äußerungen keine Ausrutscher sind, wird bei Betrachtung der konkreten Bundespolitik deutlich. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie prangerte nicht grundlos an, dass sich der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD offensiv gegen Roma richte. So sollen aktuell Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsländer“ eingestuft werden – ungeachtet der zum Teil katastrophalen Lebensumstände der dortigen Sinti, Roma und anderer Gruppen. All jene, die vor Perspektivlosigkeit, Diskriminierung und phasenweise pogromartiger Hetze aus diesen Ländern nach Deutschland fliehen (und das sind hauptsächlich Sinti und Roma), setzen wir dann einfach wieder vor die Tür. Ganz so, wie CSU-Friedrich das wollte.

Die jetzt in der Silberhöhe ansässigen Roma dagegen sind davon offenbar gar nicht betroffen: Als EU-Bürger*innen profitieren sie von der Freizügigkeit, innerhalb der EU leben und arbeiten zu dürfen und können – zum Glück – nicht einfach abgeschoben werden. Die aktuelle Bundespolitik sorgt dennoch dafür, dass sie Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse bleiben. Einen Anspruch auf Sozialleistungen wie Hartz IV, Wohngeld oder Kindergeld haben sie nämlich nicht generell. Das bedeutet nicht nur ein Festschreiben ihrer sozialen Lage für den Moment, sondern eine dauerhafte Ausgrenzung, die institutionell weiter gefördert wird. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Auszahlung von Mitteln aus dem Bundesprogramm „Bildung und Teilhabe“ ist daran geknüpft, dass die Eltern auf Sozialleistungen (Kinderzuschlag) angewiesen sind. Schließt man die Eltern – wie aktuell die nach Deutschland ziehenden Roma – von den Sozialleistungen aus, können auch die Kinder nicht an „Bildung und Teilhabe“ partizipieren. Das Ziel der Förderung der Chancengleichheit der Kinder und Jugendlichen wird also schon im Ansatz verfehlt.

Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit: Nicht die Roma sind das Problem, sondern einerseits von Politikern geschürte Vorurteile. Andererseits aber eben auch der unsolidarische und unsoziale Umgang mit Sinti, Roma und anderen Migrant*innen durch die bundesdeutsche Politik. Der Bund ist gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen in der Pflicht, sich den Nöten und Problemen dieser Menschen anzunehmen – und sie nicht länger als „Problem“ zu betrachten!