Pressekonferenz zur gemeinsamen Klage auf Herausgabe der Selektorenlisten

Die Fraktion DIE Linke hat heute beim Bundesverfassungsgericht gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Klage auf Herausgabe der umstrittenen Selektoren-Liste an den NSA-Untersuchungsausschuss eingereicht. Die Bundesregierung weigert sich, einen entsprechenden Beweisbeschluss der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss zu erfüllen. Eine von der Bundesregierung und der CDU/SPD-Mehrheit im NSA-Untersuchungsausschuss mittlerweile eingesetzte so genannte „Vertrauensperson“ kann nach Ansicht von LINKEN und Grünen dem Aufklärungs- und Untersuchungsauftrag des Parlaments nicht gerecht werden. „Um diesen Auftrag gegen die Weigerung der Bundesregierung durchsetzen zu können, rufen wir nun das Bundesverfassungsgericht an“, sagt Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im NSA-Untersuchungsausschuss.

Im März 2015 war bekannt geworden, dass der BND seit Jahren eine bis heute unbekannte Anzahl von mehreren zehntausend von der NSA übermittelten Suchbegriffen, so genannten „Selektoren“ in seine Erfassungssysteme eingestellt hatte, von denen eine bislang ebenfalls unbekannte Anzahl mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen in Deutschland geltende rechtliche Bestimmungen bei der Kommunikationsüberwachung verstießen. Dennoch weigert sich die Bundesregierung, dem NSA-Untersuchungsausschuss die Selektorenlisten als Beweismittel zu übergeben. Mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht soll nun sichergestellt werden, dass dem NSA-Untersuchungsausschuss alle notwendigen Beweismittel zur Verfügung stehen und die Oppositionsrechte nicht willkürlich beschnitten werden können.

(linksfraktion.de)

Hier geht´s zum Mitschnitt der Pressekonferenz

 

petra Sept15 Petra2 Sept15

 

Statement Petra Sitte:

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Ich will anfangs in Erinnerung rufen, dass wir im Bundestag bereits seit dem Sommer 2013 um die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) gerungen haben. Nachdem insbesondere über die Enthüllungen von Edward Snowden bekannt geworden war, dass die NSA in bisher ungekanntem Umfang und Ausmaß Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik und selbst die Kanzlerin und deren Vorgänger, also die Regierungschefs „befreundeter Staaten“, abgehört hat. Nach zähem Ringen um den Einsetzungsbeschluss des 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode und dessen Untersuchungsauftrag konnte dieser endlich im April 2014 seine Arbeit aufnehmen.

Seine Aufgabe ist es, die von den sogenannten „Five Eyes“ (USA, GB, Kanada, Australien und Neuseeland) betriebenen Ausspähungen zu durchleuchten und vor allem aufzudecken, ob und welche Stellen des Bundes davon Kenntnis hatten, wie sie an ihnen beteiligt waren oder noch sind und welchen Nutzen sie selbst daraus für ihre eigenen Aktivitäten gezogen haben.

Wenn ich in Zweifel ziehe, dass solche Aktivitäten inzwischen eingestellt seien, so will ich

· zum einen auf die Anfang September dieses Jahres im „Spiegel“ veröffentlichten Berichte verweisen, dass neben der NSA auch die CIA offenbar mit Unterstützung des BND direkten und möglicherweise ungefilterten Zugriff auf deutsche Telekommunikationsdaten hat,

· zum anderen sei z. B. daran erinnert, dass der Kampf gegen eine standardmäßige Verschlüsselung von Technik und Kommunikation, die einen zeitgleichen Zugriff der Geheimdienste auf Daten verhindern können, immer noch dauert.

Daraus lässt sich ableiten, dass die Verlautbarungen aus den USA von 2013, auch ihre Geheimdienste einer Reform und stärkeren Kontrolle zu unterwerfen, noch lange auf eine Realisierung warten lassen werden. Mithin ist es Aufgabe der NSA, weltweit elektronische Kommunikation zu überwachen und zu entschlüsseln. Und: Erschwernisse zur Umsetzung sollen nicht greifen können.

Bis heute verweigert das Bundeskanzleramt den Zugriff auf die NSA Spähliste.  Dass der Ausschuss Edward Snowden nicht selbst als Zeugen hören kann, ist hinlänglich bekannt und kritisiert.

Warum ist uns die ungefilterte Vorlage der Selektorenlisten so wichtig?

Weil sie den Kernbereich des Untersuchungsauftrages betreffen. Es war mühevoll, zur Einsetzung und Auftragsbestimmung des Ausschusses zu kommen. Daher wollen wir nicht zulassen, dass durch die Verweigerung von zwingend notwendigen Dokumenten die Erfüllung des Auftrages und damit von Kontrollrechten der Opposition unterlaufen werden.

Interessanterweise gab es, wie zwischenzeitlich bekannt wurde, seitens der USA gar keine grundsätzliche Ablehnung der Herausgabe der Listen. Demzufolge ist doch fraglich, ob das Geheimschutzabkommen mit den USA tatsächlich durch die Herausgabe verletzt worden wäre. Zumindest gab es Entscheidungsspielraum.

Die Bundesregierung selbst hat betont, dass sie nach Abschluss des Konsultationsverfahrens eine eigene Entscheidung treffen werde. Man hat die eigene Souveränität gegenüber dem Parlament bzw. Ausschuss betont, diese aber gegenüber der USA nicht praktiziert.

Also bleibt die Bundesregierung natürlich unsere Hauptadressatin von Kritik und Klage.

Der Verweis auf Staatswohl meint wohl eher Regierungswohl! Zudem hätte man mit Herausgabe der Listen mit noch mehr Druck und Erklärungsbedarf seitens jener zu rechnen, die als Unternehmen oder als Behörde in anderen Ländern auf den Listen auftauchen.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass sich das der Kongress gefallen lassen würde! Mit den Interessen der USA und ihrer BürgerInnen versteht man dort überhaupt keinen Spaß.

Zu den Absurditäten, mit denen unsere Mitglieder im Ausschuss darüber hinaus zu kämpfen haben, werden meine KollegInnen aus dem PUA Näheres ausführen.

Als parlamentarische Geschäftsführerin ist es insbesondere meine Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass die unter den Bedingungen der Großen Koalition sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Opposition nicht auch noch durch solche Aktivitäten der Regierung weiter eingeschränkt werden.

Für mich ist es ein Unding, dass die Regierung, also die Institution, die von den Parlamentariern zu kontrollieren ist, einen Ermittlungsbeauftragten einsetzt, der anstelle (!) des parlamentarischen Untersuchungsausschusses die umstrittenen sog. Selektorenlisten einsehen und für diese bewerten soll.

Das reiht sich m. E. ein in die grundsätzliche Verweigerung der Regierung und ihrer Fraktionen, die uns auch in Zeiten Großer Koalitionen durch das Grundgesetz zustehenden Minderheitsrechte einzuräumen.

Insoweit erinnere ich an unsere Klagen gegen den Ausschluss unserer Fraktion aus den Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses in der vergangenen Wahlperiode. Der wurde mit der grundsätzlichen Ablehnung des HARTZ IV- Systems durch DIE LINKE begründet.

In der nächsten Woche wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil verkünden beim „Dauerbrenner“: eine fehlende und unzureichenden Beantwortung kleiner Anfragen unserer Fraktion durch die Bundesregierung. Auch erinnere ich an unsere Organklage zur Wahrung der Minderheits- und Oppositionsrechte im 18. Deutschen Bundestag, mit der wir ebenfalls um eine effektive Ausübung der Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit streiten.

Es hat uns erfreut zu lesen, dass auch das G-10-Gremium – nach der Verweigerung der Vorlage – eine Klage zur Einsichtnahme in die Selektorenliste prüft. Ich kann nur dazu ermuntern, dies auch zu tun!

Mit welchen Unwägbarkeiten auch unser Prozessvertreter bei der Erstellung der Antragsschrift zu kämpfen hatte, wird er selber schildern. Auch er hatte sich erst einmal einer Sicherheitsüberprüfung bis zur Stufe „Streng geheim“ zu unterziehen. Eine Einsicht in eingestufte Unterlagen bedurfte für jedes einzelne Dokument eines zustimmenden Beschlusses des Untersuchungsausschusses.

ANTRAGSSCHRIFT HERUNTERLADEN (PDF)