In Berlin – und (H)alle dabei [10]

Die Kolumne von Petra Sitte zum Zusammenhang von politischer Arbeit im Bundestag und den Entwicklungen im Wahlkreis.

In der 10. Ausgabe geht es um den Krieg in Syrien und die LINKE Positionierung im Bundestag

„Ich muss doch die Dosis des Medikaments nicht erhöhen, das nicht wirkt.“ (Dr. Petra Sitte zum Stadtparteitag am 12.12.2015 in Halle).

Der Bundestag entschied sich am 4. Dezember 2015 mehrheitlich für einen Einsatz der Bundes­wehr im Syrien-Krieg. Meine Fraktion war die Einzige, die sich einstimmig gegen einen Syrien-Einsatz aussprach.

Der Terroranschlag in Paris am 13. November 2015 hat uns alle erschüttert. Es ist richtig und wichtig hier Solidarität zu zeigen und Hilfe zu leisten. Da sind sich alle Fraktionen im Bundestag einig. Uneins sind wir über die Mittel und Wege.

Seit 2001 wird ein Krieg gegen den Terror geführt – in Afghanistan, im Irak, in Jemen, in Libyen oder auch in Pakistan. Das Resultat sind Tausende Tote. Und es ist trotz aller Verschiedenartigkeit der Ursachen des Terrors sicher, dass es seitdem nicht weniger, sondern mehr Terror gab. Doch statt daraus zu lernen, peitscht die Bundesregierung innerhalb von nur wenigen Tagen einen Beschluss zu einem Kampfeinsatz gegen den Islamischen Staat (IS) durch – ohne Plan, ohne Ziel, ohne Ver­stand!

Der IS foltert und mordet Menschen und zerstört Kulturgüter. Seine Propaganda beschwört einen Hass gegen den Westen – und das, obwohl eine große Anzahl seiner Protagonisten aus Europa stammt. Beteiligt sich Deutschland nun an diesem Krieg, so sind wir verantwortlich für noch mehr Tote und noch mehr Leid in den Kriegsgebieten. Und das kann zu weiteren Radikalisierungen und noch mehr Zulauf für den IS führen, der sich eben genau durch diese Kriege stärkt. Militärische Mittel in einem schon bisher aussichtslosen Krieg helfen nicht gegen den Terror und beenden diesen Konflikt auch nicht. Gewalt bringt nur neue Gewalt hervor und der IS konnte nicht zuletzt auf dem Humus der Kriege im Irak, in Libyen und in Syrien entstehen. Antworten wir auf den Terror des IS mit militärischen Angriffen im Nahen Osten, so spielen wir ihnen in die Hände. Das ist das Spiel, was sie spielen wollen und das ist die Sprache, die sie verstehen.

Was wir wirklich brauchen ist eine Stärkung und Unterstützung seiner Gegner und eine Schwä­chung seiner Unterstützer. So muss etwa die türkische Regierung ihre Angriffe gegen die kurdi­schen Organisationen PKK und PYD einstellen. Diese wehren sich nicht nur gegen die Truppen der türkischen Regierung, sondern auch gegen den IS in Syrien und im Irak. Außerdem muss die Türkei den Zustrom von IS-Kämpfern nach Syrien unterbinden, indem sie ihre Grenze schließt. Darüber hinaus müssen die Finanzquellen des IS zum Versiegen gebracht werden. Denn das meiste Geld er­hält der IS von Golfmonarchen, zu denen Deutschland und andere westliche Länder politische und geschäftliche Beziehungen pflegen. Diese müssen aufgegeben werden. Der IS handelt mit Öl und geraubten antiken Kulturgütern – auch das muss unterbunden werden. Selbstverständlich müssen die Waffenexporte in Kriegsgebiete sofort gestoppt werden.

Langfristig können wir den Terror islamistischer Gruppen aber nur bekämpfen, indem wir in Europa eine gute Integration von Einwanderern erreichen und vor Ort in Syrien, im Irak Perspektiven jen­seits der Kriegsökonomien schaffen. Das heißt auch, dass wir ein gerechteres Weltwirtschaftssystem brauchen, das Perspektiven für alle Altersstrukturen und Bevölkerungsschichten gibt.

Es gebietet außerdem die Menschlichkeit, den Menschen zu helfen, die ihre Länder aufgrund der Kriege, auf Grund des Terrors verlassen müssen. Die Schutzsuchenden brauchen dringend Nahrung, Kleidung, Medikamente und Unterkünfte. Statt also Unsummen in militärische Interventionen zu stecken, sollten diese Mittel lieber für die humanitäre Hilfe verwendet werden. Besonders dann, wenn Deutschland sich aktiv an diesen Kriegen beteiligt. Wir sollten Solidarität beweisen, indem wir uns dem Hass auf unseren und jenen Straßen entgegen stellen. Und nicht zuletzt unterstützen wir als Partei diejenigen, die jeden Tag zu Hunderttausenden ehrenamtlich dafür sorgen, dass die Geflüchteten bei uns zunächst einmal etwas zu essen, ein Dach über dem Kopf und Hilfe bei dem Gang zum Arzt, zu Behörden, bei der Einschulung ihrer Kinder bekommen.