GO-Debatte zur Aufsetzung des Gesetzes zur Anpassung der Erbschaftsteuer

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ganz so einfach ist es eben nicht, Herr Grosse-Brömer.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Entscheidung in Großbritannien kann man nicht punktuell betrachten. Es geht nicht nur um den 23. Juni. Das hat eine lange Vorgeschichte, und dafür sind Parlament und Politik genauso verantwortlich wie außerhalb der Parlamente auch die Wirtschaftsentwicklung, die Bankenentwicklung bzw. die Finanzmärkte.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt zur Sache!)

– Ja, das gehört alles dazu, Herr Kauder.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Nein!)

– Selbstverständlich gehört das dazu. Es ist auch eine Bankrotterklärung der parlamentarischen Demokratie, wenn sie eine solche Absage bekommt. Deshalb ist es eben auch wichtig, dass wir über solche Fragen wie die Erbschaftsteuer – dabei geht es um ein zentrales Gerechtigkeitsproblem in diesem Land – vernünftig reden und beraten.

(Christine Lambrecht (SPD): Das wollen wir ja heute! Genau darum geht es ja!)

Dazu ist es wichtig, Ausschusssitzungen und Anhörungen durchzuführen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das wollen wir ja heute! Wir wollen reden, Sie nicht!)

Sie wissen, dass es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gibt. Diese Entscheidung ist im Dezember 2014 gefallen. Sie haben seit 2014, also eineinhalb Jahre, Zeit gehabt, Regelungen zur Erbschaftsteuer zu treffen, und sind nicht zu Potte gekommen. Aber heute, kurz bevor die Frist ausläuft, die uns das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, wollen Sie die Reform innerhalb einer Woche durch den Bundestag schleusen.

(Christine Lambrecht (SPD): Wer schleust denn hier was? Was ist das denn für ein Umgang mit dem Parlament!)

– Sie können sich gerne aufregen. Ich bin da bei Ihnen; ich rege mich ja auch auf.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Union hatten Sie am 25. September des letzten Jahres einen Kompromiss ausgehandelt. Es gab auch einen Kompromiss in der Koalition. Nun konnte man ja davon ausgehen, dass die Geschichte relativ schnell ins Parlament kommt. Der Kompromiss war eh sehr zaghaft und schaumgebremst. Nein, da kam ein bayerischer Ministerpräsident daher und hat diesen Kompromiss plötzlich infrage gestellt.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Gut, dass er daher gekommen ist!)

Man könnte ja nun annehmen, dass die CSU nicht in dieser Koalition sitzt. Jedenfalls ist dieser Kompromiss erst in den letzten Tagen aufgeschnürt und um erhebliche Elemente erweitert worden. Es sind neue Dinge eingeführt worden, die ursprünglich nicht in der Diskussion waren,

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Welche denn? Nennen Sie mal was!)

beispielsweise die Investitionsklausel.

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Das ist nicht neu!)

All diese Dinge hätten im Ausschuss vernünftig beraten werden müssen. Das haben Sie versäumt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die erste Lesung fand vor fünf Monaten statt; aber erst in den letzten Tagen sind diese neuen Elemente in den Ausschuss gelangt, wo sie vernünftig diskutiert werden sollten.

(Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Das ist auch passiert! – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Haben wir!)

Oppositionsfraktionen haben darüber beraten und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es – so wie es im Rahmen der Ausschussarbeit üblich ist und wie es dem Minderheitenrecht der Opposition im Parlament entspricht – wieder eine Anhörung von externen Sachverständigen geben müsse.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben Sie abgelehnt.

Ich sage Ihnen eines – das habe ich bereits gestern im Ältestenrat gesagt -: Solche wichtigen, schwerwiegenden Gesetze, bei denen es um das Zusammenleben in einer Gesellschaft und um das Funktionieren der Wirtschaft geht, innerhalb weniger Tage durch das Parlament zu drücken, bedeutet, sich vor öffentlicher Kritik zu drücken.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Mein Gott! Wir haben anderthalb Jahre diskutiert! Das ist lächerlich! Zeitung lesen!)

Es bedeutet aber auch, dass Sie weder die mediale Kritik noch die von den Betroffenen ausgesprochene Kritik aufnehmen.

Nun hat es einen Parallelentwurf der Bundesregierung gegeben.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Aha!)

Der ist erst am Mittwoch ins Parlament eingebracht worden. Warum ist das erwähnenswert? Weil in diesem Gesetzentwurf überaus kritische Meinungen und Stimmungen wiedergegeben wurden. Die sind aber im Ausschuss gar nicht besprochen worden.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie sind doch gar nicht im Ausschuss!)

Es ist symptomatisch, dass Sie das bei einem Gesetz tun, das verfassungsrechtlich bedenklich ist; denn das Vorgängergesetz hat schon vonseiten des Bundesverfassungsgerichts eine Absage bekommen. Man muss davon ausgehen, dass Ihr Vorhaben dazu führt, dass es wieder Kläger gegen das Gesetz geben wird und dass wir uns wieder vor dem Bundesverfassungsgericht treffen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wann fängt denn die GO-Debatte an?)

Ihr beschleunigtes Verfahren und Ihre Absage an reguläre parlamentarische Abläufe helfen hier überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder (CDU/CSU): Wann fängt denn die GO-Debatte an?)

Ich will abschließend sagen: Es geht um eine zentrale Gerechtigkeitsfrage in diesem Land. Dieser müssen Sie sich stellen. Es geht darum, dass alle diejenigen, die im Land vom Erbschaftsteuerrecht betroffen sind, gleichbehandelt werden.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, genau das wird gleich in der Debatte inhaltlich besprochen.

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):

Ich bin auch schon am Ende. Das zentrale Gerechtigkeitsproblem musste hier abschließend noch einmal ganz deutlich hervorgehoben werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)