Netzwerkdurchsetzungsgesetz bleibt kritikwürdig

ZP 12 a) –  Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG), Drucksache 18/12356

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
(Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG); Drucksache 18/12727

– Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss); Drucksache 18/13013

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:  Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommentare, „Fake News“ und Missbrauch von „Social Bots“ Drucksachen 18/11856, 18/13013

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Was lange währt, wird endlich gut – passt doch -, was weniger lange währt, wohl eher nicht. So jedenfalls könnte man es durchaus für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sagen. Es ist schon auffällig, dass heute einige Themen auf der Tagesordnung sind, die seit vielen Jahren hoch und runter diskutiert werden – wie eben die Ehe für alle, das Wissenschaftsurheberrecht, die Störerhaftung. Und doch wollen einige am liebsten die ganze Diskussion jeweils wieder von vorne aufrollen.

Auf der anderen Seite kann es hier, beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz, einem vor wenigen Monaten überhaupt erst in die Diskussion gekommenen, völlig neuartigen Gesetzesvorhaben, gar nicht schnell genug gehen. Natürlich hat Herr Maas recht: Es gibt Probleme mit Hass- und Falschnachrichten und der Rolle, die soziale Netzwerke da als Plattformen spielen. Die gibt es aber nicht erst seit gestern, und sie sind unbedingt ernst zu nehmen. Gerade deshalb ist eine ernsthafte und gründliche Prüfung von Lösungsansätzen notwendig, und genau das verkörpert dieser Entwurf nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Bundestag konnte ihn in den letzten Wochen auch nicht nachhaltig verbessern.

Dabei will ich nicht bestreiten, dass der Änderungsantrag der Koalition einige deutliche Verbesserungen mit sich bringt – für die war ja auch, wie angedeutet, sehr viel Luft. Es sind einige handwerkliche Probleme beseitigt. Es sind einige Stellen behoben, an denen der Entwurf weit über das hinausgegriffen hätte, was zu seiner Begründung angeführt wird.

Als er uns zuerst vorlag, war eines unserer größten Probleme: Worauf richten wir eigentlich unsere Kritik? Was sollten wir kritisieren? Denn wir hätten uns in dem Falle angesichts der großen Masse der zu kritisierenden Punkte auch in Details verlieren können. Der jetzt vorliegende Entwurf gibt uns zumindest die Chance, uns ganz auf den Kern des Problems zu konzentrieren.

Den Kern des Problems will ich anhand des neuen Entwurfs daher noch einmal sehr deutlich nennen: Immer noch verpflichten Sie Netzwerke dazu, bestimmte Inhalte innerhalb von sieben Tagen zu löschen, wenn sie sich nicht hohen Bußgeldern aussetzen wollen. Davon soll es zwar jetzt Ausnahmen geben, so zum Beispiel, wenn die Strafbarkeit von bestimmten Umständen abhängt oder wenn eine Einrichtung der Selbstregulierung eingeschaltet wird; aber auch die soll dann innerhalb von sieben Tagen entscheiden. Ein „offensichtlich rechtswidriger Inhalt“ soll innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, und da darf diese Selbstregulierung nicht stattfinden.

Damit werden den Plattformen teils sehr schwierige rechtliche Entscheidungen auferlegt, bei denen eigentlich nur die Löschung am selben Tag tatsächlich Sanktionsfreiheit garantiert. Dass sie im Zweifel auch rechtmäßige Inhalte sozusagen sicherheitshalber löschen, liegt doch auf der Hand.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das gilt auch dann, wenn die Koalition sagt, sie wolle erst im Wiederholungsfall und erst nach dem Nachweis von strukturellen Defiziten sanktionieren. In Anbetracht der Bedeutung, die soziale Netzwerke heute für unsere Kommunikation haben, wäre dieser Vorgang beunruhigend. Außerdem werden Abwägungen und Entscheidungen über Strafbarkeit, für die eigentlich Gerichte zuständig sein sollten, nach wie vor in die Hände von Privaten gelegt. Deren Macht über unser Kommunikationsverhalten wollten wir aber gerade eingrenzen.

Lassen Sie mich festhalten: Es gibt also durchaus sinnvolle Teile des Gesetzes. Über Vorschriften zur Erreichbarkeit der Netzwerke, über Transparenz- und Berichtspflichten und auch über die Strukturierung von Beschwerdeverfahren hätten wir uns wohl relativ schnell einigen können. Was darüber hinausgeht, können wir aber in dieser Form nicht mittragen.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ob es überhaupt verfassungsrechtlich und europarechtlich am Ende trägt, bleibt noch offen. In jedem Fall kann dieses Gesetz nicht als Schlusspunkt einer Debatte stehen bleiben. Wir werden in der nächsten Wahlperiode ganz sicher erneut und umfänglich darüber beraten müssen. Selbst die Koalitionsfraktionen haben das im Ausschuss jeweils schon zum Ausdruck gebracht.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)