In Berlin und (H)alle dabei – KörperBilder

Reisen ist was Schönes; vor allem jetzt im Sommer. Das wusste man auch schon früher. Ein berühmter Reisender war zum Beispiel der Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der seine Italienreise schriftlich festgehalten hat. Auch der flämische Künstler Peter Paul Rubens reiste nach Italien. Er wollte dort bei großen Meistern die Malerei studieren. Rubens lebte von 1577 bis 1640, wurde schon zu seinen Lebzeiten für seine Kunst hoch geschätzt und heute erzielen seine Gemälde Rekordpreise. In meiner Heimatstadt Dresden kann man ein paar seiner Werke in der Gemäldegalerie Alte Meister besichtigen. Berühmt sind unter anderem die Frauen auf Rubens Leinwänden. Die sogenannten Rubensdamen fallen durch ihre Körperfülle auf, die der Maler stets ästhetisch in Szene setzte. Zu seiner Zeit war der Körperumfang ein Zeichen für den Wohlstand und somit ein Schönheitssymbol. Dieses Ideal hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder stark gewandelt.

Heute werden schon Kinder und Jugendliche über die sozialen Netzwerke, über Werbung, Medien und über immer neue Ernährungstrends mit einem Schönheitsideal konfrontiert, dem sie sich anzupassen haben. Sportlich und schlank sollen wir alle sein. Wer nicht diesen Ansprüchen entspricht, gilt als hässlich und abstoßend? Body Shaming (Körperschämen) und Mobbing können die Folge sein. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in ihrem dritten gemeinsamen Bericht mit Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages die Ergebnisse zu einer Studie über die Diskriminierungserfahrungen in Deutschland vorgestellt. In 634 Fällen wurde von Diskriminierung aufgrund des Körpergewichtes gesprochen. Dabei sei die Diskriminierung aufgrund des Erscheinungsbildes nicht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, verankert, berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung.

Hochgewichtige Menschen würden zu viel und zu ungesund essen? Das ist nur eine mögliche Ursache für ein hohes Körpergewicht. Hormone, genetische Veranlagungen, psychischer Stress und Nebenwirkungen von Medikamenten sind andere mögliche Gründe. Menschen mit hohem Körpergewicht als ‚dick‘, ‚fett‘ oder ‚übergewichtig‘ zu bezeichnen, ist allerdings in jedem Fall diskriminierend. Denn nur, weil ein Mensch ein hohes Körpergewicht hat, muss er noch lange nicht ausgegrenzt, beleidigt und mit Vorurteilen konfrontiert werden. Die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung, kurz GgG, hat auf ihrer Homepage zusammengetragen, wie die Ausgrenzung von hochgewichtigen Menschen aussehen kann und was die Gewichtsdiskriminierung eigentlich ist. Das fängt schon im Alltag an. Im Öffentlichen Personennahverkehr, im Restaurant und überall sonst, wo es Sitzgelegenheiten gibt, sind jene nie auf hochgewichtige Menschen ausgelegt. Gleiches gilt übrigens für Untersuchungsgeräte in medizinischen Einrichtungen.

Dann kommen die Medien hinzu, die bei der Verbreitung und Verfestigung von Vorurteilen und Körperbildern eine wichtige Rolle spielen. Die GgG hat ein paar Wünsche formuliert, wie ein diskriminierungsfreies Fernsehen aussehen sollte. Nämlich beispielsweise so: In einer idealen Fernsehwelt würde der Körperumfang von SchauspielerInnen keine Rolle mehr spielen und hochgewichtige Menschen müssten nicht länger nur die unbeliebten Rollen, sondern könnten auch mal die Hauptrollen spielen. Sie würden nicht ständig beim Essen gezeigt werden, sich nicht dauerhaft für ihr Erscheinungsbild schämen und von Diäten reden. Talkshows würden diese Problematiken aufzeigen und ernsthaft diskutieren, welchen Einfluss die Medien bei der Verbreitung und Verfestigung von Vorurteilen haben. Dies ist nur eine kleine Auswahl der Wünsche. Die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung zeigt auf ihrer Homepage noch mehr Beispiele auf, um die Problematik zu verdeutlichen. Auch die Politik wird hierbei zur Verantwortung gezogen:

„Dicke dienen gerne als Sündenböcke für politische Probleme. Finanzierungslücken im Gesund­heitswesen werden ebenso mit dem angeblich unverantwortlichen Lebensstil dicker Menschen be­gründet, wie mangelnde Leistungsbereitschaft und die angeblich nicht schnell genug wachsende Produktivität der Bevölkerung.“ (Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung).

Die GgG stellt zurecht klar, dass hochgewichtige Menschen nicht für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme einer Gesellschaft verantwortlich gemacht werden können und sollten.

Wie können wir nun also mit diesem Problem umgehen und Diskriminierung und Vorurteile abbauen? Die Erziehungswissenschaftlerin Profin. Lotte Rose berichtet von dem Studienfach Fat Studies, welches bereits in den USA als wissenschaftliche Fachrichtung etabliert sei und sich, ähnlich wie die Gender Studies (Geschlechterstudien), mit dem Diskurs um die Diskriminierung von Menschen, in diesem Fall von hochgewichtigen Menschen, auseinandersetze. In Deutschland sei das noch kein eigenständiger Studiengang.

Die Berliner Linksfraktion der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf will sexistische bzw. diskriminierende Werbung in ganz Berlin verbieten. In ihrem Antrag hat die Linksfraktion genau aufgeschlüsselt, wann Werbung als sexistisch bzw. diskriminierend gilt. Nämlich unter anderem dann, wenn:

„Darstellungen, die bestimmte körperliche Merkmale als notwendigerweise zu erreichende Norm festlegen, indem sie Abweichungen als defizitär bewerten. Dies beinhaltet z.B. Werbung, die ver­mittelt, dass (altersbedingte) Hautveränderungen, Übergewicht, Körperhaare, körperliche Behinde­rungen etc. zwingend veränderungsbedürftig sind, um ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Damit wird festgelegt, welches Körperbild wichtig, erstrebenswert und „normal“ ist.“ (Fraktion DIE LINKE., Bezirksverordnetenversammlung Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Drucksache 0285/5).

Ob nun durch ein Verbot diskriminierender Werbung oder die Etablierung von Fat Studies, wir alle können etwas dafür tun, um hochgewichtige Menschen nicht länger auszugrenzen. Wir sollten uns zunächst selbst fragen, wann wir andere wegen ihres Erscheinungsbildes diskriminieren und wie wir uns verhalten, wenn wir eine Diskriminierung beobachten. Und dann müssen wir unser Verhalten natürlich ändern, mit Betroffenen ins Gespräch kommen, für Aufklärung, Solidarität und Toleranz sorgen. Wir sollten auch unser eigenes Körperbild betrachten und uns fragen, ob ein strafferer Bauch, glatt rasierte Beine und Muskeln wirklich glücklicher machen. Stehen wir doch einfach zu unseren Körpern, wie sie sind, und fühlen uns wohl damit. Das könnte auch das Fazit eines Manifests der Kolumnistin Margarete Stokowski sein. Sie schreibt darin:

„Kommentare über den Körper anderer Leute sind nur gerechtfertigt a) durch medizinisches Fachpersonal, b) wenn man gefragt wurde oder c) wenn man aufs Maul bekommen möchte.“ (Margarete Stokowski, Kolumne: Mehr dicke Mädchen in Leggings!, SPIEGEL ONLINE).

Mit diesem treffenden Schlusswort will ich für heute schließen.