Ethische Fragen brauchen einen Ort im Parlament

 

TOP 16: Antrag der Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz (Herborn), Dr. Petra Sitte, Kerstin Andreae und weiterer Abgeordneter: Einrichtung eines Parlamentarischen Beirats zu Fragen der Ethik (Ethikbeirat), Drucksache 17/1806

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– Rede zu Protokoll –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

der vorliegende Antrag zur erneuten Einsetzung eines Ethikbeirates findet meine Unterstützung. Dafür sprechen eine ganze Reihe von Gründen.

Das Hauptargument ergibt sich aus konkreter parlamentarischer Erfahrung meiner Mitarbeit im letzten Ethikbeirat. Nachdem sich in der vergangenen Legislaturperiode keine Mehrheit für die Einrichtung eines Ethik-Komitees des Bundestages fand, wurde die Einsetzung eines Ethikbeirates beschlossen. Dieser hat nun, entgegen mancher Erwartung, erfolgreich die Arbeit des Deutschen Ethikrates begleiten können.

Der Deutsche Ethikrat, eingesetzt von Bundestag und Bundesregierung, greift als reines Sachverständigengremium lebenswissenschaftliche Themen auf. Der Ethikbeirat des Bundestages, besetzt mit Abgeordneten, die allerdings auch nicht ohne Sachverstand arbeiten, wurde mit keinen eigenen inhaltlichen Kompetenzen ausgestattet. Er fungierte als Schnittstelle zwischen Deutschem Ethikrat und gesellschaftlicher Öffentlichkeit. Er hat daher zum einen die parlamentarische Relevanz von in Politik und Gesellschaft diskutierten Ethikthemen ausgelotet. Zum anderen hat er Themen aufgegriffen, die im Deutschen Ethikrat bearbeitet wurden. So hat er die ethischen, sozialen und rechtlichen Auswirkungen der Chimärenbildung, der Synthetischen Biologie, der Nanomedizin, der Angebote anonymer Kindesabgabe oder auch den gesetzlichen Regelungsbedarf für Biobanken erörtert. Auch dies mit dem Ziel, zu klären, ob parlamentarischer Handlungsbedarf erwächst.

Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, den Ethikbeirat wieder einzusetzen, weil es dann auf parlamentarischer Ebene einen konkreten Ansprechpartner für eine Vielzahl von Interessengruppen und für den Deutschen Ethikrat gibt. Viele Themenstellungen erweisen sich nämlich in ihrer ethischen Relevanz als klassische Querschnittsthemen. Es ist zumeist erst nach näherer Betrachtung auszumachen, ob und welche Ausschüsse des Deutschen Bundestages in die Diskussion einzubinden sind. Erst recht, wenn sich Verknüpfungen zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren ableiten. Nicht jeder bzw. jedem Interessierten, jeder bzw. jedem Wissenschaftler oder jeder Institution sind die parlamentarischen Gremien in ihrer inhaltlichen Zuständigkeit, Arbeitsteilung und institutionellen Platzierung bekannt. Auch in diesen Zusammenhängen kann der Ethikbeirat hilfreiche Mittlerfunktion hinein in den Bundestag übernehmen.

Er soll auch in Zukunft als Begleitgremium ausgestaltet aber kein eigenständiger Ausschuss werden. Er soll den Ausschüssen weder in deren inhaltlicher Arbeit vor- noch in deren Kompetenzen eingreifen. In Auswertung der Erfahrungen aus seiner Tätigkeit in der letzten Legislaturperiode enthält der Antrag dennoch Vorschläge, die Arbeit des Beirates zu qualifizieren und verbindlicher zu gestalten. Ich halte das für sinnvoll.

Meine Damen und Herren, ethische Fragen der Lebenswissenschaften stellen sich mit wissenschaftlichem Fortschritt, vor dem Hintergrund der Globalisierung, der Erweiterung des Kanons von Wertekonzepten und erfolgter oder sich anbahnender Veränderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht immer gänzlich neu, aber sehr wohl mit neuen, zusätzlichen Problemstellungen. Einmal getroffene Entscheidungen sind also durchaus nicht für die Ewigkeit, sondern bedürfen wiederholter Prüfungen, ob sie als Reaktionen, ob sie als Antworten noch akzeptabel sind oder ob die aktualisierte Datenbasis nicht längst Änderungen bzw. Anpassungen erfordert. Er sollte beispielsweise als Vorbereitungsgremium mit den Ausschüssen gemeinsam prüfen, ob dem Deutschen Ethikrat Themen zur Befassung anheim gestellt werden sollten.

Meine Damen und Herren, dass sich sowohl der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Dr. Lammert, als auch Mitglieder des Deutschen Ethikrates und Vertreter der Kirchen positiv eingestellt auf eine Neueinsetzung des Ethikbeirates gezeigt haben, betrachte ich als weitere Gründe, sich im Bundestag ernsthaft und interfraktionell mit diesem Einsetzungsantrag auseinanderzusetzen.

Auf der konstituierenden Sitzung des Ethikbeirates am 23. April 2008 führte der Präsident des Bundestages aus, dass man sich vom Deutschen Ethikrat notwendige Informationen für die parlamentarische Arbeit verspreche und dass dessen sachverständige Mitglieder am gesellschaftlichen Diskurs mitwirkten. Dieser Diskurs solle dann auch in die parlamentarische Arbeit einbezogen werden. Die wichtigste Aufgabe, so der Bundestagspräsident weiter, sei es, den Deutschen Ethikrat parlamentarisch zu begleiten sowie ethische Sachkompetenz und parlamentarische Arbeit miteinander zu verbinden.

In diesem Sinne hoffe ich auf vielfältige Unterstützung und spätere Zustimmung zum Antrag auf Einsetzung eines Ethikbeirates des Deutschen Bundestages.

MdB Dr. Petra Sitte

Fraktion DIE LINKE.