Kosten von ITER stehen in keinem Verhältnis zum heute Machbaren und Notwendigen

TOP 18) Beratung des Antrags von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN:  Moratorium jetzt – Dringliche Klärung von Fragen zu Mehrkosten des ITER-Projekts Drs. 17/6321

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Debatte um den Fusionsreaktor ITER ist im Bundestag etwa so ein Dauerbrenner wie das Plasmafeuer im Reaktor in ferner Zukunft einmal werden soll.
Während die Debatte mit einer notwendigen und in greifbare Nähe gerückte Energiewende in diesem Land verknüpft werden muss, kann der Fusionsreaktor damit nicht verknüpft werden. Er vermag dazu in absehbarer Zeit keinen Beitrag zu leisten. Stattdessen entzieht das gesamte Projekt Jahr um Jahr dem Energieumstieg Milliarden an dringend benötigten Mitteln. Dieses Geld fehlt sowohl bei der Forschung an Speichertechnologien als auch in Bezug auf Energieeffizienzsteigerung und neuen Erzeugungsformen.

Dieses Mal diskutieren wir das ITER-Projekt unter verschärften Rahmenbedingungen.
Nicht nur weil immer noch keiner genau weiß, zu wessen Lasten die prognostizierten Mehrkosten zu decken sind.

Nicht nur, weil das Management diesem Megaprojekt nicht gewachsen scheint.
Nicht nur, weil immer neue Forschungsergebnisse, die Realisierung des Projektes nach hinten verschieben.

Nicht nur, weil unklar ist, welchen Nutzen die Gesellschaft daraus ziehen wird, nachdem sie ja mit den steuerfinanzierten Forschungsmilliarden in Vorleistung gegangen ist.
Nicht nur, weil dieses Projekt eine erhebliche Zentralisierung von Energieerzeugungsstrukturen bedingt.

Die Gesamtrechnung, die ITER verursacht, steht in keinerlei vernünftigem Verhältnis zu dem heute Machbaren und Notwendigen.

Die Zeit drängt, um dem Klimawandel erfolgreich und verantwortbar für nachfolgende Generationen zu begegnen. Und eines verträgt ITER nun ganz und gar nicht: Zeitdruck. Im Gegenteil ITER wird mehr Zeit beanspruchen, weil Japan als eines der beteiligten Länder nach Fukushima eben nicht mehr in der Lage ist, in den geplanten Zeitfenstern seine Zulieferungen zu realisieren, was zugleich zu weiteren Kostensteigerungen führen wird. Das ist der Ausgangspunkt der verschärften Rahmenbedingungen.

Nach Fukushima darf ITER aber auch nicht mehr mit Atomkraftwerken verglichen werden. Dieser Maßstab hat sich definitiv überlebt! Ganz abgesehen davon, dass zu den Kosten von ITER auch eine milliardenschwere staatliche Begleitfinanzierung für die Sicherung sowie den Rückbau von Kernkraftwerken und die Erschließung von Endlagern kommen.
Der gesellschaftliche Nutzen von ITER muss sich messen lassen an den Möglichkeiten erneuerbarer Energien. Insbesondere zu einem Zeitpunkt, da ganz Europa von einer Krise öffentlicher Haushalte erschüttert wird. Es geht also vor diesem Hintergrund auch um nichts Geringeres als um das Bestimmen von Ausgabeprioritäten im Energieforschungsbereich. Damit steht auch die Existenz von EURATOM in Frage, meine Fraktion hat dazu einen Antrag gestellt.

Die geplanten 15 Mrd. Euro Gesamtkosten für einen noch nicht einmal gebauten TEST-Reaktor stehen in einem krassen Missverhältnis zu bereits praktizierten Erzeugungsformen erneuerbarer Energien wie auch zu realistischen Forschungsoptionen in diesem Bereich.

So kann es auch nicht verwundern, dass erste aber deutliche Absetzbewegungen stattfinden. Österreich fordert eine Neuorientierung des Euratomprogramms, dessen Budget großteils in die Fusionsforschung fließt. Noch will Österreich bisherige Kompromisse nicht gänzlich in Frage stellen. Aber so weiter machen wie bisher will es auch nicht. Das übrigens spürt man auch bei Positionen anderer Länder wie etwa Luxemburg. Jetzt fordert unser südlicher Nachbar Österreich, die Euratom-Mittel sollen auf Strahlenschutz, Nuklearmedizin, Risikoforschung und „non-proliferation“ konzentriert werden. Andere europäische Länder gehen noch nicht so weit. Ich halte das allerdings nur für eine Frage der Zeit.

Der Bundesrat seinerseits hat in seiner Stellungnahme die Kostensteigerungen bei ITER erneut höchst kritisch bewertet. Auch er lehnt die Kostensteigerung zu Lasten wichtiger Zukunftsinvestitionen aus dem nationalen und europäischen Forschungsetat ab. Wie das gehen soll ist ebenso unklar wie der Erfolg des Fusionsprojektes.

Wir unterstützen die Forderung nach einem Moratorium, denn wir müssen unsere drängenden energiepolitischen Aufgaben von heute und morgen lösen, eben weil wir keine Zeit mehr haben und schon gar nicht bis nach 2050. In der Verantwortung der heute lebenden Generation stehen zeitnah umsetzbare Alternativen zu einer ökonomisch, ökologisch und sozial zerstörerisch wirkenden Energieproduktion. ITER kann dazu keinen Beitrag leisten.