Wissen muss öffentlich zugänglich sein – Linke setzt sich für Open Access in der Wissenschaft ein

TOP 21)  Beratung des Antrags Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung, Drucksache 17/7031

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– Rede zu Protokoll –

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Open Access, also das digitale, wissenschaftliche Publizieren ohne finanzielle, rechtliche oder technische Schranke für die Nutzerschaft, findet berechtigterweise immer mehr Unterstützung. Gestern veröffentlichte die Historikerin Wenke Richter im offiziellen Blog der Frankfurter Buchmesse einen Artikel mit der Überschrift „Liebe Fachverlage, passt auf Eure Autoren auf!“. Darin schreibt sie über die wachsende Zahl von studentischen Open-Access-Zeitschriften in Deutschland, die mithilfe einer guten Mischung aus Engagement, moderner Technik und traditionellem Peer Review eine erstaunliche Reichweite für qualitativ hochwertige Forschung von Studierenden erreicht. Diese Zeitschriften laufen auf gängigen Contentsystemen, vermitteln meist durch Open-Source-Software Metadaten zu den Publikationen an Bibliothekskataloge und sind so weltweit abrufbar. Hier wächst eine wissenschaftliche Generation heran, die sich offenbar nicht mehr an die hierarchischen Publikationswege alter Zeiten hält und dabei höchst erfolgreich ist.

Bereits 2009 initiierte der Diplom-Chemiker und Wissenschaftsjournalist Lars Fischer eine Petition an den Bundestag, die den kostenfreien Zugang für alle zu öffentlich geförderter Forschung forderte. Diese Petition wurde von annähernd 24.000 Mitunterzeichnern unterstützt. Darunter waren unzählige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Wer wie beispielsweise der Heidelberger Germanist Roland Reuß behauptet, Open Access sei eine Entmündigung der Wissenschaft durch „die Politik“ und die großen Forschungsförderungseinrichtungen wie der DFG, übersieht also offensichtlich, wie stark Open Access aus den Reihen der Akademikerinnen und Akademiker selbst gefordert wird!

Auch ein zweites Argument der deutschen Open-Access-Gegner zeigt sich als nicht tragfähig. Sie fürchten eine massenweise Flucht heller Köpfe aus Deutschland, würde hierzulande verstärkt auf Open-Access-Publikationen gesetzt. Aber das Land der Eliteuniversitäten, die USA, setzt nicht nur bei der Drittmittelförderung auf Open Access. Die Unis in Harvard und seit vergangener Woche auch Princeton verpflichten ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler per Arbeitsvertrag dazu, die eigenen Publikationen auf den Uni-Servern ohne Sperrfristen frei verfügbar zu machen. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften verfährt ähnlich. Auch wenn in diesen Fällen Ausnahmen von dieser Regelung möglich sind, das Signal ist klar: Die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens liegt bei Open Access-Modellen.

Neben unzähligen Einzelpersonen, Interessensgruppen und den Wissenschaftsorganisationen sieht das bekanntermaßen auch der Bundesrat so. Die eben erwähnte Petition ist im Juli diesen Jahres offiziell an das Justizministerium weitergleitet worden, da sie (Zitat aus dem Ausschussprotokoll) „geeignet scheint, in die Vorarbeit eines entsprechenden Gesetzentwurfs einbezogen zu werden.“

Nachdem SPD und LINKE bereits dieses Frühjahr Vorstöße in den Bundestag eingebracht haben, die darauf abzielen, die rechtlichen Grundlagen des Zweitverwertungsrechts zum Wohle von Open Access zu erneuern, kann nun die Fraktion von Bündnis 90 / Grüne für sich in Anspruch nehmen, einen umfassenden Antrag zur Förderung von Open Access eingebracht zu haben. Einzig die Bundesregierung kommt bei diesem Thema offenbar nicht voran.

Die LINKE stimmt dem vorliegenden Antrag grundsätzlich zu, dass es ein Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Beiträge braucht. Allerdings reicht es uns – wie in unserem Antrag hierzu vom April zu lesen ist – nicht aus, dieses Recht auf Beiträge aus Sammelwerken und Periodika zu beschränken. Das Zweitveröffentlichungsrecht muss auch für Monographien gelten. Weiter fordern wir, dass eine Sperrfrist für die Zweitveröffentlichung maximal sechs Monate betragen darf. Dies ermöglicht weiter eine exklusive und unfreie Erstveröffentlichung ohne diese unnötig zu privilegieren.

Obwohl der vorliegende Antrag sich auch dafür ausspricht, den goldenen Weg bei Open Access zu fördern, also die freie und nichtexklusive Erstveröffentlichung von Forschungspublikationen, bleiben die vorgeschlagenen Maßnahmen hinter diesem Anspruch zurück.

Publikationen, die im Rahmen öffentlich geförderter Projekte oder in den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes entstanden sind, sollen nach dem vorliegenden Antrag „spätestens zwölf Monate nach Erstveröffentlichung“ frei verfügbar sein. Wieder fehlt es hier an einem Regelungsvorschlag für Monographien. Weiter bleiben bei den Grünen einige Fragen unzureichend beantwortet: Wieso beschränkt sich der Antrag auf öffentlich geförderte Drittmittelprojekte? Warum sollen selbst die Ergebnisse der Ressortforschung des Bundes zunächst unfrei publiziert werden? Wieso wird nicht für jegliche Art öffentlich geförderter Forschung der freie Zugang zu den Ergebnissen zur Regel?

Die Antwort ist vordergründig einfach: Weil in Deutschland Wissenschaftsfreiheit so ausgelegt wird, dass es den Forscherinnen und Forschern überlassen bleibt, wie sie ihre mit Steuermitteln finanzierten Erkenntnisse verbreiten.

Sicher, eine Umsetzung der vorliegenden Vorschläge wäre ein Fortschritt gegenüber der aktuellen Lage. Aber wie gesagt, Princeton und Harvard machen vor, dass es auch andersherum geht – in einem Land, in dem die individuelle Freiheit besonders hoch eingeschätzt wird.

Die LINKE teilt den Ansatz der us-amerikanischen Universitäten: Wissenschaftliche Publikationen sollen in der Regel sofort frei publiziert werden, die Exklusivität bleibt die Ausnahme.

Dabei ist zu beachten: Im Moment sind es vor allem Fachverlage, die das entsprechende Know-How haben, Publikationen sofort frei zur Verfügung zu stellen. Neben dieser kommerziellen Variante will die LINKE die Eigenpublikation durch Forschungseinrichtungen und Forschungsverbünde stärken.

Die LINKE stellt sich den Herausforderungen, Open Access nicht nur auf dem grünen Weg voran zu bringen, und wird demnächst eine eigene Initiative einbringen, die einen goldenen Weg zu mehr Open Access aufzeigt.