Bei der Weiterentwicklung der Ressortforschung ist die Koalition zu kurz gesprungen

TOP 24) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten der Fraktion der FDP: Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stärken; Drs. 17/7183, 17/9912

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Koalition reagiert mit dem Antrag auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Weiterentwicklung der Ressortforschung. Diese umfasst derzeit 46 Einrichtungen mit einem Gesamtausgabevolumen von etwa 2 Milliarden Euro. Das Spektrum der Einrichtungen reicht vom Umweltbundesamt über die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das Robert-Koch-Institut bis zum Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Der Wissenschaftsrat hat sich in seinen Empfehlungen vor allem für eine stärkere Internationalisierung der Einrichtungen sowie für mehr Transparenz, Profil und intensivere Kooperation mit anderen Wissenschaftseinrichtungen aus.

Die Koalition beantragt, dass eine klare Zugehörigkeit von Wissenschaftseinrichtungen zur Ressortforschung anhand konkreter Kriterien definiert wird. Nur Einrichtungen, die eigene Forschungstätigkeit vollziehen, sollen benannt werden. Dazu gehören auch solche technisch-administrativen Einrichtungen mit geringeren eigenen Forschungsanteilen. Der Koalitionsantrag bleibt leider die Antwort auf die Frage schuldig, welchen Status Einrichtungen bekommen sollen, die nicht auf die Liste der Ressortforschung aufgenommen werden. Eine solche Klärung ist jedoch notwendig, wenn die vom Wissenschaftsrat empfohlene Klassifizierung vorgenommen werden soll. Wir müssen diesen Einrichtungen, die zumeist sinnvolle, oft hoheitliche Aufgaben leisten, eine Perspektive bieten.

Die Einrichtungen der Ressortforschung sollten nach der Vorstellung der Koalition Forschungs- und Entwicklungsprogramme erarbeiten und die von ihnen bearbeiteten Fragestellungen konkretisieren. Zudem sollen die Einrichtungen weiterhin regelmäßig evaluiert werden.

Wir finden es verdienstvoll, dass die Koalitionsfraktionen nicht länger auf die Bundesregierung warten und sich dieses Themas im gebotenen Umfang angenommen haben. Fünf Jahre liegen die letzten strategischen Positionierungen der Bundesregierung zurück. Es wird nun Zeit, der erfolgten Evaluierung der Einrichtungen und den Empfehlungen des Wissenschaftsrates endlich Taten folgen zu lassen. Dabei muss natürlich die Rolle des Wissenschaftsrates, der in erster Linie aus Politik und universitärer Wissenschaft zusammengesetzt ist, kritisch berücksichtigt werden.

Die Koalition entlässt jedoch die Bundesregierung zu weit aus der Verantwortung. Der Wissenschaftsrat hatte empfohlen, dass nicht die Einrichtungen selbst, sondern vor allem die Bundesregierung ihre Forschungsbedarfe regelmäßig und unter Einbezug externen Sachverstands ermittelt und auch mit dem Parlament diskutiert. Davon ist bei der Koalition jetzt nichts zu lesen, dabei wäre eine solche Debatte der erste Schritt zu mehr Transparenz.

Dazu passt leider, dass die Bundesregierung sich aus der Detailsteuerung der Forschungseinrichtungen in Fragen der Haushalts- und Personalführung zurückziehen soll. Dies wird aber nicht mit einer entsprechenden transparenten Steuerung bezüglich der institutionellen Entwicklung, der Kooperationen und der zu bearbeitenden Forschungsfelder verknüpft. DIE LINKE fordert, das spezifische Anforderungsprofil der Einrichtungen präzise zu definieren und dementsprechend auch die Governancestrukturen auszurichten. Wer autonome Einrichtungen will, muss auch sagen, was er von ihnen erwartet!

Erst dann ist es auch möglich, eine nachhaltige Personalpolitik an den Ressortforschungseinrichtungen zu gestalten. Ein planloser Abbau von Personal, wie an vielen Einrichtungen in der Vergangenheit geschehen, ist nicht im Interesse einer zukunftsfähigen Entwicklung der Institute.

Zudem ist sicherzustellen, dass die Einrichtungen kritische und für die entsprechenden Ministerien unbequeme Ergebnisse veröffentlichen dürfen. Die Wissenschaftsfreiheit sollte auch für die Ressortforschung und für beauftragte externe Institute ausgelegt werden. Wir erinnern uns an mehrere Fälle eines unwürdigen Gezerres etwa um Studien aus dem Umweltbundesamt.

Mehr Transparenz ist insbesondere auch in die Ressortforschung des Verteidigungsministeriums zu bringen. Hier forschen allein 14 Institute mit einem Etat von mehr als 150 Mio. Euro. Das Beispiel der Forschung an Pockenviren im wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien in Munster zeigt, dass eine Debatte über Regeln guter wissenschaftlicher Praxis auch in der Ressortforschung notwendig ist.

Alles in allem: die Koalition ist gesprungen – leider zu kurz.

Petra Sitte (MdB)