Beschäftigungsbedingungen von Promovierenden in der außeruniversitären Forschung

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.    (Drucksache 17/9429)

1. Die abgefragten Zahlen zeigen deutlich, dass insbesondere in der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und in deutlich geringerem Maße in der Helmholtz-Gemeinschaft ein starker Anstieg der Promotionsfinanzierung über Stipendien festzustellen ist. Die MPG hat praktisch den gesamten Aufwuchs in der Zahl der Promovierenden der letzten zehn Jahre über Stipendien erreicht. Der Anteil stieg allein seit 2003 von 35,9% auf heute 59,9% (2011). Diese wurden keineswegs nur an ausländische Promovierende vergeben. Knapp 39 Prozent der StipendiatInnen sind deutscher Herkunft. Bei der HGF stieg der Anteil der Stipendien auf geringerem Niveau in den vergangenen zehn Jahren von 0,7 auf 9,8 Prozent. Hier stammt sogar eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent der StipendienempfängerInnen auf Deutschland. Bei der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) verwundern vor allem die starken Schwankungen, deren Ursache sich nicht sofort erklären lässt.

Promotionsphasen sind keine Lehrjahre, sondern der Einstieg von Hochqualifizierten in eine wissenschaftliche Berufslaufbahn. Promovierende forschen, lehren und sind Leistungsträger im Wissenschaftssystem. Stipendien können im Einzelfall ein sinnvolles Förderinstrument sein. Die Masse der Promovierenden ist mit einer Stelle jedoch besser abgesichert, in die Wissenschaft eingebunden und zumeist auch angemessener bezahlt. Wer von Stipendien seine Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bezahlen muss, behält wenig über. Dass ein Stipendium das Institut noch weniger kostet als eine halbe TVöD-Stelle, kann nicht das Argument sein. Die Evaluierungsverfahren der Forschungsorganisationen, bei denen auch die Zahl der Promovierenden bewertet wird, treiben hier seltsame Blüten. ‚Billig und viel‘ sollte nicht das Motto für die Promotionsförderung sein. Wir brauchen eine Art Mindestlohn in der Nachwuchsförderung.

2. Deutlich höher als erwartet fallen auch die Zahlen der Stipendien für Postdoktoranden, also bereits promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus. Bei der MPG handelt es sich um 1349 Personen, bei der HGF noch um 97, bei WGL 87 Forschende. Wir fragen, ob ein derart prekäres Finanzierungsinstrument SpitzenwissenschaftlerInnen wirklich eine überzeugende Perspektive in Deutschland bietet. Der klare Schwerpunkt liegt bei den Stipendien im Post-doc-Bereich auf Forschenden aus dem Ausland. Dass der Trend auch bei Post-Docs, also Promovierten, zu Stipendien geht, wirft ein bezeichnendes Licht auf die überkommenen Personalstrukturen in der deutschen Wissenschaftslandschaft. In Deutschland werden selbst 45-jährige Habilitierte noch als ‚Nachwuchs‘ bezeichnet. Andere Länder können Promovierten feste Stellen mit einer bei guter Bewertung gesicherten Berufsperspektive anbieten. Dieser Sektor eines wissenschaftlichen Mittelbaus mit Aufstiegsperspektive fehlt bei uns. Die Juniorprofessur ist gut gedacht, scheitert aber sowohl am unklaren Status als auch an den fehlenden Karriereperspektiven.

3. Von der Bundesregierung wird die Entwicklung mit der „gestiegenen internationalen Konkurrenzsituation“ begründet und als „wesentlicher Beitrag zur steigenden Attraktivität sowie zur Leistungsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems“ gesehen. Daher verwundert der Ausbau des wenig attraktiven Instruments der Stipendien. Diese seien „wissenschaftsadäquat“, „bedarfsgerecht“ und würden „ordnungsgemäß“ eingesetzt. Die Höhe der Stipendien wurde allerdings nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst, sondern verbleibt seit Jahren auf dem gleichen Niveau von 1000 bis 1365 Euro im Monat. Nach unseren Informationen wird derzeit über eine Anhebung des Mindestsatzes auf 1365 Euro verhandelt. Dies wäre zwar ein kleiner Fortschritt, aber keine Lösung des Problems.

4. Eine Pflicht zur Anmeldung bei den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung entsteht bei Stipendien nicht. In der Kranken- und Pflegeversicherung versichern sich Stipendiaten wie Selbständige, in Renten- und Unfallversicherung gilt ebenfalls das Prinzip der Freiwilligkeit. Mittlerweile ist ein Zuschuss zur Krankenkasse möglich, auf diesen besteht jedoch kein Rechtsanspruch. Im Fall eines Leibniz-Institutes wurde bei einer Betriebsprüfung das Problem einer stipendienfinanzierten, abhängigen Beschäftigung festgestellt. Nach den Ergebnissen der Umfrage von 2009 bzw. auch den Aussagen der PhD-Net-Promovierenden hier  bzw. hier sollte auch die Praxis bei der MPG einer genaueren Prüfung unterzogen werden.

5. Die Bundesregierung hat kürzlich den „Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen (Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG)“ verabschiedet. Dieser sieht unter anderem die Aufhebung des so genannten Besserstellungsverbotes vor, das bisher eine besoldungsmäßige Gleichbehandlung von Angestellten von Zuwendungsnehmern mit Beschäftigten des Bundes vorschrieb. Zukünftig sollen für SpitzenforscherInnen deutlich höhere Gehälter als für Richter oder vergleichbare Positionen möglich sein. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs hingegen hat die Bundesregierung keinerlei Verbesserungen geplant.

6. DIE LINKE unterstützt die Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und sichere Karriereperspektiven nach der Promotion. Dazu gehört eine Wahlmöglichkeit zwischen Stipendien und Stellen sowie eine auf den Befristungsgrund angepasste Dauer von Arbeitsverträgen in Qualifikationsphasen oder Drittmittelprojekten. Die Bundesregierung muss endlich eine Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vornehmen (siehe dazu auch Bundestags-Drucksache 17/6488).

Die Bundesregierung könnte zudem Verantwortung zeigen, indem sie den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das klare Signal für bessere Karriereperspektiven in der Wissenschaft setzt. Wir haben ein Anreizprogramm für 10.000 Stellen mit Perspektive vorgeschlagen, mit dem Hochschulen und Forschungsinstitute eine befristete Anschubfinanzierung vom Bund für eine Tenure-Track-Position bekommen könnten. Die Koalition hat diesen Vorschlag abgelehnt. Wir werden die Forderungen der Petition ins Parlament bringen: mindestens 65 Prozent Bezahlung in der Promotion und die freie Entscheidung zwischen Stipendium oder Stelle sollten Standard an außeruniversitären Einrichtungen werden. Die üblichen kurzen Vertragslaufzeiten von weniger als 12 Monaten wollen wir gesetzlich unterbinden. Arbeitsverträge sollten mindestens so lange laufen, wie für die Promotion oder das Forschungsprojekt vorgesehen ist.