Ein modernes Modell von Wissensverbreitung ist nötig

 

 

TOP 3)  Schlussbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Wissen von morgen“, das ist das Thema, das mich als Forschungs- und Netzpolitikerin der Linken am meisten interessiert und umtreibt. Wie schaffen wir es, möglichst allen Menschen dieses Wissen nach ihren Wünschen und nach ihren Bedürfnissen zu formen, und wie schaffen wir es, dass sie sich dieses Wissen aneignen können, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Lage? Deswegen wollte ich vor drei Jahren ? da kann ich mich outen ? unbedingt Mitglied dieser Internet-Enquete werden.

Die Digitalisierung bietet vielfältige Werkzeuge und Wege, Wissen zu erarbeiten und auch zu teilen. Viele Open-Bewegungen rund ums Internet zeigen dies eindrücklich. Die Digitalisierung kann Wissen, Kultur und Lernen geradezu befreien, wenn, ja wenn wir es auch wirklich zulassen. In diesem Sinne habe ich mich für ein Urheberrecht eingesetzt, das die Verbreitung von Wissen in den Mittelpunkt stellt, ohne allerdings die Masse der Kreativen weiter im Existenzminimum und in Selbstausbeutung zu belassen.

 (Beifall bei der LINKEN)

Hier zeigte sich jedoch deutlich, dass den Regierungsfraktionen das künstliche Aufrechterhalten von nicht mehr zeitgemäßen Marktstrukturen allemal wichtiger war und dass sie sich einem modernen Modell der Wissensverbreitung verschlossen haben. Schon das alte Urheberrecht ist kaum in der Lage, Urheberinnen und Urhebern ein anständiges Auskommen zu ermöglichen. Warum, frage ich Sie, trauen wir uns hier in diesem Hause nicht, eine neue Rechtsordnung gemeinsam zu entwerfen, eine, die im Kern Nutzungsfreiheit und Vergütung von Kreativen zusammendenkt? Was bitte ist so schwierig daran?

(Beifall bei der LINKEN)

Das hätte ich mir von der Enquete gewünscht. In diesem Sinne haben wir Linke auch gearbeitet. Wir fanden aber für unsere Vorschläge keine Mehrheiten.

Nicht einmal bis dato unerhörte Allianzen konnten an diesen misslichen Mehrheiten etwas ändern. Wir Linke haben nämlich gemeinsam mit dem von der Union berufenen Sachverständigen Dieter Gorny von der Musikindustrie einen ausführlichen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, wie prekär die Lage der Kreativen in Deutschland ist. Dieser Bericht hat zumindest belegt, dass die Digitalisierung daran viel weniger Schuld trägt, als mancher Kulturpessimist heute noch behauptet. Auf Handlungsempfehlungen, wie dieser Missstand nun behoben werden könnte, wollten sich CDU/CSU und FDP dann doch nicht einlassen. Einmal mehr finden sich unsere Vorschläge in Sondervoten der Opposition zum Enquete-Bericht. Nichtsdestotrotz kann der neue Bundestag das alles aufnehmen.

Erfrischend anders war die Situation bei den Themen Bildung und Forschung; das ist hier schon angeklungen. Hier haben wir fraktionsübergreifend gute und progressive Vorschläge gemacht, wie das Parlament Open Access, offene Hochschulen, freie Lehr- und Lernmaterialien, virtuelle Forschungsumgebung, E-Learning und vieles andere mehr unterstützen könnte. Hier haben wir gemeinsam gezeigt, dass eine Enquete-Kommission sehr sachorientiert nach vorne schauen kann. Ich hoffe deshalb inständig, dass wir als Parlament den aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Urheberrecht für Wissenschaft und Forschung noch ordentlich nachbessern. Dieser Entwurf bleibt nämlich weit hinter den Forderungen der Enquete zurück. Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, können in den zukünftigen Debatten hier im Haus den Beleg dafür liefern, dass die Enquete nicht umsonst gearbeitet hat.

Es wäre zu schön, wenn die guten Vorschläge der Enquete-Kommission auch Gehör fänden und nicht nur in digitalen oder analogen Papierkörben landen würden. Dann hätte sich der riesige Aufwand, den meine Kollegen hier angesprochen haben, auch wirklich gelohnt.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)