Debatte im Bundestag über die Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten

TOP 5) Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Grosse-Brömer, Sie streuen hier Brotkrumen und locken uns ein bisschen in die falsche Richtung im Paragrafenwald der Geschäftsordnung. Sie haben quasi am Tag vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages öffentlich bekannt gegeben, dass es mehr Vizepräsidentinnen und -präsidenten geben soll. Das wiederum war der Tag nach dem Beschluss über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Nun kann ich, was die öffentliche Wahrnehmung angeht, es manchen nicht verübeln, dass das als Geschmäckle, als Deal wahrgenommen wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite. Dies fällt mitten in die Debatte über die Sicherung der Minderheitenrechte der Opposition in diesem Parlament. Ich bedanke mich sehr herzlich für die klaren Worte des Bundestagspräsidenten zu diesen Fragen. Aber Ihre Geste wird von uns nicht als vertrauensbildende Maßnahme wahrgenommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Festzuhalten bleibt doch ‑ es ist eben gesagt worden ‑: Der Bundestag wird zurzeit nicht wesentlich größer. Die Aufgaben der Koalition werden nicht wesentlich größer. Im Gegenteil, Sie haben sogar den Vorzug, sich bezüglich ihrer Aufgaben eine wunderbare Arbeitsteilung zu schaffen. Aber die Aufgaben der Opposition werden gewaltig sein, und das bei weniger Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mithin hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach ‑ das ist schon erwähnt worden ‑ die besondere Rolle der Opposition für die Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung betont. Es wird sogar von einer herausgehobenen Stellung der Opposition gesprochen. Das sollten wir uns vor diesem Hintergrund in diesem Hause noch einmal vergegenwärtigen.

Nun senden Sie ein fragwürdiges Signal. Es geht nicht nur um einen Vizepräsidentenposten mehr. Es ist Ihr politischer Wille, von der bewährten Praxis in diesem Hause abzuweichen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Nein!)

Sie sagen, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sollten sich im Präsidium abbilden. Das könnte man so hinnehmen. Aber genau in dem entsprechenden Paragrafen der Geschäftsordnung des Bundestages wird überhaupt nicht darauf abgehoben, dass sich im Präsidium das Stärkeverhältnis der Fraktionen abbilden soll.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Doch!)

Das ist in dem entsprechenden Paragrafen nicht enthalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Doch!)

– Nein, Sie können gerne noch einmal nachlesen. Darüber können wir uns im Ältestenrat gerne streiten.

Es gibt keinen Bezug auf das Berechnungsverfahren. Es gibt nur die Feststellung, die sich aus der sogenannten Grundmandatsregelung ergibt, dass jede Fraktion mit einem Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein soll.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Mindestens!)

Das ist seit Jahren geübte Praxis in diesem Hause.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein, das stimmt nicht!)

Es geht um die Repräsentation des gesamten Hauses. Deshalb ist diese Praxis besser und demokratischer.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie selber haben es vorhin erwähnt: Das, was wir infrage stellen, ist in der 13. Legislaturperiode auf Antrag der Bündnisgrünen eingeführt worden. Auch Sie haben damals als CDU/CDU und FDP ausdrücklich beantragt, dass die Anzahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter bzw. der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten der Anzahl der Fraktionen entsprechen soll.

Nun zur geübten Praxis. Abgesehen von der 1. Legislaturperiode, ist das Präsidium von der 2. bis einschließlich zur 15. Legislaturperiode mit fünf Mitgliedern besetzt gewesen. In der 14. Legislaturperiode waren es sechs. Damals gab es einen Präsidenten, zwei Vizepräsidenten der Koalition und drei Vizepräsidenten der Opposition. Erst in der 16. Legislaturperiode, also zur Zeit der Großen Koalition, ist man davon abgewichen, und es hat einen Vizepräsidenten bzw. eine Vizepräsidentin mehr gegeben. Nun nehmen Sie ausschließlich Bezug auf diese 16. Wahlperiode und gehen von dem zuvor ‑ auch in der letzten Legislaturperiode ‑ angewendeten Prinzip ab und wollen wieder sechs Stellvertreter. Auch damals hatte die SPD zwei Stellvertreter. So richtig geholfen hat es nicht. Das Wahlergebnis der SPD war nicht ganz überzeugend.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gerade erklären Sie von der SPD Ihrer Mitgliederschaft tapfer, dass erst das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen darüber entscheidet, ob Sie eine Große Koalition eingehen. Aber den Vizepräsidentenposten wollen Sie schon heute in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was passiert denn dann, wenn Ihre Basis am Ende sagt: „Der Inhalt der Koalitionsvereinbarung reicht uns nicht; wir wollen keine Große Koalition eingehen“, mit diesem zusätzlichen Vizepräsidentenposten? Diese Frage sollte erlaubt sein.

(Widerspruch bei der SPD – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Präsidium ist unabhängig davon!)

Wie Sie merken, ist vieles in diesem Zusammenhang unklar. Außerdem entsteht der Eindruck, dass es sich hier um eine willkürliche Praxis handelt. Sie klopfen sich sozusagen auf Ihre parlamentarische Brust und warten auf Großraumgeräusche. Wir finden das ziemlich kleingeistig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Sitte.

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):

Ich bin sofort fertig. ‑ Dabei hatte Herr Riesenhuber heute schon von den Höhen des Geistes in diesem Haus gesprochen.

Ich finde, wir sollten an die gute parlamentarische Praxis anknüpfen. Es besteht auch aufgrund der konkreten Erfahrungen derjenigen, die schon Mitglied des Bundestages waren, überhaupt keine Veranlassung, die Zahl der Vizepräsidenten zu erhöhen. Die demokratische Führung der bisherigen Präsidien nach dem alten Prinzip war gut.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)