Stellungnahme zur Jahrestagung des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“

Dr. Petra Sitte, MdB, DIE LINKE

Zu den Herausforderungen des Wissenschaftsurheberrechts in der neuen Legislaturperiode

In dieser 18. Legislaturperiode muss der seit langem diskutierte „Dritte Korb“ der Urheberrechtsreform für Bildung und Wissenschaft endlich umgesetzt werden. Die Regelungen zu einem Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Positionen, die noch kurz vor Toresschluss verabschiedet wurden, sind nicht realitätstauglich und müssen in diesem Zusammenhang dringend überarbeitet werden.

Dem ursprünglichen Sinn eines Zweitverwertungsrechtes nach sollte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht werden, ihre eigenen Arbeiten auch dann zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, wenn sie zunächst in einer kommerziellen Zeitschrift erschienen waren.

Stattdessen ist nun geregelt, dass ein Verlag im Zweifel ein ausschließliches Recht zur Zugänglichmachung von Beiträgen seiner Autoren im Internet erhält, auch wenn dies vertraglich gar nicht vereinbart ist. Bislang gilt eine solche Vermutungsregelung lediglich für die Druckausgabe einer Zeitschrift. Damit wird eine Vermutungsregelung eingeführt, die den Urhebern einem Rechteverlust ungekannten Ausmaßes bringt. Bisher dürfen Autorinnen und Autoren mit ihren Texten online machen, was sie wollen, es sei denn, sie haben vertraglich etwas anderes vereinbart. In Zukunft darf ihr Verlag es ihnen verbieten.

Diese urheberfeindliche Neuregelung soll mit einem Zweitveröffentlichungsrecht verknüpft werden, das weitgehend leerläuft. So gilt es nur für die „Manuskriptversion“ – eine Veröffentlichung im Format und mit den Seitenzahlen der Druckfassung soll nicht drin sein. Damit führt die Bundesregierung unter der Hand einen rechtlichen Schutz des Druckbilds ein, das bislang mit gutem Grund urheberrechtsfrei ist.

Zudem soll es nur für nicht-gewerbliche Online-Veröffentlichungen gelten, obwohl in der Gesetzesbegründung ausdrücklich von einem „Verwertungsrecht“ gesprochen wird, das per definitionem gewerblichen Zwecken dient. Und vor allem soll es nur für Beiträge gelten, die „im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erschienen Sammlung erschienen“ sind. Indem auf die öffentliche Forschungsförderung abgestellt wird, schließt der Vorschlag die rein universitäre Grundlagenforschung von vornherein aus. Zukünftig sollen also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die viele Drittmittel erhalten, im Urheberrecht besser gestellt sein als ihre Kolleginnen und Kollegen. Ich bezweifle, dass dies verfassungsgemäß ist.

Nicht zuletzt soll die Zweitveröffentlichung erst nach einer Frist von zwölf Monaten erlaubt sein. Das ist gerade für Wissenschaft mit Aktualitätsbezug eine quälend lange Zeit, die eine Zweitveröffentlichung nochmals unattraktiv macht.

Grundsätzlich schlagen wir für eine Überarbeitung fünf einfache Punkte vor:

1. Das Zweitverwertungsrecht soll sich auf alle wissenschaftlichen Publikationen erstrecken, die überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind.

2. Eine Zweitveröffentlichung wird für alle Publikationsformen ermöglicht.

3. Die Sperrfrist, nach der das Zweitverwertungsrecht in Anspruch genommen werden kann, beträgt höchstens sechs Monate.

4. Eine formatgleiche Zweitveröffentlichung ist erlaubt, wenn die Erstveröffentlichung angegeben ist.

5. Vertragliche Vereinbarungen, die das Zweitveröffentlichungsrecht einschränken, sind unwirksam.

Als zweites Ziel für diese Legislaturperiode steht die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke.

Die kleinteiligen und detaillierten Schrankenregelungen, die nach langem Tauziehen derzeit im Urheberrecht gelten, taugen ebenfalls nicht für die Realität. Sie führen zu Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten, die die Akteure in Bildung und Wissenschaft häufig sogar von der Ausnutzung legaler Spielräume abhält.

Wir brauchen eine möglichst umfassende Erweiterung und Vereinfachung der Nutzungsmöglichkeiten kreativer Werke für Bildung und Wissenschaft. Schranken sind auch im Rahmen der derzeitigen EU-Richtlinie machbar, wie etwa die Regelungen zu den Verwaisten Werken dies bewiesen haben. Wir meinen aber auch, dass die europäische Debatte um eine Anpassung der Infosoc-Richtlinie vorangetrieben werden sollte. Damit wären unnötige Auseinandersetzungen um deren Auslegung zu vermeiden.

Wir werden einen Vorschlag für eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke in dieser Legislatur gemeinsam hoffentlich mit den entsprechenden Akteuren erarbeiten und im Bundestag zur Debatte stellen.

Weitere notwendige Bestandteile eines „Dritten Korbes“ sind unterstützende Regelungen für offene Lehr- und Lernmaterialien (OER), für die Erstellung, Pflege, Nutzung und Archivierung von Forschungsdaten sowie unterstützende Regelungen für den Goldenen Weg des Open Access, der aus unserer Sichte weiter vorangetrieben werden sollte.

Insgesamt müssen wir vier verlorene Jahre aufholen und unser Urheberrecht endlich umfassend für die Digitalisierung in Bildung und Wissenschaft modernisieren. Man kann nur hoffen, dass eine neue Regierung sich hier offener zeigt als die alte.

 

Hier geht´s zur Veranstaltung:

10. – 11. Oktober 2013:   Jahrestagung des Aktionsbündnisses mit Vollversammlung in Berlin: „Information als Vitamin für Innovation: Schranken oder Lizenzen für Forschung und Lehre?”