Weiterhin „Stillstand“ im Bundestag

 

Zusatz-TOP 2) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen – Drucksache 18/53

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Aufgrund der soeben erfolgten Ablehnung des Antrags auf Einsetzung von Ausschüssen hat die Fraktion Die Linke als Antragsteller erklärt, ihren Antrag zur Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen zurückzuziehen.

 

Frau Präsidentin, ich hatte bereits zu Beginn der Sitzung angekündigt, dass ich gerne eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgeben möchte.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Zu welchem Abstimmungsverhalten?)

Diese Gelegenheit möchte ich jetzt gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung wahrnehmen.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Das ist selbstverständlich Ihr Recht.

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):

Danke. – Ich möchte gerne etwas zu den Abstimmungen sagen, die eben im Bundestag durchgeführt wurden.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das geht doch gar nicht!)

Sie wissen so gut wie ich, dass in den letzten Tagen zahlreiche Forderungen erhoben wurden, die insbesondere auch in den Medien reflektiert worden sind, dass der Bundestag endlich liefern muss. Er tut das nämlich zurzeit nicht. Wir haben es gerade erlebt. Niemand Geringerer als der Bundestagspräsident selbst hat es in seiner Antrittsrede klargestellt – ich zitiere: „Und selbstverständlich bedarf eine geschäftsführend amtierende Bundesregierung nicht weniger parlamentarischer Kontrolle als eine neu gewählte.

(Beifall bei der LINKEN)

Und weiter in seiner Rede: Niemand wird deshalb ernsthaft erwarten dürfen, dass der Bundestag seine Arbeit erst nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen aufnehmen wird.“

Die Linke sieht das genauso. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, und deshalb ist uns Ihr Verhalten völlig unverständlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen: Wer kritisiert, welche Anträge wir gestellt haben, dem sage ich: Das Grundgesetz steht sicherlich nicht im Verdacht, willkürlich zu sein. Wir haben uns nämlich in unseren Anträgen im Wesentlichen am Grundgesetz orientiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern die Einsetzung des Petitionsausschusses, weil es derzeit ungefähr 1000 Petitionen gibt, die im Bundestag nicht bearbeitet werden.

Wir fordern die Einsetzung des Innenausschusses und des Auswärtigen Ausschusses, weil eben, wie gerade deutlich geworden ist, die NSA-Affäre dort nicht beraten werden kann.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wir haben doch gerade die Aussprache nicht zugelassen! Das ist unmöglich!)

Der US-Kongress tagt dazu permanent. Das Europaparlament hat bereits zehn Anhörungen zu dieser Problematik durchgeführt.

Wir beantragen weiterhin die Einsetzung des Verteidigungsausschusses, weil Auslandseinsätze einer Parlamentsarmee eben auch einer parlamentarischen Begleitung bedürfen. Zudem steht die Verlängerung von Auslandseinsätzen an. Sie haben das selbst konstatiert. Natürlich braucht man zeitnahe Informationen über den Verlauf und über Probleme von Auslandseinsätzen.

Schließlich haben wir die Einsetzung des Haushaltsausschusses, des Finanzausschusses und des Rechtsausschusses beantragt. Das sind übrigens alles Ausschüsse, die es etwa seit der dritten Wahlperiode in völlig unveränderter Form und in diesem Zuschnitt gibt. Es sind doch Gesetzentwürfe aus dem Bundesrat zu behandeln, beispielsweise zur Kita, beispielsweise zur Schließung von Steuerschlupflöchern.

Natürlich bringen auch wir Linke parlamentarische Initiativen ein, zu denen sich der Bundestag verhalten muss. Das betrifft die Gesetzentwürfe zur Stabilisierung des Rentenbeitrags, die zu erwarten sind. Es geht aber auch um die Frage des Mindestlohns oder die Verbesserung von Erwerbsminderungsrenten. Zu klären sind auch die Fragen der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, der Abschaffung des Betreuungsgeldes oder auch der Abschaffung sachgrundloser Befristungen von Arbeitsverträgen.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Zu was reden Sie jetzt eigentlich? Was ist das für eine Erklärung?)

Das alles sind brennende Themen. Meine Fraktion und ich haben überhaupt keine Lust, auf Ihre Diätkost aus der Koalitionsvereinbarung einer Großen Koalition zu warten.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Auf Ihre Lust kommt es nicht an!)

Wir wollen auch an dieser Stelle unsere Forderungen in den Bundestag einbringen und seriös behandelt wissen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu Ihrem tollen Hauptausschuss. Wissen Sie eigentlich, was dieser Hauptausschuss ist? Es ist ein Hauptausschuss nach dem Prinzip „Hauptsache weg“. Darauf kommen Sie doch nie wieder zurück; das ist doch völlig klar.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt ist mal gut! Sie können nach § 31 vor der Abstimmung reden, aber nicht hinterher!)

– Ich hätte sehr gerne vor der Abstimmung geredet, Herr Kauder. Aber das wollte Ihre Fraktion nicht. Das ist übrigens auch ein Beispiel dafür, warum Minderheitenrechte in diesem Hause anders geregelt werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist Quatsch! Sie können nicht einen Antrag nach § 31 stellen! Der ist rechtswidrig!)

Sie können uns doch als so pfundige Fraktion, die Sie sind, nicht ernsthaft erklären, dass Sie nicht in der Lage sind, diese Ausschüsse einzusetzen und Abgeordnete zu mobilisieren, die in diesen Ausschüssen arbeiten.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt ist mal gut! Sie reden länger als bei einer normalen Rede!)

Sie wollen in Zukunft regieren. Dann werden Sie wohl die Besetzung der Ausschüsse hinbekommen. Mithin verhandeln wohl nicht alle Ihre Abgeordneten in den Koalitionsgruppen.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Das müssen Sie schon uns überlassen!)

So weit von meiner Seite zu diesen Fragen.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Die letzte Fraktion, die hier in diesem Haus nicht geliefert hat, wurde durch Wahlentscheidungen ausgesteuert. Die Abgeordneten dieser Fraktion haben ihre Plätze hier verloren. Ich finde, das sollte diesem Haus eine ernste Warnung sein.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Ein eindeutiger Missbrauch!)