In Berlin – und (H)alle dabei [Nr. 2]

Auch in Halle und Umgebung gibt es eine große Anzahl an Geburtshäusern und Hebammenpraxen, die sich um die Vor- und Nachsorge bei werdenden Eltern kümmern und es ihnen so ermöglichen, ihren Nachwuchs in dem Umfeld zur Welt zu bringen, das sie sich dafür wünschen. Das ist toll und überaus unterstützenswert. Doch der Beruf ist – in den vergangenen Wochen war es medial recht präsent – stark gefährdet. Und auch wenn das öffentliche Interesse nun schon wieder spürbar abgenommen hat: Die wichtigsten Fragen bleiben weiterhin ungeklärt.

Aber worum geht es genau? Die aktuelle Debatte drehte sich hauptsächlich um die Frage der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen, die verständlicherweise für alle praktizierenden Hebammen verpflichtend ist. Diese ist in den vergangenen Jahren immer teurer geworden und beträgt ab Juli 2014 etwa 5000 Euro im Jahr – wohlgemerkt für diese eine Versicherung, die von den allermeisten Hebammen zum Glück nie in Anspruch genommen werden muss. Damit ist die Haftpflichtversicherung mittlerweile so kostspielig, dass das wirtschaftliche Überleben der Hebammen bedroht ist. In Halle ist die Versorgungslage, soweit ich das einschätzen kann, noch recht komfortabel. Aber gerade im ländlichen Raum und in teureren Großstädten gibt es schon jetzt eine Unterversorgung; immer mehr Familien haben große Schwierigkeiten, eine Hebamme für die Geburtshilfe und die Wochenbettbetreuung zu finden.

Doch auch der schon jetzt horrende Beitrag hat den Versicherungsunternehmen nicht gereicht: Der Gruppenversicherungstarif, der bisher über den Deutschen Hebammenverband angeboten wird, sollte nicht verlängert werden. Da es für die einzelne Hebamme faktisch unmöglich ist, eine für sie bezahlbare Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, bedeutete diese Ankündigung im Prinzip die Abwicklung eines ganzen Berufsstandes. Der öffentliche Druck und die mediale Aufmerksamkeit haben jetzt zumindest kurzfristig zu einer Lösung geführt: bis Ende 2015 wird es eine Gruppenversicherung geben. Allerdings werden die Beiträge nochmals um 20 Prozent auf dann etwa 6000 Euro pro Jahr (!) steigen. Und wie es danach weitergehen soll, ist völlig ungewiss.

Es müssen also andere, langfristige Lösungen her. DIE LINKE hat bereits in der vergangenen Wahlperiode (im Jahr 2010) einen Gesetzesantrag im Bundestag eingereicht, der das Ziel hatte, die Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger_innen sicherzustellen. Dort haben wir unter anderem die Problematik der dramatisch gestiegenen Haftpflichtprämien thematisiert. Leider ist es uns damals nicht gelungen, die Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP davon zu überzeugen, diesem Antrag zu zustimmen; auch die anderen Oppositionsfraktionen (SPD und B90/Grüne) haben nicht zugestimmt. Die Haltung der damaligen und jetzigen Regierung besteht vornehmlich aus Tatenlosigkeit getreu dem Motto: „Der Markt wird’s schon richten.“

Macht er aber nicht. Statt sich auf solche Floskeln zu verlassen, sollten auch die anderen Parteien endlich erkennen, dass Hebammen und andere Heil- und Pflegeberufe schützenswert sind und nicht einer Ökonomisierung des Gesundheitswesens geopfert werden dürfen. Deshalb fordern wir weiterhin einen staatlichen Haftungsfonds. Damit wollen wir einerseits die Unabhängigkeit der Hebammen gegenüber privaten Versicherungen erhöhen und andererseits die Versorgung mit Hebammen auch in weniger stark besiedelten Gebieten sicherstellen.

Da bisher kein Engagement der Bundesregierung, jenseits von „Prüfungen“, zu sehen war, nehmen wir alle Möglichkeiten als Oppositionsfraktion wahr. Weil wir davon überzeugt sind, dass es nicht richtig sein kann, einem ganzen Berufsstand qualifizierter und hochmotivierter Hebammen und Entbindungspfleger die Existenz zu nehmen. Die Möglichkeiten unserer Fraktion bestehen neben den Gesprächen mit Hebammen und ihren Verbänden in parlamentarischen Initiativen. Eine „Kleine Anfrage“ zur derzeitigen Problematik der Hebammen wurde der Bundesregierung bereits zugestellt. Sie umfasste 40 Fragen, auf die die Regierung schriftlich antworten musste. Die Antworten können nun unter anderem verwendet werden, um den politischen Druck auf die Entscheidungsträger zu erhöhen.

Diesbezüglich gibt es durchaus einige Ansatzpunkte: So hat die Regierung zugegeben, weder die Zahl der Betroffenen noch deren Einkommenssituation zu kennen. Auch über die Zahl und die Höhe der tatsächlichen Schadensfälle ist die Regierung nicht informiert. Dennoch sieht sie keinen Anlass, die Prämienkalkulation der Versicherer kritisch zu prüfen. Auch über mögliche Alternativen zur privatwirtschaftlichen Versicherung der Hebammen will sich die Bundesregierung lieber nicht äußern: „Das wird in die Prüfung einbezogen“, heißt es lapidar. Die vier Jahre, die seit unserem Antrag zur Schaffung eines Haftungsfonds vergangen sind, waren für die „Familien- und Zukunftspartei“ CDU offenbar nicht genug.

Diese kurz beschriebenen parlamentarischen Möglichkeiten der Einflussnahme ersetzen natürlich keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Demos oder Petitionen. Für einen langfristigen und bezahlbaren Versicherungsschutz für alle Hebammen wird anhaltender öffentlicher Druck nötig sein, den wir als Fraktion unterstützen, wo es geht – in Halle und anderswo.