“Everybody’s welcome” – Silberhöhe demonstriert gegen Rassismus

Petra bei "Everybody's welcome" am Mikro bei ihrer Rede

Petra spricht auf der Kundgebung der Everybody’s welcome – Demo in Halle-Silberhöhe  (Foto: Katja Müller)

Liebe Hallenserinnen, liebe Hallenser,

Ich freue mich, dass doch so viele gekommen sind, um sich solidarisch zu zeigen. Solidarisch mit jenen, die zu uns kommen, um Kriegen, Not, Verfolgung und Bedrohung in ihren Ländern zu entkommen. Solidarisch mit jenen, die für sich und ihre Familien schlicht neue Lebensperspektiven verwirklichen wollen.

Ich bin auch froh, dass es so viele gibt, die sich eben nicht von Rechten und Neonazis einschüchtern lassen und dass sie das mit ihrem Kommen auch zeigen. Menschen aus rassistischen Gründen anzufeinden ist angesichts der Geschichte Deutschlands nicht hinzunehmen. Neben Jüdinnen und Juden waren gerade Sinti und Roma zu tausenden und abertausenden Opfer des faschistischen Mordterrors. Dieser Teil unserer Geschichte lastet auch auf uns späteren Generationen und nimmt uns in die Pflicht uns anders zu verhalten.

Auch deshalb sind wir hier, weil Hass, Ausgrenzung, Diskriminierung bis zu gewaltsamen Übergriffen und Mord auch eine lange Vorgeschichte haben. Und genau dort beginnt unsere Verantwortung. Deshalb sind wir heute auch hier. Nie wieder dürfen wir einfach nur hinnehmen oder etwas laufen lassen.

Sinti und Roma werden bis heute europaweit diskriminiert und ausgegrenzt. Üble, durch nichts belegte Vorurteile halten sich hartnäckig. Die Nazis versuchen genau diese zu mobilisieren. Ich habe Siedlungen von Sinti und Roma besucht. Bis heute das Erbarmungswürdigste, was ich je an Elend in Europa gesehen habe. Mir war vollkommen unklar, wie diese Familien auch nur von einem Tag zum anderen kommen. Lebensperspektiven gleich Null. Lebensverhältnisse, die für uns unvorstellbar sind. Dazu immer Angst um Leib und Leben. Daher verstehe ich auch, dass sie zu uns kommen, um sich und ihren Familien bessere Lebensperspektiven zu sichern. Und ich meine, dass wir ihnen diese Chance geben können und müssen. Sie sollen uns willkommen sein – wie überhaupt alle, die bei uns, einen neuen Anfang suchen.

Wollen wir das nicht auch für uns, für unsere Kinder und unsere Familien? Sind nicht auch deswegen viele Deutsche, ja gerade auch Ostdeutsche woanders hingegangen?

Ob NPD, Pegida oder nur rassistischen armen Würstchen – all diesen sei gesagt: Der Artikel I des Grundgesetzes gilt für alle: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dieser Artikel hat aus gutem Grund Ewigkeitsgarantie und darf nie geändert werden. Immer dort, wo die Würde von Menschen angegriffen wird, müssen diese Menschen Hilfe und Unterstützung finden – individuell, zivilgesellschaftlich, politisch und durch staatliches Handeln.

Gerade deshalb war und bleibt für mich inakzeptabel, dass Sinti und Roma aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nach jüngster Änderung der Asylgesetzgebung kein Asyl bei uns finden sollen. Ihre Situation ist nicht nur in diesen Ländern absolut dramatisch schlecht. Wir reden hier nicht von Minderheitenrechten, sondern von Menschenrechten! Wieso gelten Menschen in Not als Störenfriede? Welchen Frieden stören sie eigentlich? Unseren Alltag? Unseren angeblichen sozialen Frieden? Wissen wir nicht alle, wie ungerecht dieser in den letzten beiden Jahrzehnten geworden ist?

Gerade viele BewohnerInnen der Silberhöhe wissen das doch, haben es erlebt und erleben es bis heute! In diesem Stadtviertel leben ca. 50 Prozent der Kinder in Armut und brauchen Sozialgeld.

Dass Nazis und Rassisten nun versuchen, aus dieser schlimmen sozialen Erniedrigung Kapital zu schlagen, ist widerlich. Sinti und Roma werden als Ersatzschuldige vorgeführt. Dabei ist doch nun wirklich bekannt, dass sie für die Misere der BewohnerInnen gar nix können. Sie nehmen auch niemandem etwas weg. Vielmehr müssen wir fragen und darüber reden, warum diese Menschen auf der Flucht sind!

Mitgefühl und Mitverantwortung stärken uns doch alle! Haben wir nicht erlebt, wie in Deutschland, Europa und weltweit, das Soziale, Kunst und Kultur, Umwelt sowie das Gemeinwesen dem Ökonomischen und den Finanzmärkten untergeordnet wurden. Und so sollten wir auch nicht zulassen, dass Menschen, die zu uns kommen als nützlich, unnütz oder gar als Parasiten abgestempelt werden. Demokratie wurde entleert. Das entschuldigt aber keine Menschenfeindlichkeit. Stattdessen ist viel mehr Mitmenschlichkeit gefragt.

Die Linksfraktion im Landtag hat, veranlasst durch die Ereignisse um den Tröglitzer Bürgermeister, einen Antrag eingebracht, der all jene Leute stärken soll, die sich für Integration, gegen Rassismus und Ausgrenzung einsetzen. Wir sollten uns zurückholen, was uns gehört: Selbstachtung, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung.

Daher danke ich nochmals allen, die heute deswegen hergekommen sind.

Sie, ihr seid genau richtig!