In Berlin – und (H)alle dabei [8]

Die Kolumne von Petra Sitte zum Zusammenhang von politischer Arbeit in Bundestag und den Entwicklungen im Wahlkreis.

In der 8. Ausgabe geht es um die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Flüchtlingsunterkünften.

Es fällt schwer, übers Geld zu reden, wenn Bürgermeistern und engagierten BürgerInnen in Sachsen-Anhalt nach dem Leben getrachtet wird, weil sie sich für Flüchtlinge einsetzen; wenn Häuser angezündet werden, in denen Flüchtlinge Obdach finden sollen; wenn in Leitartikeln und Kommentarspalten gehetzt wird von RassistInnen jeder Couleur; wenn seit Monaten viel zu viele (w)irre Gestalten durch die Straßen ziehen mit ihrem Kreuzzug gegen Menschlichkeit. Es fällt wirklich schwer. Doch es ist wichtig, vor allem für die Betroffenen, die Flüchtlinge selbst.

Denn in ihrer Situation sind sie verständlicherweise in den allermeisten Fällen darauf angewiesen, dass ihre Unterbringung und ihr Lebensunterhalt durch öffentliche Gelder bestritten werden. Bisher tragen vor allem die Kommunen diese Kosten. Die Bundesländer beteiligen sich, allerdings von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. In Sachsen-Anhalt zahlt das Land pro Flüchtling eine pauschale Abgeltung an die Gemeinden, was nicht kostendeckend sein muss (und selten ist). Und der Bund hält sich vornehm zurück. Zwar wurde im November 2014 beschlossen, dass für 2015 und 2016 jeweils 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um die Belastung der Kommunen durch steigende Flüchtlingszahlen aufzufangen. Doch erstens reicht das Geld nicht aus (auf Sachsen-Anhalt entfallen z.B. pro Jahr nur ca. 13,5 Millionen Euro). Zweitens stellt es keine langfristig gesicherte Finanzierung dar und drittens handelt es sich de facto um einen Kredit an die Bundesländer, den diese in den kommenden 20 Jahren abstottern sollen. Es ist also niemandem damit geholfen außer der Bundesregierung, die sich kurz spendabel zeigen konnte.

Bereits Ende 2014 haben wir als Fraktion im Bundestag beantragt, dass die Kosten, die gemäß Asylbewerberleistungsgesetz für die Kommunen anfallen, schrittweise bis 2019 komplett vom Bund übernommen werden. Leider haben alle anderen Fraktionen im Haushaltsausschuss gegen unseren Antrag votiert. Dabei wäre dies tatsächlich eine Maßnahme gewesen um die Kommunen wieder in die finanzielle Lage zu versetzen, ihren sozialen und infrastrukturellen Aufgaben gerecht zu werden. Zugleich hätte die oft unwürdige Wohnsituation der Flüchtlinge bundesweit endlich verbessert werden können. Wobei dies nicht allein am Geld, sondern vor allem auch am politischen Willen scheitert, die unwürdigen, unsozialen und im Vergleich zur dezentralen Unterbringung sogar kostspieligeren „Gemeinschaftsunterkünfte“ flächendeckend abzuschaffen.

Das Geld, was die von uns gewünschte finanzielle Entlastung der Kommunen, eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und tatsächliche Integrationsbemühungen den Bund kosten würden, wird lieber anders investiert. Zum Beispiel in das nur schwach als „Grenzsicherung“ getarnte europäische Flüchtlingsabwehrkommando FRONTEX. Oder in den Bau neuer Abschiebegefängnisse.

Um es deutlich zu sagen: Der genannte Antrag hätte an den meisten flüchtlingspolitischen Missständen in diesem Land – an der mörderischen Abschottungspolitik, an der ökonomisch kalkulierenden Abschiebepraxis, an der mangelhaften Integrationsbemühungen durch Gesellschaft und Staat, am allgemeinen Rassismus – nicht direkt etwas ändern können. Aber er hätte klar gemacht, dass der Bund die Kommunen nicht allein lässt mit der Frage der Flüchtlingsunterbringung und finanzielle Räume geöffnet für eine Asylpolitik, die sich in erster Linie an Menschlichkeit und nicht am kommunalen Kassenstand orientiert.