Der Alterspräsident muss der Würde des Hauses entsprechen!

TOP 22)  Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss):  Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

hier: Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten (§ 1 Absatz 2 GO-BT) sowie weitere Änderungen in den §§ 93, 93a und 93b GO-BT;  Drucksache 18/12376

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Das Bundeswahlgesetz ermöglicht grundsätzlich Parteien, sofern sie die Fünfprozenthürde überspringen, in Länderparlamente und in den Bundestag einzuziehen. Unsere Demokratie bietet dabei auch Parteien politischen Handlungsspielraum, die das Bundesverfassungsgericht zwar nicht verboten, aber immerhin als verfassungswidrig bezeichnet hat. Eine starke Demokratie muss auch politische Positionen von Parteien ertragen, die sich gegen sie selbst richten. Insofern gebe ich all jenen recht, die sagen, dass diese Auseinandersetzung politisch geführt werden muss und Geschäftsordnungen dafür nicht herhalten sollten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Demokratie konnte und kann das aushalten, aber sie muss es nicht. Nicht alles muss sie aushalten, bestimmte Positionen ausdrücklich nicht. Im Gegenteil, diese fallen unter Verbotsgesetze. So ist Holocaustleugnung in zahlreichen europäischen Staaten illegal, darunter allen deutschsprachigen. Viele Staaten haben erweiterte Gesetze, die Holocaustleugnung als Verleumdung, als Rassismus oder zusammen mit der Leugnung von weiteren Völkermorden verbieten.

Es gibt nun aber Politiker, die bewusst immer wieder die furchtbaren Verbrechen der faschistischen Diktatur an Millionen Menschen, insbesondere die industriemäßig organisierte Vernichtung von Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, Homosexuellen und Menschen aus dem Widerstand, in Zweifel ziehen. Wer also von Holocaust als „Mythos“ und als „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“ bezeichnet, dem müssen wir allein seines erreichten Alters wegen nicht das Podium bieten, die konstituierende Sitzung des obersten Verfassungsorgans dieses Landes zu eröffnen,

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU))

mithin genau des Landes, welches aus seiner Geschichte gelernt hat und mit Blick auf nachwachsende Generationen weiter lernen muss. Die Eröffnungsrede eines solchen Politikers muss in seinem biografischen und politischen Kontext gesehen werden. Ich will ausdrücklich sagen, dass es dabei völlig zweitrangig ist, aus welcher Partei ein solcher Politiker kommt.

Meine Großeltern haben als Sozialdemokraten Widerstand gegen den Naziterror geleistet. Mein Opa war inhaftiert, und meine Oma hat sich mit zwei Töchtern durch diese schlimmen Zeiten mit Anstand und Würde gebracht. Ich könnte beiden nicht erklären, warum wir nicht verhindert haben, dass ein Politiker mit solchen Positionen Alterspräsident wird. Dieser Mann ist nur alt geworden, aber nicht weise; denn er will aus der deutschen Geschichte nichts lernen.

Ich sehe uns in der Verantwortung gegenüber Überlebenden und ihren Nachfahren. Ich glaube auch, dass der Bundestag in anderen Ländern Unverständnis und Fragen auslösen würde. Für mich gehört daher zu dieser politischen Auseinandersetzung, dass wir aktiv etwas dagegen tun. Zu unseren Möglichkeiten gehört eben auch, die Geschäftsordnung zu ändern.

Nun hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gesagt, es handele sich um einen guten Vorschlag zur falschen Zeit. Ich finde, jetzt ist sehr wohl der richtige Zeitpunkt, auch wenn dabei Abgeordnete jüngerer Parteien benachteiligt werden. Mithin sind diese schon einmal eine Legislatur nicht im Bundestag gewesen und können somit auch keine dienstältesten Abgeordneten haben.

In Abwägung all dieser Fragen haben wir uns in unserer Fraktion für eine Enthaltung entschieden.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)