Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung besonders stärken

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43. Sitzung des Deutschen Bundestags

Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten der Fraktion der FDP: Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern – Bildung und Forschung in den Mittelpunkt stellen Drucksache 19/2988


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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Na ja, ein bisschen liest sich der Antrag schon wie ein Textbaustein aus den gescheiterten Koalitionsverhandlungen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Er wird jetzt als Antrag recycelt; okay, kann man machen.

(Bettina Stark-Watzinger (FDP): Gute Ideen sind es immer noch!)

„Bildung ist die soziale Frage unserer Zeit.“ Ein Satz, wie in Stein gemeißelt, ist da in diesem Antrag zu lesen. Weiter sagen Sie, dass Sie der Zweiklassengesellschaft innerhalb des technologischen Wandels vorbeugen wollen. Okay. Diesem sozioökonomischen Blick werden Sie mit dem Antrag und mit Ihren Vorschlägen aber nicht gerecht. Warum? Weil Sie sich vor allem den technologischen und ökonomischen Anwendungsansprüchen zuwenden. Zukunftsfähigkeit von Forschung – ich rede hier vor allem von Forschung -, wie Sie es im Titel formuliert haben, verlangt ein komplexeres Herangehen.

Wissenschafts- und Technologieentwicklung haben sich erheblich beschleunigt. Anwendungen, bei denen es Probleme gegeben hat, sind oftmals nur schwer umzukehren, dominieren aber unsere Epoche – erst recht, wenn sie dann auch noch von marktbeherrschenden Unternehmen angeboten werden.

(Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): Hört! Hört!)

Gesellschaften ändern sich zivilisatorisch. Soziale Zusammenhänge, kulturelle Voraussetzungen, natürliche Ressourcen sollen eben nicht nur erhalten werden, sondern sie sollen sich auch ändern, und sie sollen das Potenzial zur Erneuerung bekommen können. Daher müssten eigentlich gerade jetzt Technikfolgenabschätzung, Transformationsforschung, Nachhaltigkeitsforschung ganz besonders gestärkt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mithin, meine Damen und Herren, gehen natürlich auch manche Probleme dieser Gesellschaft auf die Umsetzung wissenschaftlich gewonnener Erkenntnisse zurück. Diese neue Dimension der Verantwortung haben Politik und Wissenschaft gemeinsam zu tragen. Das heißt zum einen: Sensibilität für soziale, ökonomische und ökologische Konsequenzen muss Bestandteil von Forschung und Förderungsprogrammen sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Politik wiederum bedarf ihrerseits der Kompetenzbildung hinsichtlich der Forschungsinhalte und der Technologieentwicklung. Beides zusammen gehört in demokratische Diskurse – nicht nur in der Wissenschaft selbst, sondern vor allem in die Gesellschaft hinein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Klaus Töpfer hat mit Blick auf technologische Entwicklungen von einer Demokratiefähigkeitsüberprüfung gesprochen. Wir sagen: Analog dazu bedarf es jetzt auch einer Gemeinwohlüberprüfung; wir müssen das diskutieren. Insofern müssen beispielsweise soziale Innovationen einen viel höheren Stellenwert bekommen.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Richtig!)

Der Wohlstand der Nationen – um es mal mit Adam Smith zu sagen – kann nicht gemehrt werden, wenn die Perspektive der Betroffenen und der Anwenderinnen fehlt, wenn sozusagen nur in ökonomischer Anwendungslogik gedacht wird. Den Vorwurf einer solchen Einseitigkeit muss sich der FDP-Antrag gefallen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gesellschaftliche und wissenschaftliche Ansprüche gehören zusammen – in Forschungskonzeptionen, aber eben auch in Anwendungsszenarien. Genau das macht Zukunftsfähigkeit von Wissenschaft, Forschung und Bildung aus.

(Beifall bei der LINKEN)