In Berlin und (H)alle dabei – Was gemeint ist, wird nicht immer auch so gesagt

Woran denkt ihr, wenn ihr lest, dass eine Sitzung beendet wurde? Klar. Da saßen ein paar Menschen zusammen, die aus einem bestimmten Grund und mit einem bestimmten Ziel eine Sitzung abgehalten haben. Die Sitzung wurde erfolgreich abgeschlossen, also konnte sie beendet werden. Welches Bild habt ihr aber im Kopf, wenn die Sitzung abgebrochen worden wäre? Da lief wohl irgendetwas schief und die TeilnehmerInnen kamen zu keiner Einigung oder zerstritten sich, weshalb das Ziel nicht erreicht und die Sitzung vorzeitig abgebrochen werden musste. Zwischen einem Abbruch und einem Beenden liegen Unterschiede. Diese Unterschiede bewirken etwas bei uns im Kopf, wenn wir diese Begriffe hören oder lesen. Sie wecken sofort Assoziationen und Gefühle, die uns zum Handeln bewegen und uns eine Meinung bilden lassen.

So etwas nennt man Framing und so manche Medien und PolitikerInnen sind sehr geschickt darin, jene gedanklichen Deutungsrahmen zu nutzen, um die Meinung von BürgerInnen zu formen. Denn Sprache aktiviert jene Deutungsrahmen im Gehirn und verleiht Fakten eine Bedeutung, hebt Realitäten hervor oder lässt sie verschwinden, erklärt es die Linguistin Elisabeth Wehling.¹ Sie nutzt als Beispiel den Frame vom ‚Schwangerschaftsabbruch‘ – ein hochaktuelles politisches Thema – und erläutert, dass zunächst durch den Begriff ‚Schwangerschaft‘ ein Bild einer schwangeren Frau aktiviert werde. Beim Wort ‚Abbruch‘ denken wir an einen Prozess, der in guter Absicht begann und scheiterte. Ein Abbruch sei ein negativ besetztes Ereignis, das ein Versagen unterstelle. Das bedeute, dass eine Schwangerschaft also ursprünglich gewollt und dann aber nicht zu Ende gebracht werden wollte oder konnte, die Schwangere also versagte oder scheiterte, schreibt Wehling. Was in diesem Frame folglich verschwiegen werde, sei der Fakt, dass eine Schwangerschaft genauso gut auch von Anfang an nicht gewollt gewesen und aus diesem Grund vorzeitig beendet worden ist.² Sprechen wir also von einem Schwangerschaftsabbruch, dann werden Frauen, auf die letzteres zutrifft, verschwiegen. Auf diese Weise formt Sprache unsere Realität. So funktioniert übrigens auch das generische Maskulinum. Denken wir an den Arzt, assoziieren wir nicht unbedingt sofort auch die Ärztin mit. Die weibliche Hälfte verschwindet sprachlich und somit auch in der Wahrnehmung. Aber das ist eine ganz andere wichtige Debatte.

Übrigens hat schon ein weises Beuteltier auf den Umstand hingewiesen, dass Sprache Macht bedeutet und dies anhand der vertauschten Bedeutung der Begriffe ‚Arbeitnehmer‘ und ‚Arbeitgeber‘ erläutert. Denn wer gibt denn hier nun wirklich die Arbeit und wer nimmt sie? Es sei schließlich so, referiert das Känguru, „dass man dem Geber Dank schuldet, wohingegen der Nehmer zu danken hat […]“.³ Denn eigentlich gebe die/der ArbeitnehmerIn ihre/seine Arbeitsleistung der/dem ArbeitgeberIn und die/der ArbeitgeberIn nehme diese entgegen und nicht umgekehrt.ª Denkt da mal drüber nach – zum Beispiel bei der nächsten Steuerdebatte im Bundestag. Wenn wieder die Rede vom Steuerzahler beziehungsweise der Steuerzahlerin ist, hinterfragt mal die Bedeutung des Zahlens. Zahlen tun wir, so beschreibt es Wehling, nur für eine Leistung. Eine Steuerzahlung sei folglich eine Transaktion zwischen dem Staat und den BürgerInnen. Wir zahlen Steuern und das Dienstleistungsunternehmen Staat erbringt dafür eine Leistung. Die BürgerInnen werden durch diesen Frame von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossen. Das negiere eine gemeinsame Verantwortung von Staat und BürgerInnenschaft, obwohl dies doch eigentlich das Anliegen einer Demokratie darstellt.* Die BürgerInnenbeteiligung geht also schon bei der Steuer verloren. Kein Wunder, dass da Frust aufkommt.

Frust kommt auch auf, wenn es um das neue Wort ‚Transitzentrum‘ geht. Ein Zentrum ist der Mittelpunkt von etwas und ein Transit ist eine Durchfuhr oder eine Durchreise. Was steckt nun dahinter? Ein Zentrum für Menschen, die auf der Durchreise sind? Wohin? Die sogenannten Transitzentren dienen keiner Durchreise, sondern dem Festsetzen von Menschen, die auf der Flucht sind. Sie sind nicht auf einer Durchreise in den Urlaub, sondern versuchen vor einer Gefahr in Sicherheit zu kommen. Stattdessen werden sie nun in speziellen Lagern zentriert. Da hilft es auch nichts, den Begriff abzulehnen. Das Konzept dahinter ist menschenverachtend und muss umgehend verhindert werden.

Aufgepasst bei dem, was gesagt wird! Sprache bedeutet Macht und diejenigen, die wissen, wie sie die Sprache so einsetzen müssen, dass sie damit die Gedanken der Mitmenschen und so auch ihre Realität beeinflussen, üben große Macht aus. Wir sollten also immer mal wieder innehalten und die Begrifflichkeiten, die wir aus der Politik und den Medien zu hören und zu lesen bekommen, kritisch hinterfragen. Damit soll nicht gesagt sein, dass jene Bereiche Lügen erzählen. Von Fake News – also bewussten Falschinformationen – ist hier nicht die Rede. Aber Menschen neigen dazu, mit Hilfe der Sprache Sachverhalte zu verschleiern, zu beschönigen und damit Absichten zu verfolgen, die, wenn sie unreflektiert aufgenommen wird, Schaden anrichten, diskriminieren oder verschweigen kann.

¹ Wehling, Elisabeth (2016): Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht. Edition medienpraxis. Herbert von Halem Verlag, S. 17 f.

² Vgl. ebd., S. 148 f.

³ Kling, Marc-Uwe (2017): Die Känguru-Offenbarung. Ullstein Taschenbuchverlag, S. 117.

ª Vgl. ebd., S. 117.

* Vgl. Wehling (2016), S. 104 ff.