Rede: Digitale Planung braucht Investitionen und Strategie, keine Blockchain

149. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. März 2020 TOP 21 ZP 14 Digitalisierung des Planens und Bauens

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute zunächst einen Antrag, in dem die FDPFraktion ein sehr spezielles Verständnis von Technologiepolitik offenbart. Statt ausgehend von realen Problemen zu überlegen, welche Innovationen zu ihrer Lösung beitragen könnten und wie man diese fördern könnte, wird einfach mit einer Technologie angefangen, nämlich der Blockchain, und diese dann wahllos zur Lösung aller möglichen Probleme vorgeschlagen. Heute ist es die Planung von Großprojekten. Das ist aber nicht Ihr erster Antrag dieser Art. Ich will nur einige Ihrer Forderungen zum Thema Blockchain aus der Vergangenheit aufzählen – das ist jetzt Ihr Werbeblock; aber das müssen wir machen –:

(Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Ja, ist schön! Danke!)

Juni 2018: Umstellung der Katasterämter und der Grundbuchverwaltung auf Blockchain prüfen; Dezember 2018: Blockchain-Verfahren bei der Zollabwicklung aufbauen;

(Beifall des Abg. Dr. Jens Brandenburg [RheinNeckar] [FDP] – Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Jawohl!)

November 2019: Bildungsnachweise auf die Blockchain bringen.

(Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Der war sehr gut!)

Weil sich die FDP nun auf Teufel komm raus als Digitalisierungspartei verkaufen will, aber inhaltlich vergleichsweise wenig dahintersteht, bleibt Ihnen schlicht und ergreifend nichts anderes übrig, als auf jeden Hype aufzuspringen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)

Und welcher Hype war in den letzten Jahren größer als der um die Blockchain? Das ist eigentlich überraschend; denn hinter dieser Technologie steckt zwar durchaus eine geniale Idee, aber diese Idee ist eine zur Lösung eines ganz speziellen Problems, und dieses stellt sich mit der Schaffung einer digitalen Währung ohne verwaltende Instanz. Also: Für Kryptowährungen ist die Blockchain tatsächlich eine Basistechnologie. Andere sinnvolle Anwendungsfelder – und wir haben das im Ausschuss schon hoch- und runterdiskutiert – haben sich in den letzten Jahren trotz großer Bemühungen eben nicht gefunden. Da wird jetzt also fleißig versucht, für die Blockchain Lösungen zu finden, bei denen Daten dezentral verwaltet und manipulationssicher aufbewahrt werden sollen. Das klingt ja alles nicht schlecht;

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist auch nicht schlecht!)

aber nur selten wird der Versuch unternommen – Ihrerseits schon mal gar nicht –, zu erklären, warum dies nicht mit bereits vorhandenen Mitteln gehen soll, als da sind: gängige kryptografische Verfahren, gängige Datenbanktechniken ganz ohne die enormen Transaktionskosten und mithin auch enorme Energieverschwendung durch die Blockchain.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)

Im vorliegenden Antrag und in den von mir vorhin zitierten Anträgen steht dazu nicht ein einziges Wort. Es drängt sich also durchaus der Eindruck auf, dass hier einfach staatliche Aufträge generiert werden sollen für ein ganz bestimmtes Produkt – ein Produkt, für das es der Markt nicht schafft, irgendeine Anwendung zu finden, das aber letztlich doch irgendwie verkauft werden soll; keine Idee, die man von der FDP erwartet, und gut ist sie deswegen auch nicht. Nun fragt man sich ernsthaft, was die Antragsteller eigentlich glauben, worin die Probleme bei der Durchführung staatlicher Großprojekte bestehen, wenn die Blockchain die Lösung sein soll.

(Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Transparenz und Vertrauen!)

Ihr Antrag hebt beispielsweise die „Resistenz gegen Manipulation“ hervor. Ist der Flughafen BER tatsächlich wegen Manipulation nicht rechtzeitig fertiggeworden? Habe ich da was verpasst? Warum soll die Dezentralität der Datenspeicherung für solche Projekte so wichtig sein? Stehen die für die Planung zuständigen Behörden unter Manipulationsverdacht?

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja!)

Warum braucht man für automatisierte Zahlungsabwicklungen sogenannte Smart Contracts? Haben Sie ernsthaft die Sorge, dass der Staat untertaucht und Auftragnehmer auf ihren Forderungen sitzen bleiben? Bisher hat die öffentliche Hand doch immer tapfer nachgeschossen, ob das in Hamburg oder in Berlin war; das ist doch gerade vorhin angesprochen worden.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Genau! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Es geht um Zahlungsziele! Die öffentliche Hand zahlt zu spät!)

Wichtig ist doch vor allem, dass die mit der Planung befassten Stellen personell und finanziell gut ausgestattet sind, um die Planung kompetent durchführen und die Ausführung letztlich auch kontrollieren zu können. Und ja, zu dieser Ausstattung gehört eben auch eine entsprechende digitale Infrastruktur. Die Digitalisierung der Planung kann das Bauen allemal kostengünstiger machen – gar keine Frage –, effizientere Beteiligung ermöglichen und so eben auch einen Beitrag zu Klimaschutz, zu mehr Mitbestimmung, Demokratie oder ganz konkret zu mehr sozialem Wohnungsbau leisten, den wir ganz dringend brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür braucht man aber ganz sicher keine grundlegend neuen Technologien, sondern einfach öffentliche Investitionen in die entsprechenden IT-Verfahren unter Einbeziehung aller Beteiligten und im Rahmen einer am Gemeinwohl orientierten Strategie.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein solcher lösungsorientierter, technologieoffener und nicht nur an Unternehmensinteressen orientierter Ansatz wird ganz sicher zu besseren Ergebnissen führen als die Vorfestlegung auf ein – vor allem bei der FDP – sehr beliebtes Buzzword. Sie schreiben, Sie wollen Ihren Vorschlag evaluieren. Ja, was muss ich denn machen, um evaluieren zu können?

(Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Anfangen!)

Ich muss im Grunde genommen beide Ansätze durchziehen. Da ahne ich doch heute schon, was bei Ihrer Bewertung am Ende herauskommt. In diesem Sinne: Lassen Sie uns bitte weiter offen bleiben für technische Innovationen und deren Entwicklung. Aus meiner Sicht erscheint es allemal besser, nach passenden Lösungen für bestehende Probleme zu suchen als nach passenden Problemen für bestehende Lösungen. Danke.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)