Rede: Nationale Diabetes-Strategie

171. Sitzung des Bundestages vom 03. Juli 2020

Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c sowie Zusatzpunkt 29 auf: 21 a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Start einer Nationalen Diabetes-Strategie

 

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ja, Diabetes ist explosiv angewachsen in den letzten Jahren, und im Zuge der Pandemie hat sich gezeigt, dass der Verlauf von Covid-19 noch verschärft werden kann durch Vorerkrankungen wie eben Diabetes.

Die Zahl der Diabetes Erkrankten in Deutschland ist allein in den letzten 20 Jahren um dramatische 38 Prozent gestiegen. Es ist also in der Tat höchste Zeit, eine umfassende Strategie zur Eindämmung von Diabetes vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider lässt der Koalitionsantrag das Zeitfenster dafür sperrangelweit offen; denn es steht kein Termin drin. Die ressortübergreifende Strategie für Gesundheitsförderung und Prävention soll sozusagen grundiert werden durch ein Eckpunktepapier. Aber wann, wo, wie, was findet man nicht in dem Antrag. Da hätte ich mir ein ambitionierteres Vorgehen gewünscht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Medizinische Fachkreise – der Kollege von der FDP sagte es gerade – sprechen seit zehn Jahren von Diabetes als einer weltweiten Pandemie; schon allein daran zeigt sich, wie spät wir dran sind. Diabetes ist offensichtlich eben nicht allein mit Aufklärung und dergleichen mehr zu bekämpfen; vielmehr hat er auch strukturelle und sozioökonomische Ursachen. Pillen und Spritzen helfen da auch nur begrenzt. Warum sage ich das? Weil Tausende Menschen ihren Lebensstil eben nicht frei wählen können. So hat Bewegungsarmut auch mit der Art zu tun, wie wir arbeiten. Angestellte bei Lidl oder bei Amazon bekommen eben kaum Zeit, um sich zu bewegen; sie können nicht einmal in Ruhe auf Toilette gehen. Das sind Stressfaktoren. Das hat natürlich körperliche Auswirkungen und führt dazu, dass Diabetes begünstigt wird.

Und schließlich werden sie auch gezwungen, an Arbeitsplätzen zu sitzen oder zu stehen und sich nicht zu bewegen. Das ist nicht nur Tyrannei, das führt eben auch zu erheblichen gesundheitlichen Problemen. Arbeit darf nicht krank machen!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch ältere und erwerbslose Menschen leiden unter Bewegungsmangel und sozialer Ausgrenzung. Fehlernährung ist oft zu beobachten. Das betrifft nicht selten insbesondere arme Haushalte und dort wiederum insbesondere die Kinder. Kaufen Sie doch mal bei Lidl eine kleine Packung! Die beste Prävention wäre hier also in der Tat, Familienarmut konsequent zu bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und deshalb brauchen wir auch klare gesetzliche Vorgaben. Bis heute tut sich diese Regierung schwer, Anbietern Grenzen zu setzen – die Kollegin hat es angedeutet –, wenn es um Zucker geht, wenn es um Salz geht, wenn es um Fette geht. Ich erinnere nur an das ganze Geschwurbel um die Lebensmittelampel, oder ich erinnere an die hübschen Bilder einer Ministerin Arm in Arm mit Nestlé. Das war keine Pose, das war eine Posse.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Abschließend will ich sagen, dass sich öffentlich geförderte Diabetes-Forschung deutlich stärker – die Kollegen haben es auch schon bestätigt – auf Prävention, Versorgung und Pflege konzentrieren muss. Damit lässt sich in der Tat wenig Geld verdienen, aber sehr viel Geld einsparen. Vor allem bleibt den Menschen viel Leid erspart. Sie gewinnen Lebensqualität, Lebensfreude. Und das ist es, worum es uns am Ende hier bei unseren Strategien gehen sollte. Danke.

(Beifall bei der LINKEN)