Rede: Apotheken vor Ort stärken

174. Sitzung Berlin, Freitag, den 11. September 2020 TOP 28 a) Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken Drucksache 19/21732  b) Apotheken – Botendienste sichern und ausbauen Drucksache 19/22194  c) Sicherung einer patientennahen und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung durch Apotheken Drucksache 19/9699

 

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Patientinnen und Patienten müssen schnell an ihre Medikamente kommen können und dabei verlässlich beraten werden. Eine Schweizer Versandapotheke auf den Kaimaninseln mit der saudischen Königsfamilie als Anteilseigner hilft zwar, Steuern zu sparen, aber in aller Regel nicht den Patientinnen und Patienten.

(Beifall bei der LINKEN)

Nötig sind vielmehr Apotheken in Wohnortnähe, die in jedem Sinne die Sprache ihrer Patientinnen und Patienten sprechen und auch nachts und an Wochenenden für ihre Anliegen offen sind. Wir wollen Apotheken, die in ihr Umfeld, ob auf dem Dorf oder in der Stadt, eingebunden sind, die mit den Ärztinnen und Ärzten im Austausch stehen, die beim Medikationsmanagement helfen und die somit die „sprechende Medizin“ stärken. All das leistet der Versandhandel nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein in den vergangenen zehn Jahren haben mehr als 10 Prozent aller Apotheken aufgegeben. Mittlerweile liegt die Apothekendichte in Deutschland deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Das macht sich vor allem in den ländlichen Regionen arg bemerkbar. Deshalb brauchen die Apotheken vor Ort vom Bundestag aus ein klares Bekenntnis seitens der Politik. Ihr Apothekenstärkungsgesetz sieht zwar eine ganze Reihe von Verbesserungen vor; das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber Sie wollen beispielsweise auch das Honorar, das gerade in den Pandemiezeiten für die Botendienste so wichtig war, auf 2,50 Euro senken, also halbieren. Dafür schaltet ein Taxifahrer nicht einmal die Uhr an.

Für eine Kostendeckung haben wir, Die Linke, bereits vor längerer Zeit eine gesonderte Finanzierung vorgeschlagen und diese mit Qualitätsvorgaben verbunden. Wir wollen, dass entweder bei der Abgabe des Rezepts oder bei der Auslieferung des Medikaments durch pharmazeutisches Personal beraten werden kann und beraten werden muss. Meine Damen und Herren, warum drängen Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Apotheken in eine Konkurrenz zu internationalen Versandhändlern? Das verstehe ich nicht, auch weil Sie das im Koalitionsvertrag eigentlich anders versprochen oder zumindest in Aussicht gestellt hatten. Auch der Bundesrat fordert mehrheitlich – dort insbesondere Bayern; man staune –, dass die Versandhandelslösung nicht angestrebt wird. Ein solches klares Verbot gibt es im Übrigen in 21 von 28 EU-Staaten. Sie können darauf zurückgreifen, Herr Spahn, und Ihre EU-rechtlichen Bedenken zurückstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wohin uns Liberalisierung und Deregulierung – das sage ich insbesondere mit Blick auf die FDP – im Gesundheitsbereich in den letzten Jahrzehnten geführt haben, das hat die Coronakrise deutlich gezeigt. Sie sind das falsche Rezept, auch für Apotheken. Die Linke hat bereits vor einem Jahr einen Antrag zum Thema Versandhandelsverbot eingebracht. Schließlich will ich nicht unerwähnt lassen, dass es im vergangenen Jahr eine Petition mit einer Rekordzahl von über 420 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gegeben hat, die wir hier im Bundestag nicht übergehen sollten, wenn wir den Gesetzentwurf beraten. Wir als Linke wollen, dass Sie erst einmal den Koalitionsvertrag einhalten.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das macht ihr sonst aber nicht!)

Besten Dank.

(Beifall bei der LINKEN)