Grüne Gentechnik (Stellungnahme)

Stellungnahme als Berichterstatterin „Technikfolgeabschätzung“ der Fraktion DIE LINKE.

Als der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung im Sommer 2003 das Projekt zu Chancen und Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen mit geänderten Nutzungseigenschaften (sog. Output-Traits) in Auftrag gegeben hat, gab es seitens der Entscheidenden ganz sicher höchst verschiedene Motivlagen, an denen sich vermutlich (und einige Ausführungen haben das bereits deutlich gemacht) bis heute nicht wirklich etwas verändert hat – auch nicht durch diesen Bericht.

Die Schwankungsbreite reicht von offensiven BefürworterInnen der grünen Gentechnik über jene, die eine differenzierte Einzelfallbetrachtung für notwendig erachten bis zu jenen, die offensiv an der Verhinderung der Anwendung grüner Gentechnik arbeiten.
Meine Erfahrungen – in gleicher Weise beschreibt der Bericht die Situation – liegen erstens darin, dass die Auseinandersetzung nur in der maximalen Polarisierung öffentlich stattfindet bzw. öffentlich wahrgenommen wird. Zweitens erlebt man VertreterInnen beider Pole in der Bewertung immer wieder selektiv. Ergebnisse von Studien – gleich von welchem Auftraggeber – werden im Sinne der jeweils bestehenden Grundsatzposition bewertet und laufen Gefahr, instrumentalisiert zu werden.

Das wird dem vorliegenden Bericht wohl auch nicht erspart bleiben. Dessen sind sich der Projektverantwortliche und mit ihm die Autoren der parallel in Auftrag gegeben Studien bewusst. Das entwertet die Ergebnisse jedoch nicht! Stattdessen müssen „Weitwinkel und Tiefenschärfe“ des Berichts gewürdigt werden. Als ebenso sinnvoll erscheint, dass für den gesamten Bericht versucht wurde, Potenziale, Probleme und Perspektiven transgener Pflanzen der 2. und 3. Generation mit geänderten Nutzungseigenschaften an den Möglichkeiten und Erfahrungen alternativer bzw. bislang verfolgter Strategien zu messen. Damit ist zumindest eine Ausgangssituation geschaffen, welche die vom Autor als „Kommunikationsblockade“ charakterisierte „Konfliktkonstellationen“ nicht auch noch vertieft.

Das im Bericht festgestellte frühe Stadium aller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in diesem Bereich, lässt objektiv weder positive noch negative abschließende Bewertungen über den Nutzen und die Nutzung zu.

Wenngleich es graduell verschiedene Erkenntnisfortschritte in den Anwendungsfeldern Functional Food, Industrielle Stoffe und Pharmazeutika – letztere mit leichterem Vorsprung – gibt, so ist doch durchgängig einzuschätzen, dass die Ergebnisse deutlich hinter früheren Erwartungen zurück geblieben sind. Erstens waren die Erwartungen zu hoch, zweitens haben diese Erwartungen die Komplexität der Änderungen in allen Bereichen und damit anzunehmende Zeithorizonte unterschätzt und drittens sind zwischenzeitlich inhaltliche Kurskorrekturen in der Forschungslinie selbst vorgenommen worden.

Diese Kurskorrekturen haben mit Problemen im Forschungsgegenstand selbst und mit ökonomischen Unwägbarkeiten zu tun, die ihrerseits aus Nachteilen der neuen gegenüber der bisherigen Herstellungsstrategie resultieren. Letztlich reflektieren die Korrekturen – insbesondere bei Functional Food – auch die nach wie vor große Skepsis bis Ablehnung potentieller KonsumentInnen.

Bemerkenswert ist, dass der Forschungsstand an neuen gentechnisch veränderten Pflanzen keinerlei Anlass zu euphorischer Grundstimmung bietet. Es ist klar, die Entwicklungen werden mühselig bleiben und viel Zeit sowie hohe Aufwendungen erfordern. Mancher GVP-Ansatz wird überhaupt erst dadurch interessant, dass sich das Umfeld für bisherige Produktionsstrategien gravierend verschlechtert oder durch Optionen der so genannten „Doppelnutzung“.

Vor diesem Hintergrund wird die Auffassung geteilt, dass eine umfassende gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Debatte notwendig bleibt. Eine Debatte, die vor allem auch die Vermittlung von Wissen und Kompetenzbildung ermöglicht. Daran müssten Ablehner, Skeptiker und Befürworter gleichermaßen interessiert sein.

Transparenz zu schaffen, gehört zu den Grundlagen für mündige, demokratische Bürgerentscheidungen. Es geht nicht nur um die ich-bezogene Frage, wie man es mit der grünen Gentechnik hält, sondern auch um die Entscheidung über den Umgang mit gesellschaftlichen, mit öffentlich geförderten Ressourcen. Da ist der Feststellung zuzustimmen, dass man nicht über Jahre zig Millionen in die Forschung stecken kann, um dann am Ende die Umsetzung bzw. das Inverkehrbringen zu verbieten!

Die bereits angeschnittene Frage überzogener Erwartungen – es sei dahingestellt ob diesen eher naive oder bewusst ignorante Motive zugrunde lagen – stellt sich nach diesem Bericht jedoch erneut. Immerhin ist deutlich geworden, dass die Datenlage seriöse Einschätzungen noch nicht zulässt. Was als „Konkretisierung von Visionen und Szenarien“ an Überlegungen unterbreitet wird, findet weitgehend Zustimmung.

Der Vorschlag einen „Fortschrittsbericht der Bundesregierung zum Stand öffentlich finanzierter Aktivitäten im Zusammenhang von Erforschung, Zulassung, Anbau und Vermarktung von GVP“ sollte ebenso wie die bereits angedeuteten inhaltlichen Elemente aufgegriffen werden. Ebenso sind die zu beteiligenden Seiten und die betroffenen Politikfelder in ihrer jeweils spezifischen Verantwortung zu integrieren. Mit Blick auf die Technologieplattform auf Ebene der EU haben wir auf nationaler Ebene erheblichen Nachholbedarf.

Wenn im Bericht nachdrücklich infolge der Komplexität der Eingriffe und ihrer Folgen auf eine qualitativ geänderte Risikobewertung, auf eine neue Situation der Risikoregulierung und des Risikomanagements hingewiesen wird, dann ist in der Tat Sicherheitsforschung nicht mehr nur als Begleit-, sondern vor allem als „Voraussetzungsforschung“ zu verstehen und auszustatten.

Der vorliegende Bericht bedürfte in den Stellungnahmen eigentlich auch einer Würdigung der vielen hochinteressanten fachlichen Details. Das ist in der gegebenen Zeit leider überhaupt nicht zu leisten. Insofern bleibt jede Stellungnahme fragmentarisch – auch diese.

Ich schließe in der Hoffnung, dass die heutige Veranstaltung tatsächlich weitere Impulse für eine öffentliche gesellschaftliche Debatte, für politische Meinungsbildung und –entscheidung setzen kann. Ich danke nochmals jenen, die am Bericht und an der Vorbereitung der Veranstaltung gearbeitet haben.