Wissenschaftsfreundliches Urheberrecht muss Open Access fördern

 

TOP 19) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – Drucksache 17/5053

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– Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ergebnisse von öffentlich geförderter Wissenschaft werden heute all zu oft in privatwirtschaftlichen Wissenschaftsverlagen publiziert. Dafür erhält der Verlag bis zu 80 % seiner Kosten durch Zuschüsse des Autors oder Herausgebers abgesichert. In der Regel geben Wissenschaftler diese Kosten an ihre Auftrags- und Arbeitgeber, also erneut die öffentliche Hand, ab. Bei stetig steigenden Endpreisen kaufen dann die Bibliotheken und Archive der Wissenschaftseinrichtungen wiederum mit öffentlichen Geldern diese Publikationen. Falls ihr Etat dafür ausreicht.

Durch diese Praxis werden die Verlage mehrfach aus der öffentlichen Hand subventioniert. Weiter wird es für Wissenschaftseinrichtungen immer schwerer, Forschungsergebnisse auch in den Archiven bereitzustellen. Durch diese Praxis wird öffentliches Geld privatisiert und freier Informations- und Wissensfluss eingeschränkt.

Einem Versuch, dieses System zu durchbrechen, stehe ich deshalb zunächst immer positiv gegenüber. Entsprechend begrüße ich grundsätzlich den Gesetzentwurf der SPD zum Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Publikationen.

Würde Wissenschaftlern ein solches Recht unabdingbar eingeräumt, wäre die Grundlage dafür geschaffen, dass Wissenschaftler mit der Zweitveröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse eine allgemein zugängliche Wissensdatenbank ohne Bezahlschranken aufbauen könnten. Es wäre ein großer Schritt auf dem Weg zur Förderung und Durchsetzung von Open Access Publikationen.

Der Entwurf der SPD steht im Einklang mit den Forderungen des Bundesrates und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die beide seit 2006 beziehungsweise Sommer 2010 die Einführung eines Zweitverwertungsrechts vorschlagen. Auch wird die Zweitverwertung explizit als Recht des Urhebers und nicht als Pflicht ausgestaltet. Es sollte also mit der gängigen Rechtsauslegung der Wissenschaftsfreiheit kompatibel sein, die diese interpretiert als Freiheit der Wissenschaftler, über die Art und Weise der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse zu entscheiden.

Um es ganz klar und deutlich zu sagen: die Einführung eines Rechtes auf Zweitveröffentlichung stärkt die Urheber. Kein Verlag darf von ihnen verlangen, alle Veröffentlichungsrechte exklusiv und auf Dauer abzutreten.

Dennoch, der Entwurf der SPD geht an einigen Stellen nicht weit genug. Es ist mir nicht ersichtlich, warum das Zweitverwertungsrecht nur für Beiträge in Sammelwerken und Periodika gelten soll. Auch Monographien wie Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften werden aus öffentlichen Mitteln gefördert. Warum muss ein zweifelsfrei dringend nötiges Zweitverwertungsrecht an den §38 angebunden sein, der sich auf Sammelwerke beschränkt?

Auch die unterschiedlichen Embargofristen bei Erst- und Zweitverwertung mit sechs beziehungsweise zwölf Monaten erschließen sich mir noch nicht. Warum sieht der Entwurf im Vergleich zum bestehenden §38 (1) die Verkürzung auf ein halbes Jahr nur bei Periodika, nicht aber bei Sammelwerken vor? Ist eine Embargofrist überhaupt nötig oder könnten wir nicht etwa auf Formatgleichheit der Zweitpublikation verzichten und dafür die Embargofristen deutlich verkürzen oder weglassen?

Nicht zuletzt erscheint mir die Beschränkung des Zweitverwertungsrechts auf nichtkommerzielle Publikationen problematisch. Geschäftsmodelle wie hybrides Publizieren, in der nur die digitale Version der Publikation frei zugänglich ist, der Kauf des gedruckten Werks aber kostenpflichtig ist, werden so schwieriger durchzuführen sein.
Das von der SPD verfolgte richtige Ziel, durch die Einführung eines Zweitverwertungsrecht Open Access Publikationen zu erleichtern und zu fördern, wird so teilweise gefährdet.

Dies ist übrigens ein Punkt, den es generell zu bedenken gilt: Ein Zweitverwertungsrecht erleichtert Open Access. Eine umfassende Open Access Strategie aber ist damit nicht erreicht. Damit offener Zugang(!) zu wissenschaftlichen Publikationen in der Breite möglich wird, muss Open Access als Nutzungsrecht verstanden werden. Da von würden auch Wissenschaftler in ihrer Recherche profitieren, die dann aber gegebenenfalls zur Open Access-Publikation ihrer Ergebnisse verpflichtet werden sollten. Dass dies im gegebenen rechtlichen Rahmen viel schwieriger umzusetzen ist als der von der SPD vorgeschlagene erste Schritt, ist mir bewusst. Wir sollten dennoch hier nicht stehen bleiben.