Sicherheit ist nicht nur ein technologisches Problem

TOP 7a) Antrag der Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten der Fraktion der FDP: Forschung für die zivile Sicherheit, Drs. 17/8573
b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Rahmenprogramm der Bundesregierung „Forschung für die zivile Sicherheit (2012 bis 2017)“, Drs. 17/8500

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Das Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ von 2007 bekommt jetzt eine Neuauflage; das ist schon erwähnt worden. Diese nennt sich nunmehr allerdings „Rahmenprogramm“ und verliert leider wie alle Rahmenprogramme, die die Bundesregierung bisher aufgelegt hat, an Konkretheit.

Allerdings sollen jetzt die gesellschaftlichen Dimensionen von Sicherheitsforschung von Anfang an mit untersucht werden. Das findet die Linke richtig; wir haben das hier auch schon mehrfach gefordert. Immerhin gibt es im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheitsrechten, von Sicherheit und Kontrolle viele offene Fragen. Die Erfahrungen zeigen nämlich, dass bisher noch jede neue Technologie, Herr Neumann, auch neue Probleme aufgeworfen hat.

(Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Richtig!)

Niemand sollte jedoch ignorieren, dass für unsere Gesellschaft Konflikte und Unsicherheiten typisch sind, Unsicherheiten, die oftmals überhaupt nicht technologischer Natur sind; man denke nur an soziale Unsicherheiten. Viele Menschen verunsichert und sorgt, dass sie ihr Leben immer weniger selbstbestimmt planen und gestalten können ? ganz zu schweigen natürlich von akuten Krisensituationen, Katastrophen und natürlichen Gefahrenlagen.

Die ständigen Diskussionen über klamme öffentliche Kassen stärken nun auch nicht gerade das Sicherheitsempfinden der Menschen, und diesen Umstand machen sich nun Technologielobbyisten zunutze. Es scheint doch nur logisch, dass Risiken wenigstens durch neue Technologien minimiert werden sollen, wenn man schon nicht in der Lage zu sein scheint, den Einsatz von Mitteln und Personal für die Arbeit von Sicherheits-, Rettungs- und Katastrophenschutzbehörden zu steigern. Aus diesem politisch verursachten Dilemma wiederum zieht ein ganzer Industriezweig, nämlich die Sicherheitsindustrie, ausgesprochen satten Nutzen.

Viele Technologien waren und sind nur breit einsetzbar, wenn freiheitliche Normen und Grundrechte eingeschränkt werden. Ich erinnere an solche Dinge wie die Weitergabe von Flug- und Bankdaten, an biometrische Merkmale in Personaldokumenten, an die europaweite Speicherung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerdaten, an den Datenstriptease, den Empfänger von Sozialleistungen hinlegen müssen, an den Nacktscanner, der sich nicht bewährt hat und in anderen Ländern längst wieder abgeschafft wird, jüngst auch an den Staatstrojaner, Herr Neumann,

(Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Genau!)

sowie an die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke hat diese Entwicklung und das technologiezentrierte Herangehen der Bundesregierung hier immer wieder kritisiert. Viel zu viele Menschen misstrauen diesen neuen Technologien, weil sie sie nicht verstehen, weil sie sie nicht kontrollieren können und weil sie sie weder anwenden können noch anwenden wollen; auch das muss man in Rechnung stellen. Letztlich werden damit wieder neue Unsicherheiten und neue Risiken produziert, und wir brauchen uns dann nicht über die vielen kontroversen gesellschaftlichen Debatten zu wundern.

Alles in allem ergeben sich daraus also gute Gründe, seriös zu forschen. Dazu gehört natürlich, frühzeitig einen gesellschaftlichen Dialog über Sinn, Nutzen und Anwendungszweck von neuen Sicherheitstechnologien zu organisieren. Aber für das vorliegende Rahmenprogramm galt das offensichtlich nicht; denn darauf darf die gesellschaftliche Öffentlichkeit jetzt nur noch reagieren. Das nenne ich einen Fehlstart. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme.

(Beifall bei der LINKEN)

Vertrauen, meine Damen und Herren, ist aber gerade in diesem Bereich enorm wichtig; es ist die Grundlage.

Ich darf hier auch einmal daran erinnern, dass so mancher ehemalige Politiker, der vormals Sicherheitstechnologien hier massiv vorangetrieben hat, später Plätze in Aufsichtsräten oder Beraterverträge in der Sicherheitsindustrie bekommen hat.

Nun, Herr Rachel, setzen Sie auch noch auf sogenannte Sicherheitspartnerschaften. Und als hätte man nichts gelernt, wird die Verlagerung hoheitlicher Aufgaben des Staates an Private in grundrechtlich höchst sensiblen Bereichen längst vorbereitet. Herr Rachel, Sie haben gesagt, dass es sich hier um eine Kernaufgabe des Staates handelt. Aber das stimmt einfach nicht; denn Ihr praktisches Handeln sagt etwas anderes. Zudem ist eine Folge dieser Situation, dass Sie der Industrie nicht nur das Geld für Forschung und Entwicklung, sondern anschließend an sie auch noch Aufträge vergeben. Damit finanzieren Sie deren Geschäftsmodell. Das halten wir für höchstproblematisch. Das ist nicht staatliche Aufgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns gehört die Aufklärung über solche Zusammenhänge und über Alternativen zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog. Schließlich darf der Einsatz von Sicherheitstechnologien nicht dazu führen, dass sich die Bundesregierung am Ende aus ihrer Verantwortung stiehlt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Lesen Sie auch dazu  „Das Parlament“ vom 13.02.2012