Gesetzentwurf „Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ verdient Namen nicht

TOP 8) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen (Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG), Drucksachen 17/10037, 17/10123, 17/11046

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, den die Koalition gewissermaßen in einem Anflug von Hochstapelei als Wissenschaftsfreiheitsgesetz bezeichnet hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulla Burchardt (SPD) ? Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Patrick Meinhardt (FDP): Das ist Hochstapelei, was Sie machen!)

Genau genommen ? Herr Röspel hat schon darauf hingewiesen ? geht es gar nicht um Wissenschaftsfreiheit. Vielmehr geht es darum, dass Institutsleitungen, Präsidien und Forschungsministerien mehr Handlungsspielraum bekommen sollen.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Also mehr Freiheit!)

Insofern wäre es allemal ehrlicher gewesen, wenn Sie das ganze Konstrukt „Wissenschaftsmanagementgesetz“ genannt hätten. Aber nein, so wie man Sie so kennt, schlagen Sie lieber ein bisschen Schaum auf einer Pfütze, die ziemlich flach, trübe und natürlich auch klein ist.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Hey! Wir sind doch nicht beim Karneval!)

Die Linke fürchtet nach den Erfahrungen der letzten Jahre allerdings, dass die Wissenschaftsfreiheit eher verliert als gewinnt. Das will ich Ihnen gerne erklären.

Das Problem liegt gar nicht so sehr in den acht schlichten Paragrafen, für die Sie immerhin drei Jahre gebraucht haben, sondern vielmehr in dem, was gerade nicht in dem Entwurf steht. Jetzt wollen Sie sozusagen Globalhaushalte einführen, Sie wollen Stellenpläne abschaffen, Sie wollen, dass sich die Einrichtungen leichter an Unternehmen beteiligen können. Schließlich sollen die einrichtungseigenen Kompetenzen bei Bauverfahren erweitert werden.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Gut erkannt!)

Insoweit könnte man jetzt meinen, dass Entwarnung signalisiert werden könnte ? wenn sich nicht in den letzten Tagen ausgerechnet der Bundesrechnungshof kritisch bis ablehnend zu Wort gemeldet hätte.

(Patrick Meinhardt (FDP): Na und?)

Aber auch das haben Sie in der gestrigen Turboberatung im Bildungsausschuss ganz tapfer ignoriert.

(Patrick Meinhardt (FDP): Noch bin ich frei gewählter Abgeordneter!)

Für die Linke ergeben sich, wie ich es schon angedeutet hatte, Probleme vor allem aus dem, was nicht in diesem Gesetz enthalten ist. Sie zelebrieren sozusagen den Rückzug aus angeblicher staatlicher Detailsteuerung und verkennen gänzlich, dass Sie sich auch aus Ihrer politischen Verantwortung zurückziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit solchen Fragen, wie man in den Einrichtungen, wenn man ihnen schon mehr Autonomie einräumt, mehr Transparenz oder größere Mitbestimmung für ihre Beschäftigten schaffen kann, haben Sie sich schon gar nicht belastet.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Das ist auch nicht unsere Aufgabe!)

Hierzu will ich Ihnen gerne ein Beispiel nennen: Wenn man auf Stellenpläne verzichtet und das Besserstellungsverbot für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufhebt,

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ein Meilenstein!)

dann ergeben sich daraus nicht nur für diese Gruppe, sondern für alle Beschäftigten Konsequenzen. Warum ergeben sich für alle Beschäftigten daraus Folgen: Weil das Besserstellungsgebot nicht für alle Beschäftigten gilt; Herr Röspel hat das bereits angedeutet. Es soll nur für das Personal gelten, das einen sogenannten wesentlichen Beitrag zum wissenschaftlichen Prozess leistet.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): § 4!)

Dahinter verbirgt sich ? das sage ich für die Zuhörerinnen und Zuhörer ? die Möglichkeit, dass sogenannte Spitzenkräfte, die gewonnen werden können oder sollen, in ihren künftigen Einkommen aus Drittmitteln aus privatwirtschaftlicher Auftragsforschung bessergestellt werden können.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Was ist denn gegen Spitzenkräfte einzuwenden?)

Für diese Gruppe ist so etwas also möglich. In diesem Falle gehen Sie auch über die Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes hinaus.

(Patrick Meinhardt (FDP): Sehr gut!)

Allerdings wollen wir an dieser Stelle einmal festhalten, dass diese Praxis bereits vom Bundesrechnungshof kritisiert worden ist, weil sie in den letzten Jahren intransparent gestaltet worden ist. Daher fordert der Bundesrechnungshof klare Regeln und eine Gehaltsobergrenze. Ich kann mich da dem Bundesrechnungshof nur anschließen.

(Beifall bei der LINKEN ? Dr. Peter Röhlinger (FDP): Klar! Das glaube ich!)

Meine Damen und Herren, wieso wird eigentlich das Personal in den Laboren, an den Großgeräten und im Wissenschaftsmanagement ausgeschlossen?

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Werden sie nicht!)

Ich frage: Wieso werden Beschäftigte, insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs im Mittelbau, ausgeschlossen? Wissenschaftliches Arbeiten ist viel komplexer geworden; man kann das gar nicht mehr so abgrenzen. Deshalb kritisieren wir es.

 Ich erinnere daran: Wir haben hier schon mehrfach darüber geredet, dass drei Viertel der Beschäftigten befristetet angestellt sind, was übrigens ein Hauptgrund dafür ist, dass neu gegründete Einrichtungen beispielsweise in den neuen Bundesländern überhaupt keine Interessenvertretung mehr haben. Da gibt es gar keinen Betriebsrat, weil die Beschäftigten im Wesentlichen befristete Verträge haben. Das muss man schon kritisieren.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wir haben doch die Linke!)

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir hier im Bundestag alle gemeinsam schon einen Antrag zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses beschlossen haben.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ja, richtig! Aber nicht in diesem Gesetz!)

Also müsste man nicht nur eine Art Wissenschaftsmanagementgesetz vorlegen, sondern auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ändern. Sie müssten die Tarifsperre aufheben, damit die Tarifpartner bessere Bedingungen schaffen können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Tankred Schipanski (CDU/CSU): Sie müssen mal schauen, wer zuständig ist! Das sind die Länder, nicht der Bund!)

Wer gute Forschung will, muss gute Arbeitsbedingungen bieten, und das auf allen Ebenen, auf allen Karrierestufen und für alle Beschäftigten.

Fazit: Dieses erste Bundesgesetz für die Forschung hätte eine Initialzündung für eine Zukunftsdebatte geben können, für eine Debatte über die Frage, wie die Wissenschaftslandschaft von morgen aussehen soll, über die Profile und Aufgaben unserer Forschungsorganisationen, über moderne, digital vernetzte Wissenschaft und schließlich über gute Arbeit in den Wissenschaftseinrichtungen.

(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Das ist nicht der Zweck des Gesetzes!)

Das alles findet nicht statt. Das gibt auch dieses Gesetz nicht her. Deshalb hat es den hochtrabenden Namen „Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ auch nicht verdient.

Ich will nur noch sagen, dass dieses Gesetz aus diesen Gründen für uns nicht annehmbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

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DIE LINKE legt zur heutigen Debatte einen Entschließungsantrag vor.