Schutzdauer kompatibel mit der Innovationsgeschwindigkeit der digitalen Welt?

TOP 23) Patentierung von Computerprogrammen < Drucksache 17/13086/ >

– Rede zu Protokoll –

Im vorliegenden Antrag ist die grundlegende Problematik von Softwarepatenten treffend beschrieben. Nehmen wir nur folgenden Ausschnitt: „Die Abstraktheit der Patentansprüche hat zur Folge, dass ein softwarebezogenes Patent alle individuellen Ausführungen der geschützten Problemlösung in konkreten Computerprogrammen erfasst.“

Das bedeutet in einfachen Worten: Selbst wenn eine Programmiererin für ein ähnlich gelagertes Problem eine ähnliche Softwarelösung findet, kann ihr die Verwendung dieser Lösung im eigenen Programm einfach untersagt werden. Genau dies führt zu den absurden Patentstreitigkeiten, wie wir sie zuletzt rund um Smartphones erleben durften. Diees birgt massive Rechtsunsicherheiten, die ein Unternehmensrisiko darstellen, dass ohne gut aufgestellte juristische Abteilungen eines großen Konzerns kaum eingegangen werden kann und somit insbesondere kleinere Softwarefirmen und einzelne Entwicklerinnen und Entwickler massiv benachteiligt. Matthias Kirschner von der Free Software Foundation Europe hat darauf in seiner Stellungnahme für die Anhörung zum vorliegenden Antrag hingewiesen. Er schreibt: „Dadurch, dass ein Produkt meist Hunderte von Programmen enthält, ist es auch nach Verbesserung der Suchen nach Patenten unmöglich sicherzustellen, dass keine Patente verletzt werden.“

Weiter ist ein solch umfassender Schutz schlicht lebensfremd. Software wird ja oft inkrementell weiter entwickelt. Das heißt, bestehende Lösungen werden in neuen Code eingebunden. Programmierinnen und Programmierer befruchten sich so in ihrer Arbeit gegenseitig. Patente auf Software behindern dieses Zusammenspiel von bestehendem und neuem Code insbesondere in der Entwicklung freier Software, aber auch Innovationen bei proprietären Systemen.

Auf der anderen Seite sind komplexe Softwareprogramme derart aufwändig zu programmieren, dass heute schon viele Firmen gern auf freie Software zurückgreifen, weil ein Nachbau des Codes viel zu aufwändig wäre. Die spezifische Anpassung der Software an das eigene Produkt ist dabei oft Arbeit und Alleinstellungsmerkmal genug, um sich vor billigen Copycats zu schützen. Insofern ist auch in abschließender Lesung noch einmal zu fragen, warum der Antrag nur eine enge Beschränkung von Softwarepatenten fordert und nicht ein weitergehendes Verbot formuliert.

Dennoch, die Beschränkung der Patentierungsmöglichkeiten geht in die richtige Richtung. Auch die Betonung des Urheberrechts als Schutzrahmen für die Programmierleistung ist an sich zunächst systematisch folgerichtig, stellt dieses doch auch den Rahmen für die Lizenzmodelle dar, die die Verwendung freier Software regeln. Das Urheberrecht bietet ja bereits einen einheitlichen Rechtsrahmen für freie und proprietäre Software.

Gleichwohl hätte es dem Antrag gut getan, nicht nur darauf hinzuweisen, dass Softwareentwicklerinnen und –entwickler durch die aktuelle Patentierungspraxis „faktisch die urheberrechtlich vorgesehenen Verwertungsrechte an ihren selbst geschaffenen Computerprogrammen“ verlieren. Hier müssten sinnvollerweise Vorschläge hinzukommen, wie auch im Softwarebereich angemessene Vergütungen sowie das Recht der Urheberinnen und Urheber, selbst über die weitere Nutzung ihrer Arbeitsergebnisse zu entscheiden, flächendeckend durchgesetzt werden können. Stichwort: Buy Out.

Nicht zuletzt bleibt ein großes Problem des Urheberrechts hier gänzlich unberührt: Während ein Patentschutz maximal 20 Jahre nach Erteilung des Patents erlischt, bleibt der urheberrechtliche Schutz bekanntermaßen bis 70 Jahre nach dem Tod der Softwareentwicklerinnen und -entwickler bestehen. Natürlich gilt das für Computerprogramme längst und würde nicht erst durch die Umsetzung des vorliegenden Antrags neu eingeführt. Ob aber eine solche Schutzdauer dauerhaft kompatibel mit den Innovationsgeschwindigkeiten der digitalen Welt ist, sei dahingestellt.