Forschungssförderung mit Plan und Ziel statt Steuergeschenke mit der Gießkanne

TOP 16: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU-Forschungsförderungsgesetz) Drs. 18/7872, 18/9840
————

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Um mal gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Es bleibt dabei – das hat auch die Anhörung ergeben –: Die Wirkung steuerlicher Forschungsförderung ist umstritten.

Manche Studien sehen keine positiven Effekte durch eine Zunahme von Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf volkswirtschaftlicher Ebene. Andere wiederum sehen immerhin einen Zuwachs an Forschungsausgaben durch die Privatwirtschaft. Dritte wiederum sehen diesen Effekt gerade nicht bei den von diesem Gesetzentwurf adressierten Zielgruppen, und noch weniger angesichts des vorgeschlagenen Finanzvolumens. Unsicher ist auch, ob sich der Zertifizierungsaufwand für kleine Unternehmen, von denen in diesem Gesetzentwurf vor allem die Rede ist, nach dem vorgeschlagenen Modell überhaupt lohnt. Die Ökonomieprofessorin Marianne Mazzucato, die gestern gefeierte Gastrednerin beim SPD-Wirtschaftsempfang war

(René Röspel [SPD]: Ja! Wir laden solche Leute ein, um davon zu lernen!) – und ich habe ihr Buch gelesen –, (René Röspel [SPD]: Das ist noch besser! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch!)

hat in ihrem Buch Das Kapital des Staates die Ergebnisse steuerlicher Forschungsförderung wie folgt bilanziert – ich zitiere –: Steuererleichterungen sind eher ein willkommenes Geschenk für Firmen, die sowieso schon in Forschung und Entwicklung investieren. Es ist also durchaus verständlich, dass Unternehmerverbände dieses Geschenk gern zusätzlich hätten. Aber weder ist es besonders geeignet, kleine und mittlere Unternehmen überhaupt zum Forschen anzuregen, noch ist es ein Mittel – darum müsste es ja auch und gerade den Grünen gehen –, gezielt Innovationspotenziale einer bestimmten Branche zu stärken. Frau Mazzucato zeigt an den Erfolgen beispielsweise von Silicon Valley, der Medikamentenentwicklung und dem recht jungen Industriezweig Biotech, wer wirklich die bahnbrechenden Innovationen finanziert.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Gegen die Sie alle sind!)

Es sind gerade auch in den USA staatliche Förderprojekte, projektbezogene Kredite des Staates und staatliche Forschungseinrichtungen, die das eben tun, und wir sollten ja nach Ihrer Intention den Blick über den Tellerrand heben. Die bedeutende Eigenleistung der Unternehmen im Innovationsprozess beginnt erst mit der schlauen Kombination anwendungsreifer Technologien. Führend bei der Vermarktung dieses Wissenstransfers von der öffentlichen Hand in die Privatwirtschaft ist Apple. Mit dem iPhone hat Apple 2007 die IT-Branche, unser Kommunikationsverhalten und die Digitalisierung auf den Kopf gestellt.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Suchen Sie einen neuen Sponsor, Frau Kollegin? – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist aber kein KMU!)

Grundlegend neu und anders und damit den Erfolg des heutigen Smartphones begründend, waren unter anderem die Touchscreens und das Scrollen mit den Fingern. Beide Technologien aber wurden wie alle anderen Neuerungen durch programmatische staatliche Förderung entwickelt, das heißt teilweise auch mit jahrzehntelangem Vorlauf. Das spricht also durchaus für langen Atem auf der staatlichen Seite.

(Beifall bei der LINKEN)

Apple selbst wiederum verringerte trotz steuerlicher Forschungsförderung seine eigenen FuE-Ausgaben zwischen 2001 und 2011 von 8 auf 2,2 Prozent des Umsatzes.

(René Röspel [SPD]: Kein Wunder, wenn der Umsatz gewaltig steigt!)

– Ja, das sei in Rechnung gestellt; aber da haben wir schon aufgepasst. – Die letzte große Innovation im Apple-Kosmos, die Sprachassistenz Siri, beruht wiederum auf Projektförderung durch den Staat. Dass grundlegende Innovation nicht aus der Privatwirtschaft kommt, ist dabei also nur folgerichtig. Das Ausfallrisiko für solche Investitionen ist von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung schlicht und ergreifend – das wird jeder nachvollziehen können – viel zu hoch. Was für kalifornische Weltkonzerne gilt – deshalb habe ich das Beispiel auch hier angeführt –, gilt erst recht für kleine und mittlere Unternehmen. Da helfen die 15 Prozent Steuerbonus auch nicht weiter. Wir müssen uns also als Gesellschaft angesichts der globalen ökologischen und sozialen Herausforderungen fragen, welche Innovationen wir tatsächlich brauchen und welche wir tatsächlich auch haben wollen,

(Beifall bei der LINKEN)

und daran sollte sich Forschungsförderung ausrichten. Diese kann am Ende gerne vermarktbar sein; da sind die Linken die Letzten, die etwas dagegen haben.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Das ist aber lieb! Danke!)

So können also dann wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen durchaus nachhaltige Produkte und Verfahren herausbringen. Dies unterstützen wir als Politik allerdings nicht durch Steuergeschenke nach dem Gießkannenprinzip,

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kein Steuergeschenk!)

sondern vor allem durch Projektförderung, die eben gerade, wie ich zu belegen versucht habe, für kleine und mittlere Unternehmen besonders attraktiv ist. Danke.

(Beifall bei der LINKEN)