In Berlin und (H)alle dabei [18] – PokémonGo und der Datenschutz

Überall laufen Menschen mit ihren Smartphones durch die Straßen. Mal einzeln, mal in Gruppen, mal sammeln sie sich an Plätzen, mal bleiben sie plötzlich stehen oder laufen auf einmal aufgeregt los und scheinen etwas zu suchen. Zum Teil ist man dieses Bild von Smartphone-NutzerInnen ja ge­wohnt. Aber dieses Mal ist etwas anders.

Sie suchen Pikachu, Pumeluff, Glumanda und Co. Das sind kleine Monster aus der bekannten japa­nischen Trickfilm-Serie Pokémon. Das Spiel Pokémon Go hat in Deutschland eine regelrechte Ma­nie ausgelöst. Überall begeben sich Pokémon-JägerInnen auf die Jagd nach den kleinen Monstern. Das passiert nicht einfach auf einem Bildschirm. Das Spiel verbindet eine virtuelle Realität mit der realen Welt. Mit Hilfe von GPS-Daten und einer digitalen Karte der Umgebung, können die Spiele­rInnen genau sehen, wo sie sich befinden und welche Pokémon in der Nähe sind. Mit der Kamera des Tablets oder des Smartphones können reale Bilder mit den kleinen Trickfilmmonstern entstehen. Es wirkt dann so, als ob das kleine Monster tatsächlich vor dem Spieler bzw. der Spielerin auf der Straße sitzt. Diese neuartige Form des Spiels nennt sich Augmented-Realitiy (bedeutet so viel wie erweiterte Realität).

Bei sogenannten Pokéstops können die SpielerInnen digitale Pokébälle (zum Einfangen der kleinen Monster notwendig), Krafttränke, Lockstoffe und Eier einsammeln. Um Eier auszubrüten, müssen die SpielerInnen eine bestimmte Strecke zu Fuß zurücklegen. Immerhin wird durch dieses Spiel viel Bewegung an frischer Luft abverlangt. Das ist aber auch nicht ganz risikolos. Denn die sogenannten Pokémon-TrainerInnen verirren sich auf ihrer Jagd oft an Orte, die sie eigentlich nicht betreten soll­ten. Es gab schon Meldungen von Pokémon-SpielerInnen in Krankenhauskellern, auf Bahngleisen und anderen Orten, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben – auch keine kleinen Monster.

Entwickelt wurde das Spiel von der Firma Niantic Inc. in Zusammenarbeit mit Nintendo. Es ist aber nicht das erste Spiel dieser Art. Niantic Inc. hat zuvor ebenfalls ein Augmented-Reality-Spiel her­ausgebracht, welches Ingress heißt und ähnlich funktioniert. Netzpolitik.org macht auf den Daten­schutz aufmerksam. Es werden nicht nur Daten zu Marketingzwecken an Unternehmen, sondern auch an Regierungen und Ermittlungsbehörden weitergeben. Das lohnt sich, denn durch das Spiel erhalten die staatlichen Behörden und Überwachungsdienste zum Beispiel sehr genaue Informatio­nen zu Aufenthaltsorten und Bewegungsprofilen. Um Monster fangen zu können, benötigt es näm­lich eine ständige GPS-Verbindung. Mit Hilfe der Datensammlung können auch Kundenströme ge­zielt gelenkt werden, denn Pokéstops und Arenen in der Nähe von Geschäften locken SpielerInnen an. Das muss nicht unbedingt negativ gesehen werden. Im sozialen Netzwerk Twitter konnte man von einer Bibliothek lesen, die es kreativ und mit Humor verstand, einen dort vorhanden Pokéstop zu nutzen, um für ihren Standort zu werben und somit potenzielle LeserInnen zu gewinnen.

Bei aller Kritik am technischen Fortschritt und bei allen (berechtigten) Bedenken bezüglich des Datenschutzes, sollte nicht vergessen werden, dass solche Neuerungen wie die computergestützte Realität (Augmented Realitiy) von Nutzen sein kann. Das Neue Deutschland hat dazu eine inter­essante Diskussion angestoßen. Die computergestützte Realität gibt es nicht nur in Spielen wie Po­kémon Go, sondern auch in Datenbrillen. Diese Datenbrillen finden ihren Einsatz bereits in der Lo­gistik-Branche und sollen die Arbeit erleichtern. Auch der Pflegebereich kann davon profitieren, die Daten via Brille sofort und ohne lästige Papierwälzerei abrufen zu können. Für sehbehinderte oder blinde Menschen wären diese Brillen eine Unterstützung im Alltag zur Orientierungshilfe und Da­tenauskunft.

DIE LINKE. fordert beim Thema Datenschutz eine Stärkung der Informations- und Widerspruchs­rechte der NutzerInnen. Unternehmen, die gegen Datenschutzauflagen verstoßen, müssen mit stren­gen Sanktionen konsequent belangt werden. Das Internet als neuer sozialer Raum muss den Schutz der Privatsphäre im Fokus haben und nicht die Sammlung und Auswertung von Daten.

Doch vergessen wir bitte nicht, dass wir nicht erst seit Pokémon Go stets und ständig Daten von uns preisgeben. Jede SMS und jeder Anruf verrät etwas über unseren Aufenthaltsort, egal ob wir eine GPS-Funktion eingeschaltet haben oder nicht. Datenschutz hat immer zwei Seiten einer Medaille, wie wir es am Beispiel der Krankenversicherungskarten sehen können. Ja, es ist auf einer Chip-Kar­te eine enorme Ansammlung persönlichster Gesundheitsdaten gespeichert. Doch diese Daten brau­chen auch Notfallärzte, um schnell an die wichtigsten Informationen heranzukommen, ohne sie erst über Umwege vom Hausarzt einzuholen. Im Ernstfall rettet das Leben.

Datenschutz wird in Deutschland meistens im Sinne von Datensparsamkeit verstanden. Doch selbst ein normales Gespräch auf der Straße ist ein Datenaustausch. Soll Datenschutz also bedeuten, den Datenaustausch so gering wie möglich zu halten oder den Missbrauch von Daten zu verhindern? Sollen wir also überhaupt noch miteinander reden oder doch lieber dafür sorgen, dass das, was wir über uns preisgeben nicht von anderen missbraucht wird? Das Thema Datenschutz ist schwierig zu diskutieren und daher soll diese Kolumne auch keine endgültige Meinung dazu formulieren, son­dern eher anregen über das Thema und seine Komplexität nachzudenken.

 

Erfahrungsberichte und weiterführende Artikel zu Pokémon Go

http://dasnuf.de/pokemon-go/

http://www.hoheluft-magazin.de/2016/07/ganz-real-nicht-wirklich/

http://www.zeit.de/digital/games/2016-08/pokemon-go-spielerzahlen-update/komplettansicht

 Danke an Radio Corax für die Bereitstellung des Tonstudios.