In Berlin und (H)alle dabei – Feministische Befindlichkeitsstörungen

Es ist wirklich schwer zu ertragen, was von der AfD so an Äußerungen kommt. Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März die AfD-Abgeordnete Lydia Funke einen guten Einblick in die rückwärtsgewandte Mutterkreuz-Propaganda ihrer Partei gegeben.

Ach, was übertreiben wir es auch mit dem Feminismus. In unserem Kampf um die Gleichstellung der Frau überhöhen wir ein Geschlecht gegenüber dem anderen. Nicht etwa das männliche Geschlecht wird überhöht. Nein, es wird abgewertet, ja, diskriminiert! Mit unseren sogenannten „feministischen Befindlichkeitsstörungen“, wie es Funke so schön bezeichnet, merken wir schon gar nicht mehr, dass wir den Männern Unrecht tun und uns selbst das Leben unnötig schwer machen.

Neben den mindestens zwei Kindern, die Frau bitte haben soll, sollte sie doch spielend in der Lage sein, den Haushalt zu managen, den Ehemann zu beglücken und ihrem Job nachzugehen. Feminismus schadet hier nur. Mangelnde Kita-Plätze, Teilzeitfallen, prekäre Beschäftigung etc. sind Mythen. Familie und Beruf lassen sich problemlos miteinander vereinbaren. Wie gut, dass uns Frau Funke darüber aufgeklärt hat und die AfD uns verirrte Frauen nun wieder dorthin zurückführen möchte, wo wir mal waren. In die gute alte Zeit, als wir Frauen nur einer Aufgabe nachgehen mussten: Kinder kriegen und den Haushalt schmeißen.

Aber so konservativ ist die AfD natürlich nicht, nein. Sie würdigt durchaus die Leistungen von berufstätigen Frauen, die sich eine Karriere hart erarbeitet haben. Mit genügend Kompetenz, Selbstbewusstsein und Ehrgeiz, können sie es schließlich auch ganz ohne Frauenquote in die Führungsebenen schaffen. Ansonsten ist frau ganz einfach nicht kompetent genug. Es muss schön sein, sich in so einfachen Denkmustern die Welt zu erklären.

Frau Professorin Kolb-Janssen wies korrekt darauf hin, dass weiße, heterosexuelle Männer mittleren Alters die einzige diskriminierungsfreie Gruppe bilden. Übrigens ist die Mehrheit der AfD-Abgeordneten männlich, weiß und mittleren Alters, aber das sagen wir mal keinem. Auf Kolb-Janssens Frage, gegen welche Diskriminierung von Männern die AfD bitte etwas unternehmen will, wusste Frau Funke keine Antwort. Woran das wohl liegt? Nun, sie interessiert sich doch für Politik, etwas, dass sonst eher typisch männlich sei und bei Frauen angeblich kaum vorkommen soll, wie Funke meint. Dann sollte sie sich doch nochmal genau mit der Realität auseinandersetzen.

Paragraph 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, kurz AGG, stellt folgendes klar:

„Ziel des Gesetzes. Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

Nehmen wir noch den Artikel 3 mit den Absätzen 1 und 2 des Deutschen Grundgesetzes dazu, in denen es heißt:

(1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

(2) „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Mehr gäbe es eigentlich nicht dazu zu sagen. Doch leider stellen wir in unserem Alltag immer wieder fest, dass wir noch lange nicht von Gleichstellung reden können. Es geht hier nicht um eine Überhöhung eines Geschlechts gegenüber eines anderen. Es geht hier um eine nach wie vor vorhandene Ungleichbehandlung von Menschen. Und traurigerweise ist es immer noch notwendig, dies zu betonen.

Erst seit 1918 haben Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Erst 1953 wurde das Berufsverbot für verheiratete Frauen aufgehoben. Seit 1957 müssen Frauen nicht mehr ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen, einen Beruf ausüben zu dürfen. Erst seit 1997 ist die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. 2016 wurde endlich der Grundsatz Nein heißt Nein im Sexualstrafrecht verankert. Alle diese Meilensteine wären nicht notwendig, wenn von Anfang an die Gleichstellung der Frau selbstverständlich gewesen wäre. Bis heute ist dem aber nicht so, weshalb immer noch gegen Ungerechtigkeiten vorgegangen werden muss.

Am 18. März wies der Equal Pay Day darauf hin, dass im bundesweiten Durchschnitt Frauen für die gleiche Arbeit immer noch 21 % weniger verdienen als Männer. Und das nur wegen ihres Geschlechts.

Frauen arbeiten nach wie vor verstärkt in Sozial- und Pflegeberufen. Diese Bereiche sind generell stark unterfinanziert. Es ist zu einfach zu sagen, dass Frauen doch schlicht und ergreifend das falsche Berufsziel wählen würden. Die Berufswahl wird heutzutage immer noch von gesellschaftlichen und konservativen Rollenverständnissen bestimmt und gesteuert. Diese müssen zunächst überwunden werden. Und selbst wenn das geschafft werden könnte, werden Frauen häufiger als Männer in prekäre, also schlecht bezahlte, Teilzeitarbeit gedrängt, und das nur wegen der zufälligen biologischen Besonderheit Kinder gebären zu können.

Die Frauenquote ist ein notwendiges Übel. Natürlich wäre es gut, wenn wir sie nicht bräuchten. Aber in einer Gesellschaft, in der Männer immer noch bevorzugt Männer fördern, und das sicherlich häufig unabhängig der tatsächlichen Kompetenz, braucht es ein Instrument wie eine Quote, um Frauen aus der Versenkung zu holen. DIE LINKE. im Bundestag fordert vehement die 50-%-Quote in öffentlichen Ämtern und politischen Mandaten und setzt Letzteres in ihren eigenen Reihen auch konsequent und mit Erfolg um. Wir werden auch nicht müde werden, weiterhin lautstark für eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen einzutreten. Wenn dafür eine feministische Befindlichkeitsstörung notwendig sein sollte, dann werden wir diese mit Stolz ausleben.

Danke an Radio Corax für die Bereitstellung des Aufnahmestudios.