Positionspapier: Hochschulfinanzierung auf neue Grundlage stellen!

Die wissenschaftspolitischen Sprecher*innen der LINKEN in Bund und Ländern haben ein Positionspapier unter dem Titel „Zeitfenster nutzen: Hochschulfinanzierung auf neue Grundlage stellen! – Für gerechtere und offenere Hochschulen“ verabschiedet, das auch vom Bundesvorstand der Partei unterstützt wird:


 

Zeitfenster nutzen: Hochschulfinanzierung auf neue Grundlage stellen! – Für gerechtere und offenere Hochschulen

„Der Hochschulpakt trägt zur institutionellen Finanzierung der Hochschulen bei, auch wenn er aufgrund des 2006 geänderten Art. 91b GG formal als Projekt vereinbart wurde.“ (Wissenschaftsrat 2018)

Die Zahl der Studierenden in Deutschland ist seit Beginn des „Hochschulpakts 2020“ um fast 50 Prozent gestiegen. Der Hochschulpakt sollte dazu beigetragen, den steigenden Finanzbedarf der Hochschulen zu decken. Ein erheblicher Anteil, der für die Finanzierung der Studienplätze benötigt wurde, kam vom Bund, der damit in die grundständige Finanzierung der Lehre eingestiegen ist. Besonders wichtig war die Bundesfinanzierung für die ostdeutschen Flächenländer, die auf Grund ihrer Bevölkerungsentwicklung ansonsten Studienplätze hätten abbauen müssen. Aber auch für die Stadtstaaten und westdeutschen Ländern, die einen überproportionalen Anteil an den Steigerungen der Studierendenzahlen durch Kapazitätssteigerungen geschultert haben, stellte er eine wichtige Unterstützung dar. Einen entscheidenden Beitrag haben zudem die Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften geleistet, deren Anteil an Studienanfänger*innen sich nicht zuletzt wegen der Hochschulpaktfinanzierung auf mittlerweile über 40 Prozent gesteigert hat.

Die gestiegene Studierneigung und die Öffnungsprozesse der Hochschulbildung für breitere Bevölkerungsschichten, die bereits vor Beginn der ersten Phase des Hochschulpakts begann, erinnert in Teilen an die in den 1970er Jahren erfolgte Expansion des Hochschulsystems in der damaligen Bundesrepublik. Aus diesem Prozess entstand zu jener Zeit mit der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau eine jahrzehntelange Kooperation von Bund und Ländern im Bereich der Hochschulen. Dass dieses Instrument in einer Zeit, in der deutlich steigende Studierendenzahlen bereits absehbar waren, abgeschafft wurde, hat sich angesichts eines enormen Investitionsstaus an den Hochschulen als fatal herausgestellt. Gleiches lässt sich für den Hochschulpakt erwarten, denn nach Prognosen der Kultusminister*innenkonferenz werden die Studierendenzahlen bis zum Ende des Prognosezeitraums 2025 nicht oder nur unwesentlich sinken. Der Bedarf für eine auskömmliche Finanzierung von Studium und Lehre an Universitäten und Fachhochschulen bleibt damit weiterhin hoch. Dies macht die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Finanzierung der Lehre an den Hochschulen durch Bund und Länder deutlich.

Aber die derzeit über den Hochschulpakt verteilten Finanzmittel haben sich als unzureichend erwiesen, denn der Personalsaufwuchs konnte nicht annähernd mit dem Ausbau der Studierendenzahlen mithalten. Die Betreuungsverhältnisse haben sich im Verlauf des Paktes weiter verschlechtert. Ebenso hat die Befristung der Hochschulpaktmittel die Hochschulen weiter unter Druck gesetzt, zusätzliches Personal überwiegend befristet einzustellen. Ein großer Teil des Personalaufwuchses erfolgte aus Stellen, die ausschließlich oder fast ausschließlich Lehraufgaben ausführen, wie z.B. Lehrbeauftragte. Unzureichend waren die Mittel in gleicher Weise mit Blick auf andere Entwicklungsprozesse an den Hochschulen wie die steigende Diversität und die Digitalisierung, die auch vor Hochschulen nicht Halt machen wird. Ebenso ist die Bedeutung von Hochschulen bei der Herstellung und dem Erhalt von gleichwertigen Lebensverhältnissen in strukturschwachen oder schrumpfenden Regionen sowohl im Osten als auch im Westen nach wie vor hoch.

All dies zeigt, dass sich gute Hochschulbildung, eine offenere und soziale Hochschule sowie Gute Arbeit in der Wissenschaft nur durch die Unterstützung der Länder durch den Bund erreichen lässt. DIE LINKE fordert deshalb seit langem, dass der Bund dauerhaft in die Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigt. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss das aktuelle Zeitfenster bis zum Abschluss der laufenden Verhandlungen über die Neuausgestaltung des Hochschulpaktes genutzt werden, um die Hochschulfinanzierung grundlegend auf eine neue Grundlage zu stellen.

▪ Wir setzen uns dafür ein, den Hochschulpakt dauerhaft einzurichten und ihn damit als einen verlässlichen Teil der Grundfinanzierung der Hochschulen auszubauen. Die Mittel des Bundes sollten dabei zu Beginn mindestens das Niveau des Jahres 2017 umfassen. Um Spielräume für eine weitere Qualitäts- und Weiterentwicklung von Studium und Lehre zu ermöglichen sowie jährlich anfallende Kosten- und Tarifsteigerungen zu berücksichtigen, ist eine Dynamisierung der Bundesmittel dringend notwendig. Die im Pakt für Forschung und Innovation pro Jahr angesetzten drei Prozent für die Weiterentwicklung der Forschungseinrichtungen sollten für die Hochschulen entsprechend als Mindestvorrausetzung übernommen werden.
▪ Befristete und wettbewerblich vergebene Verfahren, wie sie derzeit beim Bund diskutiert werden, lehnen wir als LINKE im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt ab. Zum einen existiert mit dem Qualitätspakt Lehre bereits ein entsprechendes Programm. Zum anderen widersprechen temporäre und auf Anträgen basierende Wettbewerbe einer grundständigen, verlässlichen Hochschulfinanzierung, die auf Kooperation der Hochschulen statt auf Konkurrenz setzt. Wir haben kein Erkenntnisproblem bei der Qualität der Lehre, sondern ein Nachhaltigkeits- und Kapazitätsproblem.
▪ Für die Eigenbeiträge der Länder ist eine klare Erfolgskontrolle einzubauen, insbesondere zum Controlling eines nachholenden Personalaufbaus und damit der Verbesserung der Betreuungs-relation. Entsprechend der Empfehlung des Wissenschaftsrates haben die Länder die Kapazitätsberechnungen anzupassen und den Personalausbau durch Dauerstellen auf professoraler Ebene sowie im Mittelbau (auch mit Karrieremöglichkeiten unterhalb der Professur) umzusetzen. Insbesondere den Mittelbau der Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften gilt es strukturell zu stärken.
▪ Für die ostdeutschen Bundesländer sollten Haltequoten der Studienplatzzahlen auf dem Niveau des Jahres 2017 als Berechnungsgrundlage für Zuschüsse aus dem Hochschulpakt verankert werden. Für die Stadtstaaten ist darüber hinaus ein Berechnungsmodus zu vereinbaren, der den massiven Ausbau der Studienanfänger*innenplätze in diesen Ländern in den vergangenen Jahren und die Ausbildungsleistung weit über den eigenen Bedarf hinaus berücksichtigt.
▪ Gute Studienbedingungen verbessern die Chance, ein Studium erfolgreich abzuschließen. Entsprechend ausgerichtete Maßnahmen des hochschulischen Qualitätsmanagements sollten in den verschiedenen Finanzierungsmodi entsprechend berücksichtigt und erfolgreiche Studienabschlüsse besser gewichtet werden. Dabei sollte den veränderten Studienverläufen und der heterogenen Studierendenschaft Rechnung getragen und auf das Kriterium der Regelstudienzeit verzichtet werden.
▪ Wir fordern, den weiteren Ausbau der Fachhochschulen zu Hochschulen der angewandten Wissenschaften mit einer Stärkung dieses Hochschultyps zu verbinden. Fachhochschulen dürfen nicht weiter die „Billigstudienplätze“ für einen insgesamt nicht ausfinanzierten Studierendenaufwuchs darstellen. Das grundständige Fächerspektrum sollte ausgebaut und die Wissenschaftlichkeit durch bessere Forschungsmöglichkeiten und eigene Promotionsverfahren gestärkt werden. Nach dem Vorbild Berlins könnten Fachhochschulen in ganz Deutschland der Weg zu einem eigenen Mittelbau und damit zu nachhaltiger Personalentwicklung eröffnet werden.
▪ Die Hochschulen sollten die Anteile der Lehre, die durch Lehrbeauftragte erbracht werden, begrenzen. Dies bedeutet, Lehraufträge vor allem im Nebenberuf zum Transfer aus der Praxis zu
nutzen. Der Großteil der grundständigen Lehre ist durch unbefristet beschäftigtes hauptberufliches Personal zu erbringen. Die missbräuchliche Vergabe von Lehraufträgen als kostengünstige Alternative zu hauptberuflichem Personal lehnen wir ab.
▪ Analog zum Hochschulpakt muss ein Hochschulsozialpakt folgen, der den Studierendenwerken die Möglichkeit gibt, die soziale Infrastruktur an den Hochschulen zu erweitern und zu modernisieren.
▪ Als Anreiz zur Aufnahme von Studierenden mit Fluchtgeschichte sollte die Finanzierung in die-sen nachzuweisenden Fällen um 10 Prozent angehoben werden. Damit wird dem erhöhten Beratungs- und Betreuungsaufwand Rechnung getragen.

Wir lehnen es ab, die aktuelle Mangelverwaltung zu verstetigen. Als LINKE fordern wir Bund und Länder dazu auf, zusammen eine Lösung zu finden, die durch eine Dynamisierung der Finanzmittel eine verlässliche und dauerhafte Grundfinanzierung ermöglicht um Entwicklungsmöglichkeiten und Spielräume zu erweitern statt auf Konkurrenz und Antragsflut auf Kooperation und Planungssicherheit zu setzen. Nur so können die Hochschulen langfristig ihren Aufgaben gerecht und offener und sozialer werden!

Erstunterzeichner*innen:

▪ Martin Dolzer, MdHB DIE LINKE. Hamburg, Fachsprecher für Wissenschaft
▪ Nicole Gohlke, MdB DIE LINKE, Hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin
▪ Rene Jalass, MdL DIE LINKE. Sachsen, Sprecher für Hochschul- und Wissenschaftspolitik
▪ Karsten Kolbe, MdL DIE LINKE. Mecklenburg-Vorpommern, Sprecher für Hochschulpolitik
▪ Hendrik Lange, MdL DIE LINKE. Sachsen-Anhalt, Sprecher für Wissenschafts- & Technologiepolitik
▪ Christian Schaft, MdL DIE LINKE. Thüringen, Sprecher für Wissenschafts- und Hochschulpolitik
▪ Tobias Schulze, MdA DIE LINKE. Berlin, Sprecher für Wissenschaft, Forschung & Netzpolitik
▪ Petra Sitte, MdB DIE LINKE., Sprecherin für Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik
▪ Miriam Strunge, MdBB DIE LINKE. Bremen, Sprecherin für Wissenschaftspolitik
▪ Isabelle Vandre, MdL DIE LINKE. Brandenburg, Sprecherin für Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungspolitik
▪ Janine Wissler, MdL DIE LINKE. Hessen, Sprecherin für Wissenschaft

Unterstützt durch den Parteivorstand DIE LINKE. durch Beschluss (2018/123) in der Sitzung vom 30.06.18 in Berlin.