Februar-Kolumne: In Berlin und (H)alle dabei – My body, my organs

My body, my choice – eine Parole, die wir bisher vor allem aus der Frauenbewegung kennen, und für das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Frau steht, vor allem bei Themen wie Schwangerschaftsabbrüchen. Hierbei geht es darum, dass Frauen ihr Recht über ihren Körper einfordern. Sie wollen selbst entscheiden, was mit ihren Körpern geschieht, ob sie eine Schwangerschaft austragen wollen oder eben nicht. Rückwärtsgewandte Menschen möchten nämlich gern darüber bestimmen, was Frauen mit ihren Körpern zu tun und zu lassen haben – zu deren Lebzeiten, unter Akzeptanz gesundheitlicher und seelischer Risiken sowie ohne die Möglichkeit eines Widerspruchs.

My body, my choice liest man nun aber auch immer öfter in den sozialen Netzwerken in Verbindung mit einem ganz anders gelagerten Thema. Circa 9500 Menschen warten in Deutschland auf eine lebensrettende Organspende. Bisher konnten sich Menschen aktiv als Organspender*innen registrieren lassen, indem sie einen kleinen Ausweis ausfüllten und bei sich trugen. Leider gibt es von jenen Menschen aber noch viel zu wenig – nämlich etwa 40 % der deutschen Bevölkerung. Das wird wohl auch so bleiben, denn unlängst entschied der Deutsche Bundestag, dass es keine grundlegende Neuerung im Organspendegesetz geben wird.

Debattiert wurde nämlich auch über eine Widerspruchsregelung, bei der alle in Deutschland lebenden Menschen als Organspender*innen gelten, sofern sie nicht aktiv widersprechen. Bei dieser Idee gab es, wie immer bei bioethischen Themen, hochemotionale Diskussionen. Eine Seite bestand darauf My body, my choice zu vertreten. Man wähnt sich als „Ersatzteillager“ und fühlt sich in Persönlichkeitsrechten gestört. Feminist*innen können darüber nur müde lächeln, denn es wird zwar eine Entscheidung abgefordert, aber sie wird den Menschen nicht genommen, wie es bei beispielsweise Schwangerschaftsabbrüchen über Verbote versucht wird. Stattdessen kann man sich souverän entscheiden und widersprechen, ohne Begründung frühere Entscheidungen zurücknehmen und man muss sich auch nicht zwingend registrieren lassen. Auch weiterhin reicht ein Ausweis oder etwas Schriftliches. Der Aktivpart bleibt bei jedem bzw. jeder. So wie vorher aktiv zugestimmt werden musste, wäre bei der Widerspruchsregelung aktiv abzulehnen.

Es handelt sich bei der Widerspruchslösung um einen perspektivischen Wechsel mit weitreichenden Folgen, nicht für Organspender*innen, sondern für schwerkranke Menschen, da hier das Recht der Lebenden über das Recht der Toten gestellt wird. Das scheint so manchen bitter aufzustoßen, wobei dies nicht die Mehrheit sein kann, da 80 % der Deutschen eine positive Einstellung zur Organspende haben.

Im vergangenen Jahr hat der Bundestag ein Gesetz beschlossen, wonach für das gesamte Transplantationsgeschehen mehr Personal, mehr Mittel und bessere Strukturen bereitgestellt werden. Das haben andere Länder auch getan. Manche vor Einführung der Widerspruchsregelung, manche danach. Daher sollte nach dieser gesetzlichen Änderung auch in Deutschland die Widerspruchsregelung eingeführt werden. Alle Faktoren, die zu einer Steigerung der Organspenden führen könnten, sollten verbessert werden.

Deutschland ist Mitglied im Verbund von Eurotransplant. Acht Länder arbeiten dort zusammen. Von diesen haben sieben die Widerspruchsregelung. Deutschland bekommt mehr Organe aus den anderen Ländern, als es an diese abgibt. Dabei wird allerdings die Widerspruchsregelung dieser Länder nicht in Frage gestellt.

Zudem werden derzeit mehr Organe bei Menschen entnommen, die zeit ihres Lebens nicht zugestimmt haben. Diese Entscheidung müssen daher ihre Angehörigen in einer emotional hoch belastenden Situation, nach dem Verlust ihres bzw. ihrer Angehörigen fällen. Sie fühlen sich nicht selten vollkommen überfordert. Mit der Widerspruchsregelung wäre Angehörigen diese Situation erspart geblieben.

Schließlich noch ein paar Fakten von der Organspende-Info: Organe können erst nach Eintritt eines Hirntodes entnommen werden. Der Mensch ist also bereits gestorben und benötigt dann im Idealfall seine Organe nicht mehr, im Gegensatz zu jenen, die durch eine Spende weiterleben dürften. Eine Organspende geht – ohne Widerspruchsregelung – nur unter Zustimmung der Spenderin* / des Spenders*, niemals ohne. Es gibt auch eine Lebendorganspende. Hierbei können in Deutschland Nieren und Teile der Leber vom lebenden Menschen gespendet werden, da sich Letztere regenerieren kann und ein Mensch auch mit nur einer Niere lebensfähig ist. Hier herrschen sehr strenge Regeln. Die Spendenden müssen volljährig sein, freiwillig eingewilligt haben und gesundheitlich überhaupt für eine solche Spende in der Lage sein, was zuvor geprüft wird.

Die ganze Debatte um die Widerspruchslösung hat zumindest dafür gesorgt, dass sich die Gesellschaft einmal ernsthafter mit dieser Thematik beschäftigt. Bei all dem sollte sich jede*r fragen: Was wäre, wenn ich oder ein mir nahestehender Mensch auf einmal auf eine Organspende angewiesen wäre, um weiterleben zu dürfen? Vielleicht hilft es ja egoistisch zu denken, denn wir alle würden im Ernstfall von einer Widerspruchslösung und Organspende profitieren.

Mehr Informationen zur Organspende finden sich unter: www.organspende-info.de