Ehrenamtliches Engagement stärken

TOP 32) Erste Beratung des von der Bundesregierung  eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur  Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus  bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften;  Drucksache 18/11506

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Das UNESCO-Welterbekomitee hat im November des vergangenen Jahres die Idee der Genossenschaften in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. In der Begründung wurde einstimmig erklärt, dass die Genossenschaftsidee als überkonfessionelles Modell auf den Maximen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung beruht.

(Beifall bei der LINKEN)

Weltweit sind über 800 Millionen Menschen in Genossenschaften organisiert. Allein in Deutschland engagieren sich nach Zahlen aus dem Jahr 2015  20 Millionen Menschen in rund 7 600 Genossenschaften. Genossenschaftliches Agieren hat eine jahrhundertealte Tradition. Schon seit dem Mittelalter existieren nachweisbar genossenschaftliche Strukturen oder Bestrebungen, die der wirtschaftlichen und sozialen Förderung ihrer Mitglieder dienen.

Ich selbst bin vor vier Jahren Gründungsmitglied einer Genossenschaft in meinem Wahlkreis geworden, nämlich der Peißnitzhaus Genossenschaft. Es gibt sicher noch so manchen im Saal, der oder die auch in einer solchen Genossenschaft mitarbeitet. Das Peißnitzhaus ist ein ganz wichtiger Pfeiler bei uns für Hallesche Kultur, für Naherholung. Es bietet zahlreiche Angebote in den Bereichen Umweltbildung, Kunst, Kultur, Konzerte und auch Geschichte. Vor allem ist es eine Genossenschaft, in der Menschen mit Behinderung Arbeit finden. Das ist auch ein Aspekt, den wir dabei mit bedenken sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

So habe ich natürlich mit Interesse die Bestrebungen der Bundesregierung verfolgt, bei der Gründung solcher Genossenschaften zu Erleichterungen für das Ehrenamt zu kommen. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu auch etwas. Es sind ungefähr dreieinhalb Jahre vergangen, seit der Koalitionsvertrag geschrieben worden ist. Sie mahnen jetzt zur Eile. Nun ja, gut; besser jetzt als gar nicht. Das hätte man aber auch schon früher hinbekommen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD))

– Ja, wir haben immer etwas zu meckern; das wissen Sie doch. – Im Koalitionsvertrag steht: Die Gründung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement, zum Beispiel – wie vorhin schon gesagt – Dorfläden, aber auch Kitas, altersgerechtes Wohnen oder Energievorhaben, soll erleichtert werden. Für solche Initiativen soll eine geeignete Unternehmensform im Genossenschafts- oder Vereinsrecht zur Verfügung stehen. Vor allem sollen dabei, wie schon zitiert, unangemessener Aufwand und Bürokratie vermieden werden. – Allerdings ist unsere Befürchtung: Der Gesetzentwurf, den wir hier beraten, wird das weder gut noch deutlich besser tun.

Das derzeitige Genossenschaftsgesetz – da sind wir uns wohl einig – ist überorganisiert und ziemlich undemokratisch verfasst. Man könnte sogar sagen: Es verhindert in manchen Fällen die genossenschaftliche Selbsthilfe und Solidarität.

(Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall! Jedes Mitglied hat eine Stimme!)

– Ich rede doch über das bisherige, das in der Kritik steht; das ist ein feiner Unterschied.

(Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Auch im bisherigen ist das so!)

Die alleinige Leitungsmacht des Vorstands nach dem Genossenschaftsgesetz muss eingeschränkt werden, und die Mitbestimmungsmöglichkeiten und Rechte der Mitglieder und der Generalversammlung sollten gestärkt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine engere Bindung der Geschäftsleitung an die Beschlüsse des Vorstandes könnte in vielen Fällen die Zahl der Entscheidungen reduzieren, die „über die Köpfe hinweg“ getroffen werden. Wir wissen ja alle, dass es gerade mancher Wohnungsgenossenschaft ausgesprochen gut tun würde, sich in dieser Beziehung wieder zu erden.

Die Möglichkeit des Justizministeriums, den Wirtschaftlichen Verein per Rechtsverordnung nach § 22 BGB wieder einzuführen, könnte – da haben wir unsere Bedenken – den Druck auf kooperative Wohninitiativen wieder verschärfen. Es wird nämlich befürchtet, dass sie diese Rechtsform – das können wir ja in der Ausschussdebatte klären – nutzen müssen, statt die Möglichkeit eines eingetragenen und teilweise gemeinnützigen Vereins nutzen zu können. Diese Befürchtung ist ja auch nicht ganz unbegründet, gibt es doch schon jetzt große Probleme, sich in das Vereinsregister eintragen zu lassen.

Ich will noch etwas zur Logik der Genossenschaften sagen. Im Bundesjustizministerium, aber auch im Ministerium für Wirtschaft und Energie ist man offenbar der Auffassung, dass sich Genossenschaften auch am Markt bewähren und mit anderen Anbietern am Markt konkurrieren müssen. Das sehen wir ausdrücklich nicht so, weil zahlreiche Gründungen eben genau deshalb erfolgen, weil man sich dieser Logik entziehen will. Das sollten wir auch stärken, weil es eben um die Ressourcen vieler zum Wohle aller geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme schließlich zu Kitas und Dorfläden: Ja, das sind ganz wichtige Beispiele, wo kollegial und solidarisch zusammengearbeitet werden muss und auch wird. Jeder von uns kennt diese Beispiele. Insofern ist die ehrenamtliche Arbeit in Genossenschaften bzw. um das Genossenschaftswesen herum eine ganz wichtige Aufgabe. Sie darf aber natürlich soziale Daseinsvorsorge oder andere Aufgaben und Verantwortungen des Staates nicht ersetzen. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man über diese Konstrukte diskutiert.

Insofern werden wir also im Ausschuss schauen, was sich dort machen lässt. Wo es eben möglich ist, Menschen mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement bzw. in ihrem Ehrenamt zu unterstützen, da sollte sich das in diesem Gesetz auch niederschlagen. Vor allen Dingen sollten die bürokratischen Hürden reduziert werden.

Danke schön.