10 Punkte zum Urheberrecht in der digitalen Welt

Besonders heftig ist die Debatte um den facettenreichen Begriff des „Geistigen Eigentums“. Er ist für Künstlerinnen und Künstler und Kreative ein Synonym für die ideelle und materielle Anerkennung ihrer originären, kreativen Leistung. Zugleich werden mit ihm Verbots- und Ausschlussrechte der Medienindustrie gegenüber der Öffentlichkeit und weitreichende Patent- und Schutzrechte begründet. Der heutige Welttag des Geistigen Eigentums betont den Wert von Kreativität und sollte Anlass für eine Debatte über eine differenzierte Verwendung dieses Begriffs sein. Unabhängig von dieser kontroversen Debatte gibt es dringenden Reformbedarf beim bestehenden Urheberrecht. DIE LINKE im Bundestag stellt deshalb heute ihre zentralen Forderungen zum Urheberrecht in einem 10-Punkte-Papier vor:

Seit es das Urheberrecht gibt, ist es umstritten. Es bewegt sich im Spannungsfeld zwischen den Schutzinteressen von Kreativen, von Geschäftsmodellen der Medienindustrie auf der einen, und von Nutzerinnen und Nutzern, von Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Die Digitalisierung führt dazu, dass sich Inhalte von ihren Trägermedien wie CD, Buch oder DVD lösen. Das alte Verfahren, die Verbreitung dieser Trägermedien zu kontrollieren und zu reglementieren, funktioniert immer weniger. Stattdessen etabliert sich im Netz eine neue Kultur des Austauschs – etwa auf der Basis von sozialen Netzwerken. Gleichzeitig wird für immer mehr Urheber erfahrbar, dass sie nur zu einem ganz geringen Teil vom Urheberrecht profitieren, weil sie ihre Rechte größtenteils an Verlage und Medienunternehmen abtreten. Das Urheberrecht stellt die notwendige Balance zwischen Kreativen, Verwertern und Nutzerinnen und Nutzern nicht mehr zufriedenstellend her. Die Medienindustrie versucht, das Urheberrecht und seine Durchsetzung noch verschärft ins Internet zu übertragen. Dies löst kein Problem und wird die Legitimations- und Akzeptanzkrise des Urheberrechts weiter zuspitzen. DIE LINKE setzt sich dafür ein, Nutzer wie Urheber zu stärken, ihre Interessen in den Mittelpunkt der politischen Diskussion und der Weiterentwicklung des Urheberrechts zu stellen und die Chancen der Digitalisierung für den kulturellen Austausch offensiv zu nutzen.

 1. Gerechte Verträge und faire Vergütung für Urheberinnen und Urheber!

Urhebern und ausübenden Künstlern soll die Durchsetzung ihres Anspruchs auf angemessene Vergütung für jede Art der Werknutzung erleichtert werden. Das meiste Geld, das mit Musik, Texten und anderen Kulturgütern verdient wird, verbleibt bei Plattenfirmen und Rechteverwertern. Nur ein Bruchteil geht an die tatsächlichen Urheberinnen und Urheber, Künstlerinnen und Künstler. DIE LINKE fordert, dass die Kreativschaffenden besser und fair bezahlt werden. Wir wollen die Praxis von „Total-Buy-Out“-Verträgen unterbinden.Mit ihnen treten die Kreativen alle Nutzungsrechte an ihren Werken dauerhaft ab und werden dafür nur einmal und oft unzureichend bezahlt, während Verwertungsfirmen auf Jahre hinaus mit den Werken Geld verdienen können. Solche Knebelverträge schaden den wirklichen Urheberinnen und Urhebern. Wir wollen deshalb die rechtliche Stellung von Urheberinnen und Urhebern und ausübenden Künstlerinnen und Künstlern gegenüber den Verwertern in den Vertragsverhandlungen stärken.

2. Abmahnwahn beenden!

Hunderttausende Abmahnungen pro Jahr mit Kosten von durchschnittlich 700 Euro für das illegale Herunterladen einer Musikdatei aus einer Tauschbörse: Wir wollen die horrenden Abmahnkosten bei unerlaubten Downloads von Musiktiteln, Software, etc. auf den tatsächlich entstandenen Schaden begrenzen. Der Schaden soll von den Rechteinhabern hinreichend belegt werden, sodass nicht wie bisher groteske Schadensersatzforderungen eingefordert werden können. Auch die Anwaltsgebühren bei Abmahnungen will DIE LINKE deutlich begrenzen. Das Geschäftsmodell Abmahnung für nicht-kommerzielle illegale Downloads von Rechtsanwaltskanzleien wird damit beendet.

3. Weiterverkauf von MP3s und E-Books ermöglichen!

Heute ist es oftmals untersagt, gekaufte MP3-Musikdateien oder elektronische Bücher weiterzuverkaufen. Dies greift in die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern ein. Schließlich dürfen Musik auf CDs oder Bücher in Papierform auch legal weiterverkauft werden. DIE LINKE fordert ein Recht auf Weiterverkauf von digitalen Kulturgütern.

4. Open Access für eine freie Wissenschaft!

DIE LINKE will einen freien und ungehinderten Zugang zu Informationen und Wissen für alle Menschen. Das ist das Ziel von Open Access, mit dem jedermann die Erlaubnis erhält, Dokumente zu lesen, zu speichern, zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen. Das Internet bietet dazu die besten Voraussetzungen. Ein Großteil wissenschaftlicher Arbeiten an Hochschulen und Forschungsinstituten wird durch öffentliche Mittel finanziert. Deshalb hat die Gesellschaft auch ein besonderes Anrecht auf den freien Zugang zu den Forschungsergebnissen. Wir fordern deshalb, Open Access-Veröffentlichungen als Bedingung für Forschungsförderung zu machen. Wissenschaftliche Autorinnen und Autoren sollen darüber hinaus das Recht erhalten, ihre Forschungsergebnisse sechs Monate nach einer Veröffentlichung auf klassischem Wege auch unter Open Access-Bedingungen zu publizieren.

5. Freie Lizenzen und alternative Vergütungssysteme fördern!

In den letzten Jahren haben sich vor allem auf Initiative von Internetnutzerinnen und -nutzern neue Lizenzmodelle entwickelt. Kreativschaffende können damit selbst bestimmen, was mit ihren Werken gemacht werden darf und was nicht. Musikerinnen und Musiker etwa können Musik ausdrücklich zum freien Download, zur nichtkommerziellen Nutzung oder auch zur Weiterbearbeitung oder Remixen anbieten. Ein Beispiel dafür ist das Modell „Creative Commons“. Freie Lizenzen tragen dazu bei, dass im Internet kulturelle Werke eine große Verbreitung finden können. Heute ist fast jeder Internetnutzer auch ein Produzent von kreativen Inhalten – sei es in Blogs, sozialen Netzwerken oder auch als Produzent von Videos oder Musik. DIE LINKE will die Verbreitung und Nutzung freier Lizenzen fördern. Auch staatliche Stellen können mit freien Lizenzen die Verbreitung von Informationen und Wissen vorantreiben – die Open Data-Initiativen sind hierfür ein gutes Beispiel.

Alternative Vergütungssysteme ergänzen freie Lizenzen durch die Möglichkeit, mit Inhalten Geld zu verdienen. Verschiedene Modelle wie die Kulturflatrate, die Kulturwertmark oder das so genannte Crowdfunding werden derzeit diskutiert und erprobt. Gemein ist ihnen, dass alle Nutzerinnen und Nutzer zur Finanzierung von kreativen Leistungen im Internet beitragen. DIE LINKE setzt sich dafür ein, alternative Vergütungssysteme durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen und eine Reform der Verwertungsgesellschaften zu unterstützen. Auch die Industrie muss sich neuen Vertriebswegen für Kunst und Kultur über das Internet öffnen, Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland.

6. Kein Leistungsschutzrecht für Presseverlage!

Die Presseverlage fordern ein sogenanntes Leistungsschutzrecht im Internet. Dies würde Nachrichtendienste wie z.B. Google News, aber auch die Betreiberinnen und Betreiber von Blogs betreffen. Diese sollen Geld an die Verlage zahlen, wenn sie kurze Nachrichtenausschnitte als Links auf die Internetseiten von Zeitungen anbieten. DIE LINKE lehnt ein solches Leistungsschutzrecht für Presseverlage ab. Ein Leistungsrecht beschädigt die freie Verbreitung von Informationen im Netz. Verweise zu Zeitungsangeboten im Internet sind vielmehr kostenlose Werbung für die jeweiligen Seiten. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, Stadtführer dafür abgabepflichtig zu machen, weil sie Gäste auf Restaurants hinweisen.

7. Schutzfristen neu regeln!

DIE LINKE wendet sich nachdrücklich gegen eine weitere Verlängerung urheberrechtlicher Schutzfristen. Wir wollen statt dessen eine Neuregelung nach dem Grundsatz: „So lange wie nötig, so kurz wie möglich“. Schutzfristen im Urheberrecht legen fest, wie lange ein kulturelles Werk nur mit Zustimmung der Rechteinhaber genutzt werden darf. Dies ist für die soziale Absicherung von Urheberinnen und Urheber grundsätzlich richtig. Schließlich sollen Kreative von ihrer Arbeit leben können. Heute aber gelten Schutzfristen bis zu 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers. Ein solches Erbrecht ist mit unseren Vorstellungen von gerechter Verteilung nicht vereinbar.

8. Digitaler Verbraucherschutz!

Früher konnten CDs und Musikkassetten im privaten Rahmen kopiert und an Freunde weitergegeben werden (Privatkopie). In Zeiten digitaler Kulturgüter wird diese Möglichkeit immer mehr beschränkt. Kopierschutzmaßnahmen und -klauseln unterbinden oder verbieten eine private Weitergabe etwa im Falle von MP3s und E-Books. Mit dem Kauf wird heute meist nur noch ein Recht zum Musikhören erworben. Das geht so weit, dass einige E-Books nur noch 20-mal gelesen werden dürfen und danach unbrauchbar werden. DIE LINKE will die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im Sinne eines digitalen Verbraucherschutzes stärken. Technische Schutzmaßnahmen und Vertragsbedingungen dürfen die Möglichkeit zur Privatkopie und zur uneingeschränkten Nutzung nicht unterlaufen.

9. ACTA stoppen!

Das erklärte Ziel des unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten internationalen Handelsabkommens Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist, jede Urheberrechtsverletzung im Internet zu unterbindern. Die Verankerung eines global sanktionierten Urheberechtsregimes im Netz ginge mit massiven Beschränkungen von Freiheitsrechten der Nutzerinnen und Nutzer einher. Mit Inkrafttreten von ACTA würde das geltende Urheberrecht zementiert statt reformiert. DIE LINKE lehnt das ACTA-Abkommen ab. Der Ratifizierungsprozess ist endgültig zu stoppen.

10. Gegen Internetsperren, Warnhinweise und Netzüberwachung!

Wir lehnen Internetsperren sowie das Durchleuchten und Filtern von Inhalten ab. Die von den Rechteverwertern geforderte Pflicht der Internetanbieter zum Versenden von Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen im Internet führt zu einer Überwachung von Nutzerinnen und Nutzern. Danach wären schnell weitere Maßnahmen zur Überwachung des Netzes zu befürchten. Dies lehnt DIE LINKE ab. Informationen hingegen müssen frei sein. Mit der digitalen Technologie wurde der Zugang zu Wissens- und Kulturgütern geöffnet und erweitert. Ihr Verständnis als öffentliche Güter für alle Menschen ist inzwischen alltäglich. Statt Nutzerinnen und Nutzer zu kriminalisieren, wollen wir die Entwicklung neuer  Vergütungsmodelle der Kreativ- und Kulturschaffenden politisch befördern.

26. April 2012

Halina Wawzyniak, MdB, Netzpolitische Sprecherin

Petra Sitte, MdB, Forschungs- und technologiepolitische Sprecherin

Kathrin Senger-Schäfer, MdB, Medienpolitische Sprecherin

Lukrezia Jochimsen, MdB, Kulturpolitische Sprecherin

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