Bildungshaushalt ist schwarz-gelbes Nachtschattengewächs

TOP 2) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010), Drs. 17/200  

  • Einzelplan 30- Bundesministerium für Bildung und Forschung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren,

ich will es noch einmal auf den Punkt bringen: In diversen Gutachten wurde der Politik in der letzten Zeit sehr genau vorgerechnet, wie viel Geld für gute Bildung in diesem Land fehlt: 6 Milliarden Euro für Kindertagesstätten, 8 Milliarden Euro bei Schulen, 3,5 Milliarden Euro in der Berufsbildung, 5 Milliarden Euro an den Hochschulen und letztlich 14 Milliarden Euro in der Weiterbildung. Das heißt, jährlich müssten 37 Milliarden Euro investiert werden. Ich erinnere alle in diesem Hause daran, dass Bildung der Leitstrahl war, auf dem alle Parteien durch den Wahlkampf navigierten.

Noch auf dem Bildungsgipfel 2008 haben Bund und Länder vereinbart, 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung auszugeben. Das wären damals 30 Milliarden Euro gewesen. Mittlerweile haben wir eine Krise gehabt, und das Bruttoinlandsprodukt ist etwas gesunken, weshalb eigentlich etwas weniger Geld für Bildung zur Verfügung stehen müsste. Weniger Geld für Bildung könnte aber bedeuten, dass sich der nächste Bildungsgipfel auf eine Summe verständigt, die in der Nähe dieser 30 Milliarden Euro liegt.

Im Vorfeld des Bildungsgipfels ein Jahr später hat der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Genosse Kurt Beck, von notwendigen Mehrausgaben von 25 bis 28 Milliarden Euro gesprochen. Herr Pinkwart von der FDP aus Nordrhein-Westfalen hat ihm zugestimmt und gesagt: Ja, seriös sind 25 bis 28 Milliarden Euro. – Was ist auf dem Weihnachtsgipfel 2009 wirklich herausgekommen? 13 Milliarden Euro – aber nicht für ein Jahr, sondern bis 2015. Von den notwendigen 37 Milliarden Euro blieben nur 13 Milliarden Euro übrig, und die auch nur unter Zuhilfenahme diverser Rechentricks von Finanzministern.

Gott sei Dank hat die Öffentlichkeit, insbesondere die Bildungsöffentlichkeit, sehr schnell dagegengehalten. Ich sage Ihnen: Diese 13 Milliarden Euro sind eben nicht Ausdruck einer Bildungsrepublik, sondern ein schwarz-gelbes Nachtschattengewächs.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da ist nichts mit Verlässlichkeit, Frau Schavan. Nun freuen Sie sich darüber – auch Frau Flach von der FDP rühmt es -, dass Ihr Haushalt um 6,9 Prozent steigt. Da staunt der Laie, und der Fachmann oder die Fachfrau wundert sich; denn die Steigerung des gesamten Bundeshaushaltes liegt bei 7,3 Prozent. Wenn man wirklich so viel Wert auf Bildung legen würde, dann müsste die Steigerung des Bildungshaushaltes über dem Durchschnitt liegen.

(Beifall des Abg. Petra Hinz (Essen) (SPD))

Das tut sie aber nicht. Das heißt, der Aufwuchs für Bildung und Forschung beträgt insgesamt nur 750 Millionen Euro – von Milliarden kann nicht mehr die Rede sein -, und nur 350 Millionen Euro fließen in die Bildung. Bezogen auf den Ausgangswert bleibt also ein Riesenabstand. Ich will einmal daran erinnern: Die Steuersenkungen ab dem Jahr 2011 sind Ihnen jedes Jahr 24 Milliarden Euro wert. Jetzt vergleichen Sie das bitte noch einmal mit Ihren 350 Millionen Euro.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Ende ist somit völlig fraglich, wie Sie auf der Basis dieses Haushalts die Summen erreichen wollen, die auf dem Bildungsgipfel vereinbart wurden, und wie es gelingen soll, dass 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes real für Bildung ausgegeben werden. Unter dem Label „Mehr Wettbewerb“, Frau Schavan, nicht etwa unter dem Label „Bildung ist Bürgerrech“, betreiben Sie hier Bildungspolitik. Das heißt, Sie unterwerfen Bildung,Forschung und den Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen wirtschaftlicher Standortlogik – das entspricht auch der Vereinbarung auf EU-Ebene -, und Sie rechnen damit Bildung gegen Verwertbarkeit auf.

Die Linke hat das immer kritisiert, aber bleiben wir einmal in Ihrer Logik: Wenn man ihr folgt, müsste in Bildung eigentlich wesentlich mehr investiert werden, weil die Bildungsrendite deutlich höher als die Renditen von allen Kapitalanlagen liegt, nämlich im zweistelligen Bereich. Außerdem ist der Bund über Einkommensteuern und Beiträge zur Sozialversicherung ein weit größerer Nutznießer von guter Bildung als die Länder.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Muss man das glauben, was Sie hier erzählen?)

Das heißt, auch unter diesem Blickwinkel ergibt sich die Verpflichtung für den Bund, sich jetzt und heute viel stärker bei der Bildungsfinanzierung zu engagieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bund müsste also eigentlich die Steuerausfälle der Länder kompensieren, da diese höher als beim Bund ausfallen. Auf dem Bildungsgipfel wurde leider keine zwingende Vereinbarung getroffen, wie die Länder ihren Anteil aufbringen sollen. Den Ländern sitzt dann ab 2012 – das sei angemerkt -auch noch die Schuldenbremse im Nacken. Damit ist ihnen verwehrt, mehr Bildung durch höhere Kreditaufnahme zu finanzieren. Wissen Sie, was das bedeutet?

(Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Prioritätensetzung!)

In meinem Land, in Sachsen-Anhalt, sitzen derzeit 51.000 Studierende auf 34.000 Studienplätzen. Nun müsste ja durch den Kurswechsel bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, den alle den Studierenden während des Streiks versprochen haben, zusätzlich noch ein 15-prozentiger Aufwuchs bei der Ausstattung und dem Personal an den Universitäten eingerechnet werden. Das findet aber nicht statt, weil den Ländern die Mittel dafür fehlen. Insofern, Frau Flach und Herr Hagemann, ist der Hochschulpakt eben nicht abgesichert, was die Länderseite betrifft. Die Folge in meinem Land ist, dass der Finanzminister von der SPD sagt: Ich will in den nächsten Jahren 1.239 Stellen im Bildungsbereich streichen bzw. die Personalkosten um 20 Prozent absenken. – Das würde natürlich dazu führen, dass sich die Studienbedingungen durch schlechtere Betreuungsverhältnisse noch weiter verschlechtern werden.

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Diese böse SPD!)

Es ist also nichts mit Kurskorrektur und Verbesserung nach der Bologna-Misere. Einer Studienreform sollte vor diesem Hintergrund gegenüber der Exzellenzinitiative ganz klare Priorität eingeräumt werden. Deshalb haben wir gesagt: Für uns ist es derzeit nicht akzeptabel, Milliarden Euro in die Exzellenzinitiative zu stecken, weil dadurch das Hochschulwesen weiter segmentiert wird. Die für die Exzellenzinitiative vorgesehenen Summen sollten vielmehr zugunsten des Hochschulpakts transferiert werden. Dann könnte man den verschulten Bachelor mit seinen zahlreichen Prüfungen – für diejenigen, die das nicht so genau wissen: Das ist der Abschluss nach drei Jahren – entschlacken, die Regelstudienzeiten korrigieren, die Mobilität der Studierenden fördern und für einen sicheren Zugang vom Bachelor zum Master sorgen.

Nun reden Sie von einer Erhöhung des BAföG um 2 Prozent. Wie würde sich eine solche Erhöhung konkret bei den Studierenden auswirken? Alle einschlägigen Organisationen wie beispielsweise Studentenwerk und Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft haben Ihnen ja vorgerechnet, dass es mindestens eine 5-prozentige Erhöhung geben müsste, um die Preisentwicklung abzufedern. Zugleich wollen Sie erreichen, dass künftig 50 Prozent eines Jahrgangs das Studium aufnehmen. Das heißt doch nichts weiter, als dass Sie das BAföG bedarfsgerecht umgestalten und um einem elternunabhängigen Sockel erweitern müssen, sonst erreichen Sie einkommensschwache Familien ja überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

All das gehört zu den Forderungen, die im Rahmen des Bildungsstreiks erhoben wurden. All das findet sich aber in diesem Haushalt nicht wieder. Somit bringt er nicht mehr Bildungsgerechtigkeit mit sich.

Meine Damen und Herren, die Qualifizierung von Lehre und Forschung sowie die Verbesserung der Arbeits- und Studienbedingungen der Hochschulangehörigen sind unter diesen Voraussetzungen nicht zu schaffen. Forschung und Lehre sind hochkommunikative und kooperative Prozesse. Beide haben sich in den letzten Jahren infolge neuer technischer und technologischer Möglichkeiten verändert. Fachleute sagen, die großen Erkenntnisse werden disziplinübergreifend geboren. Das heißt, interdisziplinäre Zusammenarbeit ist angesagt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, immerhin vier Fünftel ohne Professur, werden durch hierarchische Strukturen an einer Umgestaltung gehindert. Personelle Abhängigkeiten hindern sie an eigenverantwortlichem Lehren und Forschen. Nicht selten gleichen die prekären und zudem wiederholt befristeten, schlecht vergüteten Beschäftigungsverhältnisse einem Kampf um die eigene Daseinberechtigung. Da habe ich überhaupt kein Vertrauen in Ihr Wissenschaftsfreiheitsgesetz, Frau Flach.

Die Linke meint, dass nicht nur die Grenzen zwischen den Fachdisziplinen, sondern vor allem die Hierarchien im Hochschulsystem aufzuheben sind. Denn Professorinnen und Professoren sowie anderes wissenschaftliches Personal müssen sich bei Lehre und Forschung auf Augenhöhe treffen. Dadurch könnte die Chance eröffnet werden, Wissenschaft endlich zu einem Beruf mit Perspektive zu machen. Verlässliche Perspektiven und mehr Selbstständigkeit halten auch wissenschaftlichen Nachwuchs eher im Land. Personalstruktur ist also an der Profession zu orientieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein solches Herangehen würde im Übrigen auch mehr Frauen ermutigen, in der Wissenschaft zu bleiben; denn für sie wäre eine akademische Laufbahn dadurch attraktiv. Dann würden sich Beruf und Familie nicht mehr wie zwei Fresszellen zueinander verhalten, die vielleicht auf privater Ebene auch noch Blutspuren hinter sich herziehen.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Hallo! Woher haben Sie denn Ihre Lebenserfahrung?)

Dazu erwarten wir Initiativen von der Bundesregierung. Sie aber packen in den Haushalt nur Versatzstücke. Es ist beispielsweise vom „Qualitätspakt Lehre“ und von der „Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses“ zu lesen. Wenn man nachfragt, bekommt man keine vernünftige Antwort; denn Sie haben noch nichts konkret vorbereitet oder mit den Ländern abgestimmt.

(Zuruf der Abg. Ulrike Flach (FDP))

– Ich höre Ihnen später noch einmal zu.

Meine Damen und Herren, auch bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist die
Bundesregierung schlicht und ergreifend schief gewickelt. Mit den Milliarden der Hightech- Strategie werden nach wie vor insbesondere Großunternehmen massiv unterstützt, vor allem Global Player. Deren unternehmerische Kernaufgabe wäre eigentlich, Forschung und Entwicklung zu unterstützen. Von den 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die Sie, Frau Minister, im Zusammenhang mit der Hightech-Strategie versprochen haben, ist nichts übrig geblieben. Jedenfalls können Sie das nicht genau beziffern. Stattdessen sagen Sie, es dauere noch ein bisschen, bis sie richtig wirke.

Sichtbar wird im Haushalt hingegen, dass die Förderung innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen deutlich hinter der Förderung von Großunternehmen zurückbleibt. Klar wird auch – insofern habe ich aufgehorcht, als Sie von einem Rahmenprogramm für nachhaltige Forschung gesprochen haben -, dass in Ihrem Haushalt Energieforschungen im fossilen und nuklearen bzw. Fusionssektor mit doppelt so hohen Summen gefördert werden wie erneuerbare Energien und Effizienzforschung.

Letztlich ist – auch darauf will ich aufmerksam machen – Ihre Politik derzeit insofern grenzwertig, als die universitäre Grundlagenforschung in den letzten Jahren eine kritische Untergrenze erreicht hat. Wenn wir für die Grundlagenforschung an den Universitäten und Hochschulen nicht mehr tun, gehen diese auch den außeruniversitären Forschungseinrichtungen als Partner verloren. Das ist zurzeit besonders im Osten ziemlich dramatisch spürbar. Deshalb fordern wir ein Sonderprogramm für die gezielte Förderung der Grundlagenforschung in Ostdeutschland.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Wenn diese Bundesregierung wirklich positiv in die Bildungsgeschichte des Landes eingehen will, dann muss sie konsequent gegen die Unterfinanzierung des Bildungssystems vorgehen. Wir sagen: Schluss mit dem nervigen bildungspolitischen Armdrücken zwischen Bund und Ländern! Da hat Herr Rossmann recht. Korrigieren Sie den Fehler, den Sie bei der Föderalismusreform mit dem Kooperationsverbot gemacht haben; schaffen Sie es wieder ab! Dafür haben Sie unsere Unterstützung. – Das war mein letzter Satz. Danke schön, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der LINKEN)