Ökosozial statt marktradikal!

 

http://youtu.be/DE9JpEtrb0k

 

TOP 8) Antrag LINKE: Europäische Forschungsförderung in den Dienst der sozialen und ökologischen Erneuerung stellen   (Drs. 17/5386)

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich kann, glaube ich, mit meinem Beitrag sehr gut an die Rede von Herrn Röspel anschließen. Die Diskussionen um das 8. Forschungsrahmenprogramm fallen immerhin in eine Zeit, da sich existenzielle Fragen der Zukunft in einer völlig neuen Schärfe stellen. Ob Finanzkrise, Klimawandel oder Fukushima – Störfälle und Krisen schrecken die Menschen in der gesamten Welt auf. Es hat sich in dieser Situation gezeigt, dass weder Politik noch Wissenschaft zuverlässige Voraussagen und Handlungsoptionen zur Beherrschung solch komplexer Systeme für Szenarien des Zusammenbruchs bieten konnten. Tausende Opfer heute und in der Zukunft sowie unabsehbare Folgen und Kosten für die menschliche Gemeinschaft erfordern von uns einen anderen Umgang mit entgrenzten Risiken. Es kann hier also niemand mehr so tun, als hätten Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik vor dem Hintergrund dieser Ereignisse kein massives Legitimationsproblem. Viel zu groß ist der Vertrauensverlust.

Wissenschaft und Wirtschaft müssen Fragen einer zutiefst verunsicherten und kritischen Öffentlichkeit in einer ganz neuen Dimension und Konsequenz beantworten. Vor diesem Hintergrund muss der bisherige Fortschrittskonsens neu diskutiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Risikoforscher sprechen von einer weltweiten Gemeinsamkeit der Gefahr. Als Fazit formulieren sie die politische Vision: Kooperiere oder scheitere! Das deckt sich zu 100 Prozent mit den Positionen der Linken. Im Umkehrschluss heißt doch Ihre Position zur Marktrelevanz der Forschung nichts anderes als: Konkurriere und scheitere! Unser Antrag trägt deshalb die Überschrift „Europäische Forschungsförderung in den Dienst der sozialen und ökologischen Erneuerung stellen“.

(Beifall bei der LINKEN)

Wissenschaft und Forschung können einerseits Europa neue Perspektiven für eine moderne, sozial-ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung geben, andererseits entscheidende Beiträge zur gerechteren Lösung gesellschaftlicher Konflikte über europäische Grenzen hinaus leisten.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das ist Karl Marx durch die Hintertür!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, dafür brauchen wir sehr viel Exzellenz.

Wir haben nichts Geringeres als die Frage zu beantworten: Wie wollen wir und wie können wir in Zukunft leben? Der Koalitionsantrag ? das ist schon angedeutet worden ? folgt ziemlich unbeeindruckt der alten Logik, als hätte es die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht gegeben, als würde in Fukushima nicht immer noch der Rauch aufsteigen. Das liest sich im Koalitionsantrag wie folgt ? ich zitiere ?:

Die zukünftige Forschungs- und Innovationsförderung muss …  noch klarer … auf die technologische Führungsrolle und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas ausgerichtet werden.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Darum geht es doch auch!)

An anderer Stelle heißt es: Die Bemühungen Europas bei der Forschungs- und Innovationsförderung sollen das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum haben.

Es ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft, wie man glauben kann, unter dieser Prämisse tatsächlich Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen erarbeiten zu können. Gerade dieses einseitige wirtschafts- und technologiezentrierte Herangehen hat doch erst die Konflikte hervorgebracht und sie verschärft.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bundestag hat es unlängst für nötig erachtet, eine Enquete-Kommission einzusetzen, die sich vor allem mit der Frage beschäftigt, ob nicht gerade diese Wachstumslogik eine zentrale Ursache der Probleme ist. Nach Ansicht der Koalition soll die Wirtschaft nicht nur weiter die Themen setzen, sondern sogar noch dominanter. Wohl wahr: Das sehen wir ausdrücklich anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen: Öko-sozial statt marktradikal.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Ökokommunismus!)

Die Linke will die Forschungsförderung ? da kann ich sehr schön an Herrn Röspel anschließen ? konsequent an den Großzielen bei der Armutsbekämpfung, der Gesundheit, der Ernährung sowie beim Klima- und Umweltschutz ausrichten. Dabei ist insbesondere der Wissenstransfer in ärmere Regionen der Erde auszubauen. Bezogen auf Osteuropa bedeutet das: Die osteuropäischen EU-Mitglieder, die bisher weniger als 5 Prozent der EU-Forschungsförderung erhalten, müssen deutlich stärker eingebunden werden.

Des Weiteren soll die Energieforschung Innovationen bei den erneuerbaren Energien und effizientere Speichertechnologien liefern. Sozial- und Geisteswissenschaften sollen an Vorschlägen zur Konditionierung sozialer Sicherungssysteme arbeiten. Schließlich soll das Programm zur Sicherheitsforschung konsequent zivil ausgerichtet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund ist die Technikfolgen- und Risikoabschätzung auch in Bezug auf Katastrophenmanagement, Ursachenforschung, soziale Konflikte und ethische Fragen der Wissensanwendung erheblich auszubauen.

Meine Damen und Herren, das europäische Forschungsprogramm muss entscheidend dazu beitragen, dass Globalisierung zu einem stärkeren gesellschaftlichen Ausgleich führt; es muss Impulse setzen. Die Kooperation muss gezielt gestärkt werden, denn ? ich erinnere Sie an die Vision der Zukunftsforscher ?: Wer nicht kooperiert, der scheitert.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)