Lobbytätigkeit muss transparent werden!

Wir wollen, dass der Einfluss von Interessengruppen im politischen Prozess insgesamt auf der Ebene des Bundes sichtbarer und nachvollziehbarer wird. Deswegen haben wir ein ganzes Maßnahmenpaket vorgeschlagen, in dessen Kern ein verpflichtendes Lobbyistenregister steht, das aber viele weitere Vorhaben umfasst.

Transparenz im politischen Prozess ist für uns kein Selbstzweck. Da muss ich auch dem Sachverständigen Professor Schliesky widersprechen, der der Opposition im Geschäftsordnungsausschuss vorhielt, sie halte totale Transparenz für totale Demokratie. Zitat: „Totalitäre Forderungen verheißen allerdings in der Regel wenig Gutes und sind selten demokratisch – so verhält es sich auch mit der Forderung nach totaler Transparenz.“ Zitat Ende. Uns geht es hingegen nicht um Totalität, wohl aber um die Demokratie für alle.

Zum einen wollen Bürgerinnen und Bürger wissen, wie Entscheidungen, die sie betreffen, zustande kamen. Denn sie haben zwar die Abgeordneten gewählt, nicht aber die Interessenvertreter, die der Verwaltung und dem Parlament ihren Stempel aufdrücken. Natürlich kann es wahlentscheidend sein, wenn eine Fraktion im Bundestag besonders gern Lobbyinteressen der Wirtschaft verwirklicht, andere hingegen nicht.

Wir alle erinnern uns an die „Mövenpick“-Spende, die gesenkte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen und den Zusammenhang zum FDP-Wahlergebnis bei den letzten Bundestagswahlen. Wählerinnen und Wähler haben im 21. Jahrhundert ein Recht auf möglichst großes Wissen über das Handeln der von ihnen gewählten Vertreterinnen und Vertreter, das gehört zur Demokratie dazu.

Aber Transparenz im Gesetzgebungsprozess ist noch aus einem anderen Aspekt heraus wichtig: dem der Waffengleichheit zwischen verschiedenen Interessengruppen. Wir verteufeln nämlich – entgegen anderslautenden Gerüchten – Lobbyismus nicht. In modernen politischen Prozessen ist Interessenvertretung ein normales Phänomen, das nicht nur von Wirtschaftsunternehmen, sondern auch von NGOs, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen, Bürgerinitiativen oder sogar von Bundesländern betrieben wird.

Mit Lobbyismus gehen wir Politikerinnen und Politiker jeden Tag um, denn es ist normal, dass Menschen sich zusammentun und ihre Interessen auch gegenüber dem Gesetzgeber und der Regierung vertreten. Wir bekommen Briefe, Anrufe und Mails, Menschen wenden sich mit verschiedensten Anliegen an uns. An sich sehen wir es sehr positiv, wenn die Politik vor der Schaffung von Regeln mit Betroffenen spricht und an einem Interessenausgleich interessiert ist.

Problematisch wird Lobbyismus, wenn einzelne Player sich unlautere Vorteile verschaffen – und das tun in der Regel Unternehmen und Verbände mit großen Ressourcen. Deren Einflussnahme setzt zumeist lange vor dem parlamentarischen Prozess ein.

75 Prozent der Gesetzentwürfe werden von der Bundesregierung ins Parlament eingebracht. Gut ausgestattete und vernetzte Lobbyisten wissen, dass eine frühzeitige Einflussnahme in den Ministerien am meisten wirkt. Ich erinnere nur mal an den massiven Einfluss der Automobilindustrie auf das Agieren der Bundesregierung bei den Schadstoffgrenzwerten. Oder an den Einfluss der Energiewirtschaft auf die Regularien beim Atomausstieg.

Deswegen setzt unsere Transparenzoffensive auch bei den Verwaltungen an. Jeder Gesetzentwurf soll einen Fußabdruck zum Lobbyeinfluss enthalten: wer hat wann und mit welchem Ziel an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet? Das soll für jeden und jede nachvollziehbar werden.

Wir wollen zudem die gängige Praxis beenden, dass Referentenentwürfe lange vor ihrer Öffentlichmachung an ausgesuchte Lobbygruppen mit der Bitte um Stellungnahme verschickt werden. Warum sollen nicht alle die gleichen Möglichkeiten der Beteiligung haben?

Deutschland steht nach einer Studie von Transparency International von 19 EU-Staaten bisher auf Platz 16. Wir wollen mit einem verpflichten Lobbyistenregister, mit einem ganzen Maßnahmenpaket endlich einen Schritt nach vorn in Sachen Transparenz machen. Die Zeit ist reif.

Selbst viele der Lobbyisten selbst sehen ein solches Register positiv, hilft es ihnen doch, aus der Grauzone der unberechtigten Einflussnahme herauszukommen. Die einzige Partei im Bundestag, die ein solches Register nicht will, ist die Union. Als Argument führt sie an, dass die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten durch mehr Transparenz bei der Tätigkeit von Lobbyisten eingeschränkt würden. Dabei würde keine Abgeordnete und kein Abgeordneter bei Umsetzung unserer Vorschläge zu etwas verpflichtet. Geregelt wird ausschließlich die Tätigkeit von Interessenvertretern im politischen Prozess.

linksfraktion.de, 8. Juni 2016

 

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