Seit 25 Jahren gibt es den Dornrosa e.V. in Halle. Dieser gemeinnützige Verein engagiert sich für die Geschlechtergerechtigkeit und setzt sich für die Belange von Frauen ein. Den Mittelpunkt aller Aktivitäten des Vereins bildet das Frauenzentrum Weiberwirtschaft. Neben Bildungs- und Beratungsangeboten gibt es hier auch einen Ort der Begegnung, des Austausches und der kulturellen und künstlerischen Unterhaltung.
Einmal im Monat trifft sich hier der Frauenpolitische Runde Tisch, für den ich mich schon seit Jahren engagiere. Die Mitglieder des Runden Tischs sind Frauen aus sehr verschiedenen Bereichen der Stadt: Politikerinnen, Studentinnen, Angestellte, Selbstständige, (Lebens-)Künstlerinnen, Gleichstellungsbeauftragte … Die Zusammensetzung des Runden Tischs ist so vielfältig wie die Frauen, die ihn gestalten. Und sie reden über die Dinge, die sie gerade am meisten bewegen. Da geht es gern auch sehr kontrovers zu und nicht immer ist frau sich hier gleich einer Meinung.
Zum Beispiel, wenn es um das deutsche Prostitutionsgesetz geht. Das Gesetz soll dazu dienen, den „größtmöglichen Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) zu gewährleisten und Zwangsprostitution, Menschenhandel und sexuellen Missbrauch Minderjähriger zu verhindern. Das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten soll damit gestärkt und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden.
Prostituierte, die sich selbstbestimmt zur Ausübung dieser Tätigkeit entscheiden, müssen sich nun alle zwei Jahre bei einer Behörde anmelden und jährlich eine Gesundheitsuntersuchung vornehmen lassen. Für Freier gilt jetzt eine Kondompflicht und Bordelle dürfen nicht mehr von vorbestraften Personen eröffnet werden und sollen Mindeststandards (Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich, Verbot von Sex-Flatrates) einhalten. Außerdem können Prostituierte ihren Lohn nun auch einklagen, ein eigenes Gewerbe gründen und haben ein Recht auf eine Sozial- und Krankenversicherung.
Solch ein Gesetz bleibt natürlich nicht ohne Kritik. Frauenorganisationen wie der Frauenpolitische Runde Tisch mahnen an, dass beispielsweise die Kondompflicht für Freier eher eine Farce darstellt. Es sei nicht möglich so etwas zu kontrollieren. Auch würden die anderen Maßnahmen den Prostituierten nicht helfen, sondern sie in eine Pflicht nehmen, die sie unter Druck setzen könnte und eher zu einer weiteren Stigmatisierung ihrer Arbeit und zur Ausbeutung der betroffenen Frauen und Männer führen wird. Freier haben hingegen keine Meldepflicht und könnten ungehindert weiter sexuelle Dienstleistungen kaufen.
Der Frauenpolitische Runde Tisch in Halle sucht daher nach anderen Lösungen und hat das schwedische Prostitutionsgesetz im Blick. Während in Deutschland die selbstbestimmte Prostitution (nicht der illegale Menschenhandel bzw. die Zwangsprostitution!) als Gewerbe anerkannt wird, ist sie in Schweden generell verboten. Freier können folglich für den Kauf – sogar schon für den versuchten Kauf – sexueller Dienstleistungen bestraft werden. Die Schweden wollen mit ihrem Gesetz ausdrücken, dass es keine selbstbestimmte Prostitution geben kann, da immer ein Abhängigkeitsverhältnis da ist und ein sozialer Staat es nicht hinnehmen sollte, dass Menschen ihren Körper verkaufen, wie es im ZEIT-Artikel heißt. Das deutsche Prostitutionsgesetz verfolgt hingegen den Ansatz, dass eine selbstbestimmte Prostitution in gewisser Weise akzeptiert werden muss und die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter dementsprechend verbessert werden müssen. Beide Ansätze verfolgen also einen sozialen Aspekt. Doch beide sind gleichermaßen umstritten und nur schwer zu diskutieren.
Auch DIE LINKE. im Bundestag strebt eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern an. Sie will aber nicht, dass sich durch die verschärften Kontrollen von Bordellen und die Ausdehnung der Rechte der Polizei, die Situation für Prostituierte verschlechtert und so zu einer Kriminalisierung führt. DIE LINKE. fordert Qualitätskriterien für Bordelle. Das beinhaltet gesetzlich verankerte Qualitätsstandards der Einrichtungen bezüglich der Hygiene, der Sicherheit und der Miethöhe. Diese sollen gemeinsam mit Berufsverbänden von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern definiert und festgelegt werden. Darüber hinaus braucht es für alle selbstständig Tätigen, also auch für Prostituierte, einen bezahlbaren Zugang zu Sozialversicherungsleistungen, wie Renten-, Gesundheits-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Informations- und Beratungsangebote sollen in verschiedenen Sprachen vorhanden sein. In Zusammenarbeit mit den Ländern müssen freiwillige und anonyme Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten bei sexuell übertragbaren Krankheiten bedarfsgerecht finanziert und ausgebaut werden. Auch für die Freier muss Informationsmaterial zugänglich gemacht werden. Bei all diesen Maßnahmen und Forderungen ist es überaus wichtig, dass die sexuelle Selbstbestimmung gewahrt und der Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern entgegengewirkt wird.
Nachlesen
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/085/1808556.pdf (Gesetzentwurf zum Prostitutionsgesetz)
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/072/1807236.pdf (Antrag zum Prostitutionsgesetz, DIE LINKE.)
https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/prostitution/ (Positionspapier, DIE LINKE.)
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/prostitution/prostitution/80646?view=DEFAULT (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
https://missy-magazine.de/tag/prostitution/
Weiterlesen
http://www.emma.de/thema/prostitutionsgesetz
http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/178991/index.html
http://www.stern.de/politik/deutschland/themen/prostitutionsgesetz-4186266.html
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-12/schweden-prostitution-verbot-freier-strafe
Danke an den Radio Corax e.V. für die Bereitstellung des Aufnahmestudios.