Antwort auf den Brief der FAZ zum Urheberrecht

Die Herausgeber und Geschäftsführer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung haben einen Brief an die Mitglieder des Bundestages geschrieben, der Kritik am geplanten Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz formuliert. Da der Brief auch per Anzeige veröffentlicht wurde und Aussagen enthält, die einer Klarstellung bedürfen, veröffentliche ich an dieser Stelle die Antwort, die ich im Namen der Fraktion gegeben habe:

Sehr geehrte Herren,

Sie haben sich schriftlich an mich und andere Abgeordneten meiner Fraktion gewandt und Ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesetzentwurf zu einem neuen Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) eine „Gefährdung der Zeitung als unabhängiges Medium freier Meinungsbildung in diesem Land“ darstelle.

Konkret geht es Ihnen um zwei Punkte:

1. Dass die Nutzung einzelner Beiträge derselben Zeitung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vollständig frei sein solle und der/die potentielle Nutzer/in so nicht mehr auf den Kauf einer Zeitung oder Zeitschrift angewiesen sei. Sie kritisieren, dass die freie Nutzung sonstiger Werke für Unterricht, Lehre und Forschung, Bibliotheken, Archive und den Dokumentenversand im Gegensatz zu der Regelung in Bezug auf die Zeitungsbeiträge hingegen auf nur 15% des entsprechenden Werkes begrenzt würde

2. Das im Gesetzentwurf eingeräumte Recht der Deutschen Nationalbibliothek Zeitungsartikel, die einmal im Internet unentgeltlich öffentlich zugänglich waren, dauerhaft anzubieten, würde in der Konsequenz das Archivgeschäft der Zeitungsverlage zerstören.

Der vorliegende Gesetzentwurf gefährdet Ihrer Auffassung nach also nicht nur das primäre Geschäftsmodell der Presseverlage, sondern „zerstört“ zudem ihr Archivgeschäft. Das sind starke Vorwürfe gegen einen Gesetzentwurf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das geltende Urheberrecht an die Erfordernisse von Wissenschaft und Forschung im digitalen Zeitalter anzupassen.

Der vorliegende Gesetzentwurf stellt meiner Auffassung nach einen großen Schritt in die richtige Richtung dar – nämlich die praxisnahe und nutzerfreundliche Neustrukturierung der Bildungs- und Wissenschaftsschranken. Nach langen Jahren der Rechtsstreitigkeiten wird hier nun endlich Rechtssicherheit hergestellt.

Ich halte Ihre Sorge, dass der Gesetzentwurf in den Primärmarkt der Presseverlage eingreift und quasi einen Nulltarif für Nutzer einführt für unbegründet.

Zu 1.:

Sie beziehen sich in ihrem ersten Kritikpunkt auf die zulässige freie Nutzung von 15% bei Werke für Unterricht, Lehre und Forschung, Bibliotheken, Archive und den Dokumentenversand. Dies ist Gegenstand von § 60a WissUrhG. Hier steht konkret in Absatz 2: „Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Zeitung oder Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke dürfen abweichend von Absatz 1 vollständig genutzt werden“.

Nun regelt dieser Unterabschnitt 4 „Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ des WissUrhG in der Tat die § 47, 52 und 53 des UrhG neu.

Der von Ihnen angesprochene Tatbestand aber findet sich bereits im 2003 eingesetzten § 52a UrhG wieder und ist also mitnichten eine Neuregelung. Der oben zitierte Abs. 2 des § 60a UrhWissG dient allein der Klarstellung, dass im Gegensatz zur auf 15% des Werkumfanges beschränkten Nutzung von Büchern zum Schutz der Verlage, Zeitungsartikel weiterhin vollständig entsprechend der konkreten im Gesetz festgelegten Bestimmungen genutzt werden können.

Zudem sieht das UrhWissG eine Vergütung der Nutzung vor und führt mitnichten einen „Nulltarif“ ein. Ich bin der Auffassung, dass eine Pauschalvergütung an dieser Stelle voraussichtlich höhere Einnahmen generieren kann als eine aufwendige Einzelvergütung.

Sie kritisieren hier also eine seit vierzehn Jahren übliche Praxis und stellen sie zudem in großformatigen öffentlichen Anzeigen als kritikwürdige und die freie Meinungsbildung gefährdende Neuregelung dar.

Zu 2.:

Hier richtet sich die Kritik gegen den § 16a Abs. 2 des Nationalbibliotheksgesetzes (DNBG). Der vorliegende Gesetzentwurf des UrhWissG will hier die Deutsche Nationalbibliothek berechtigen zukünftig ein öffentlich zugängliches Archiv freier Online-Quellen anzubieten. Der GE sieht dabei vor, dass in diesem Archiv allein solche Quellen gespeichert werden dürfen, deren Zugänglichkeit nicht dauerhaft anderweitig gewährleistet ist

In der Konsequenz bedeutet diese Formulierung, dass eben gerade nicht das Archivgeschäft der Presseverlage gefährdet wird. Denn das geltende Pflichtexemplarrecht macht alle gedruckten oder in elektronischer Form vorliegenden Artikel zum Gegenstand der Pflichtexemplarbibliotheken der deutschen Nationalbibliothek, was bedeutet dass ihre Zugänglichkeit dauerhaft gewährleistet ist.

Ich halte ihre in beiden Kritikpunkten stark verkürzte Darstellung der urheberrechtlichen Sachverhalte in Zeiten, in denen die Öffentlichkeit durch Debatten um „Fake News“ und einer als einseitig wahrgenommene Berichterstattung der Medien der Presse gegenüber verunsichert ist, für annähernd verantwortungslos.

Gern möchte ich Sie abschließend mit einem Zitat aus der „Pflichtexemplar-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 daran erinnern, dass Publikationen nicht allein Gegenstand von Geschäftsmodellen sind, sondern ebenso ein geistiges und kulturelles Allgemeingut darstellen:

„Vom Zeitpunkt seiner Publikation an entwickelt jedes Druckwerk ein Eigenleben. Es bleibt nicht nur vermögenswertes Ergebnis verlegerischer Bemühungen, sondern wirkt in das Gesellschaftsleben hinein. Damit wird es zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Geschehen seiner Zeit mitbestimmenden Faktor. Es ist, losgelöst von privatrechtlicher Verfügbarkeit, geistiges und kulturelles Allgemeingut. Im Blick auf diese soziale Bedeutung stellt es ein legitimes Anliegen dar, die literarischen Erzeugnisse dem wissenschaftlich und kulturell Interessierten möglichst geschlossen zugänglich zu machen und künftigen Generationen einen umfassenden Eindruck vom geistigen Schaffen früherer Epochen zu vermitteln.“ (BVerfGE 58, 137 (148f.)

Dies betrifft die Arbeit von Bibliotheken und auch gerade die Deutsche Nationalbibliothek.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Sitte