Rede: AfD ist keine glaubhafte Kämpferin für die Meinungsfreiheit

 

Redemanuskript zur Rede am 17. März 2022, TOP 9 „Meinungsfreiheit in Sozialen Medien“

Besten Dank, Frau Präsidentin. Nur kurz außerhalb meiner Redezeit: Dass Sie in diesen zweieinhalb Tagen mit Katrin Göring-Eckardt diese Sitzungen hier zu zweit managen, weil die Kollegen erkrankt sind, das finde ich toll.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich gehöre zu jenen, die sich die Augen gerieben haben, als sie den Antrag gelesen haben. Ausgerechnet die AfD, allen Ernstes, will sich wieder einmal als Kämpferin für die Meinungsfreiheit aufspielen – eine Partei, die alles mit Verachtung betrachtet, was nicht in ihr übles Weltbild passt

(Zwischenruf der AfD)

– ich bin lauter als Sie, ich habe ein Mikro -,

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

eine Partei, die Andersdenkende am liebsten „entsorgen“ möchte, die ganze Wissenschaftszweige am liebsten verbieten würde.

Wer soll Ihnen so einen Antrag abnehmen?

Sie fordern, auf die Regulierung von Telegram zu verzichten. Ich habe den Zitaten der Kollegen auch noch etwas hinzuzufügen. Erst vor wenigen Monaten ist eine Telegram-Gruppe bekannt geworden, in der unter anderem bayerische AfD-Funktionäre – auch hier im Bundestag vertreten – bizarre Umsturzfantasien geteilt haben. Ich zitiere:

„Wir brauchen die totale Revolution.“

,Totale’ steht da.

„Anzünden müsste man diese ganze Politik.“

Oder:

„Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden.“

Und wie fasst Ihr Ex-Fraktionsmitglied Johannes Huber das Ganze zusammen:

„In dieser Gruppe herrscht Meinungsfreiheit.“

Meine Damen und Herren, genau dieses Verständnis von Meinungsfreiheit ist es, das einen Mordanschlag wie auf Regierungspräsident Walter Lübcke oder den rechtsterroristischen Anschlag in Halle, meiner Stadt, nicht nur toleriert, sondern begünstigt.

Die AfD aber leugnet wider besseres Wissen in ihrem Antrag diese Zusammenhänge, und das macht schon einigermaßen fassungslos.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie verstehen unter Meinungsfreiheit die Freiheit, zu hetzen, Unwahrheiten zu verbreiten, zu Gewalt und Hass aufzurufen.

Aber Meinungsfreiheit hat aus gutem Grund, wie einige Kollegen schon gesagt haben, Grenzen, und die erfordern eine gesetzliche Regulierung auch von Plattformen wie Telegram; gerade dort sind illegale Inhalte viel zu lange geduldet worden – ein Problem, das sich verschärft hat, weil Telegram geradezu Heimat jener geworden ist, die sich anhand kruder Verschwörungstheorien nach rechts radikalisiert haben.

Meine Damen und Herren, was wir aber in dieser Situation überhaupt nicht vergessen dürfen, sind eben auch Debatten, wie sie zwischenzeitlich aus den Reihen der Bundesregierung angestoßen worden sind, also Forderungen danach – es wurde schon erwähnt -, Telegram zu sperren oder aus den App-Stores zu entfernen; die Kollegen von der SPD war da sehr klar. Mit solchen Maßnahmen begibt man sich einerseits, wie wir gerade sehen können, in äußert ungute Gesellschaft, andererseits muss man zur Kenntnis nehmen, welche Rolle Telegram gerade dabei spielt, in Kriegsgebieten der Ukraine und Russland Menschen mit Informationen zu erreichen oder eben auch Kontakte aufrechtzuerhalten. Daran allein sieht man, wie fragwürdig solche Maßnahmen sind.

Schließlich und grundsätzlich sei gesagt: Wenn in Chatgruppen mit Hunderten Menschen Gewaltaufrufe geteilt werden, dann ist das eben kein technisches Problem, das einer technischen Lösung harrt, sondern es geht hier um Grundrechte, es geht um Grundwerte, und es geht vor allem um die Durchsetzung geltenden Rechts.

Insofern ist es zu begrüßen, dass es mittlerweile offenbar Kontakte zu Telegram gibt und dort bei der Löschung strafbarer Inhalte ein gewisser Kooperationswillen signalisiert wurde bzw. – Sie haben es gesagt, Frau Rößner – dies bereits erfolgt ist.

Darüber hinaus müssen natürlich auch Strafverfolgungsbehörden solche Entwicklungen im Auge behalten, früh reagieren; vor allem aber müssen sie über die notwendigen Ressourcen verfügen.

Meine Damen und Herren, die Meinungsfreiheit zu gewährleisten, ist keine leichte Aufgabe; aber keinesfalls darf sie denen überlassen werden, die unter diesem Vorwand nur die Bahn frei bekommen wollen für Hetze und Unwahrheiten.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)