Reden: Forschung und Entwicklung als kritische Infrastrukturen schützen

Redemanuskript zur Rede am 08. Juli 2022, zum TOP 29: Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wieder ein Antrag, mit dem die Union ihre Regierungszeit nacharbeitet.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Zentrum steht Biotechnologie. Sie konzipieren eine Kette von Forschungsförderung an Hochschulen, Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Patentierung und Lizensierung von Ergebnissen, Ausgründungen, Finanzierung von Start-ups durch öffentliches Geld und Wagniskapital aus dem In- und Ausland. Im Kern aber geht es um nichts anderes als um die Kommerzialisierung von Wissen, erworben über öffentliche Förderung von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das alles ist ja nun nicht wirklich neu. Es entspricht immer noch Ihrer Wachstums- und Verwertungslogik. Wir als Linke verfolgen einen grundsätzlich anderen Ansatz. Nur nebenbei liest man in Ihrem Antrag ein paar Worte zum Wohlstand von Gesellschaft. Und genau hier fragt man sich zudem: Sollen wirklich Biotechunternehmen und Start-ups undifferenziert in der Breite und mit öffentlichen Mittel gepusht werden? Wir als Linke sagen Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, das Beispiel BioNTech ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, klar. Eine Forschungsidee, die Krebstherapien ermöglichen sollte, bot nun zu Beginn der Pandemie genau das Wissen, einen Impfstoff zu entwickeln, der schließlich später Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Aber ich halte noch mal fest: Grundiert wurde das alles zunächst durch öffentliche Gelder.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Pharmakonzern stieg erst dann ein, als ein gewaltiger Pandemiemarkt versprach, das Finanzrisiko zu minimieren und auch Gewinne abschöpfen zu können.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): So ist das! – Jessica Tatti (DIE LINKE): Genau!)

Ich finde, wenn wir schon in Größenordnungen Mittel für Pharma und Biotech aufbringen sollen, dann doch bitte dort, wo der Markt klassisch versagt, dort, wo Menschen mit ihren Schicksalen unfassbar im Stich gelassen werden. Denn die falsche Logik des Marktes versagt beispielsweise bei seltenen Erkrankungen, versagt bei Alzheimer-Forschung, Erkrankungen nach Virusinfektionen wie Post Covid oder chronischem Ermüdungssyndrom, versagt bei Antibiotikaresistenzen, versagt bei Forschung an armutsbedingten Erkrankungen insbesondere in der Dritten Welt. Dazu, meine Damen und Herren, wird aufgrund dieser pessimistischen Renditeerwartung von Pharmakonzernen nämlich, wenn überhaupt, nur minimal oder marginal geforscht. Ausgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wären dann logischerweise auch nicht interessant genug für Wagniskapital. Das heißt also: Öffentliche Forschungsförderung muss dem Gemeinwohl folgen. Millionen Menschen dürfen als Leidende nicht im Stich gelassen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und an die Union noch einmal extra: Es ist Ergebnis Ihres Regierungshandelns, dass hier die Forschungsförderung weit hinter dem Notwendigen zurückbleibt. Wir wollen das nicht hinnehmen. Dabei haben Forscherinnen und Forscher spannende Ansätze entwickelt – keine Frage. Aber sie müssen sich eben immer noch von Projekt zu Projekt durch ständig befristete Finanzierungen hangeln; und das finden wir indiskutabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht um existenzielle Fragen, und hier sollten wir Modelle entwickeln, die nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch die spätere Produktion im Interesse der Gesellschaft in den Blick nehmen, also sozusagen gemeinnützig aufstellt. Auch das sollten wir zu schützenswerten, zu sogenannten kritischen Infrastrukturen erklären. Dann haben wir ganz andere Handlungsmöglichkeiten. Dann hätten wir auch Einfluss auf Preisgestaltung. Und nebenbei: Wir hätten erst recht auch Einfluss auf Lizenzfreigaben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Zugang zu Medikamenten ist schließlich auch eine soziale Frage. Und von all dem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, findet sich in Ihrem Antrag nichts. Damit ist klar: Er geht an den eigentlichen Aufgaben öffentlicher Forschungsförderung vorbei. Und von uns wird es aus diesem Grund auch keine Zustimmung zu diesem Antrag geben.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)